Tichys Einblick
Bei Caren Miosga

Ricarda Lang: Für den Mord in Mannheim darf es keine Rechtfertigung geben

Lang und Laschet kritisieren bei Caren Miosga, dass sich die Politik zu wenig auf Islamismus fokussiert. Allerdings wird deutlich: Auch nach dem Mord in Mannheim wird sich nichts daran ändern. Aber womöglich am Beziehungsstatus der beiden Politiker.

Screenprint ARD / Caren Miosga

Bei Caren Miosga bezieht Ricarda Lang zunächst eine klare Stellung zum Mord in Mannheim: Für diesen dürfe es keine Rechtfertigung geben, betont die Co-Chefin der Grünen. Am Freitagmittag hatte ein 25-jähriger, aus Afghanistan stammender Mann während einer islamkritischen Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz mit einem Messer sechs Männer angegriffen und verletzt, darunter einen Polizisten. Dieser ist am gestrigen Sonntag an seinen Verletzungen gestorben. Lang betont in der Sendung: „Islamismus ist der Feind einer freien Gesellschaft und als das muss er auch behandelt und bekämpft werden.“ Indem sie die Parolen-Schreier von Sylt mit dem Islamistischen Attentäter von Mannheim rhetorisch gleichsetzt zeigt sich: Offenbar ist ihr noch nicht aufgegangen, dass es zwischen dem Grölen einer Parole und dem Abstechen eines Menschen und dem Einstechen auf weitere einen gewaltigen Unterschied gibt. Ihre Gleichsetzung der „Taten“ von Sylt mit dem Mord von Mannheim zeigt die eigentliche Ursache für das Versagen der Politik: Der Blick auf die Realität fehlt.

Lang sagt gegenüber Miosga, dass „die Gesellschaft“ die Debatte über den Islamismus eigentlich seit Jahren führen müsste. Es sollte kein entweder gegen Rechtsextremisten oder gegen Islamisten geben, sagt sie: Das seien allesamt Feinde der Demokratie und Freiheit. Aber genau dieses „Entweder-Oder“ gibt es seit Jahren in Deutschland: Und die Parteien der Mitte entscheiden sich, gegen Rechts(extremismus) zu sein, während sie den Islamismus beschönigen. Das gibt sogar Lang – so halbwegs – zu: Es habe die Tendenz gegeben, vor der Debatte über den Islamismus zurückzuschrecken, weil man befürchtet habe, den Rechtsextremisten in die Karten zu spielen, sagt sie. Aber das Gegenteil sei der Fall: „Wenn wir die Debatte nicht in der politischen Mitte führen, dann hilft das dem Rechtsextremismus.“ Also geht es Lang doch wieder um den einzig wahren Feind der Grünen: Rechts.

Was durch diese Argumentation Langs zu kurz kommt: Vor allem hilft diese „Tendenz“ den Islamisten selbst, weil die sich über Jahre hinweg weitestgehend ungestört in Deutschland ausbreiten konnten. Einige von diesen Islamisten feiern das Attentat in Mannheim in den sozialen Medien, wie Armin Laschet (CDU) erwähnt. Der ehemalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfahlen kritisiert, dass der Rechtsextremismus mehr bekämpft wird als der Islamismus und zeigt das an einem Beispiel: „Wir haben uns alle lange über Sylt aufgeregt, aber die Empörung über die Kalifat-Forderung war nicht so groß“, kritisiert er. Dabei vergisst Laschet offenbar, dass er einer derjenigen war, die sich besonders über das Gegröle der betrunkenen Jugendlichen auf Sylt aufgeregt haben – und zwar in haarsträubender Form, wie TE berichtete.

Jedenfalls war das Thema des islamistischen Attentats und des wachsenden Islamismus in Deutschland nach neun Minuten (inklusive Anmoderation) vom Tisch. Nach dem Motto: Musste halt kurz angesprochen werden, aber eigentlich schauen wir auf diese Bedrohung auch weiterhin nicht. Stattdessen ging es in der Sendung darum, wie die Politik wieder zueinanderfinden könne. Das Ganze glich einem Date zwischen Laschet und Lang. Laschet hat der schwarz-grün gekleideten Lang fast ununterbrochen geschmeichelt – und sein zuckersüßestes Lächeln aufgesetzt. Und Lang lachte zurück. Sie wirkte ganz angetan von ihm.

Wahrscheinlich war Lang vor allem davon angetan, wie Laschet Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für seinen „Fehler“ in Sachen Gebäudeenergiegesetz in Schutz genommen hat: Habeck sei falsch zitiert worden, sagt Laschet zu jener Rede Habecks, in der der „Wirtschaftsminister“ zugibt, mit dem Heizungshammer bewusst übertrieben zu haben, um zu testen, wie weit er gehen könne. Allerdings hat Miosga Habeck nicht „zitiert“, sondern ein Video von seiner Rede eingeblendet. Laschet zeigt sich froh darüber, dass Lang Habecks Aussagen „richtiggestellt“ habe: Lang meinte nämlich, das Heizungsgesetz „war richtig“, aber „auf dem Weg“ habe Habeck Fehler gemacht. Sie findet gut, dass Habeck diese Fehler öffentlich zugegeben und daraus gelernt – wirklich? – habe. Das gebe den Menschen Vertrauen. Interessante Sichtweise. Aber, dass Lang ihren Kollegen für sein Handeln in Schutz nimmt, ist ja noch irgendwo verständlich.

Laschets Aussagen passen wiederum nicht zu der Rolle einer Oppositionspartei: Er findet, ein Olaf Scholz (SPD) oder ein Christian Lindner (FDP) müssten sagen: „Lasst den Robert in Ruhe.“ Stattdessen, so Laschet, sei der Bundeskanzler froh, dass die Kritik auch mal Habeck treffe. Lang schätzt die Situation unter den Politikern ähnlich ein: Es ginge in der Politik nur noch ums Gewinnen oder Verlieren. Die Politiker würden sich untereinander immer hämischer und persönlicher angehen, um Aufmerksamkeit zu generieren.

Zwischendrin kracht es zwischen Lang und Laschet: Lang kritisiert, dass die Große Koalition Deutschland von russischem Gas abhängig gemacht habe. Somit habe die ehemalige Bundesregierung Deutschland in Energieprobleme und damit einhergehend in wirtschaftliche Probleme gejagt. Miosga fügt ihre Kritik hinzu: Die Große Koalition habe die Pipeline „Nord Stream 2“, die russisches Gas nach Deutschland befördern sollte, vorangetrieben, als Putin die Krim bereits annektiert hatte. Dass die Pipeline gesprengt wurde und noch immer nicht geklärt ist, von wem, bleibt unerwähnt.

Laschet nimmt diese Vorwürfe nicht so hin: Deutschland sei nicht von russischem Gas abhängig gewesen. Sonst hätte die Ampel Deutschlands Energieversorgung nicht in wenigen Monaten umstellen können, meint er. Außerdem habe die Regierung vor der Ampel keine wirkliche Wahl gehabt. Hätte sie Gas aus Katar importiert, hätten die Grünen das kritisiert, hätte sie LNG-Gas aus den Vereinigten Staaten unter Donald Trump importiert, hätten die Grünen das kritisiert.

Langs Wahl wäre natürlich der Ausbau der „erneuerbaren“ Energien gewesen. Aber das sieht Laschet offenbar als keine „wirkliche Alternative“ zum billigen Gas aus Russland, mit dem Deutschlands Industrie günstig produzieren konnte. Das war es dann auch mit Laschets Gegenhalten: Somit lässt er die Ampel – und vor allem die Grünen – wie Helden dastehen, die Deutschland aus der Abhängigkeit von Russland befreit haben und hält zudem das Bild aufrecht, die Ampel würde die Energieversorgung Deutschlands im Griff haben. Das hat sie nicht, wie man täglich im Energiewende-Bericht des TE-Weckers hören kann.

In Sachen Atomkraft sind Laschet und Lang wieder auf einer Wellenlänge: Die „Atommeiler“ will weder die Grüne noch die CDU wieder aufbauen. Die beiden Stellvertreter ihrer Parteien grinsen sich an. Es ist wie ein Date zweier Frischverliebten. Ein perfektes Match. Ein Match, das laut Lang in vielen Bundesländern „funktioniert“. Ob die beiden Parteien sich in der nächsten Legislaturperiode den Ring anstecken werden? Das wollen die Turteltäubchen noch nicht verraten. Das sei noch zu früh. Aber der Abend war bereits ein deutliches Anzeichen für ein Ja.

Anzeige
Die mobile Version verlassen