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Medienwüste Rheinland-Pfalz: Drei Journalisten wechseln zur Landesregierung

Drei Zeitungsjournalisten beginnen in diesen Tagen ihre neuen Jobs in der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Das ist mehr als ein Schichtwechsel. Die mediale Vielfalt in Rheinland-Pfalz steht in Frage, auch das journalistische Arbeiten. Die Regierung profitiert.

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Journalisten sind knallharte Typen. Sie stellen den Mächtigen unbequeme Fragen, recherchieren mit der Intensität eines Detektivs und falls es notwendig wird, schleusen sie sich in eine Organisation ein, um aus dem Inneren über diese zu berichten. Das war einmal das Klischee dieses Berufsstandes.

Die Wahrheit des Journalismus ist Mainz, die rheinland-pfälzische Hauptstadt: Eine Gruppe schleicht zum Mittagessen. Jeden Tag zur gleichen Zeit. Alles ist geregelt. Selbst wann die Fenster geöffnet werden. Die eine Hälfte zur vollen Stunde – die andere zur halben. Der Arbeitsalltag sieht nicht viel bunter aus. Sie sind Desk-Mitarbeiter.

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Ihre Tage sind geprägt davon, Zeitungs-Seiten mit Standard-Layouts zu füllen und dann Geschichten der Nachrichtenagentur DPA in die Lücken laufen zu lassen. Konferenzen takten den Tag der Desk-Mitarbeiter. In den Konferenzen wird die DPA-Themenliste vorgetragen und geklärt, welche Beiträge davon ins Blatt kommen. Klingt nur wenig spannend und ist tatsächlich noch viel langweiliger. Denn was DPA am Donnerstag als Top-Geschichte präsentiert, ist oft genug der Zeitungs-Aufmacher vom Freitag – egal wie bekannt das Thema den Lesern dann schon aus dem Internet ist.

In dieser Medienwüste bilden die Landeskorrespondenten die Oasen: Sie erkennen Themen, gehen ihnen nach, prüfen ihre Thesen sorgfältig und sorgen so letztlich für die Geschichten, die eine Zeitung von der anderen unterscheiden, die ebenfalls reichlich voll mit DPA-Meldungen ist. Vor diesem Hintergrund ist der Wechsel von drei Korrespondenten auf die andere Seite der Landespolitik nicht wenig – zumal es im wesentlichen nur vier Zeitungen im Land Rheinland-Pfalz gibt. Bis auf einige lokale Ausnahmen haben die Rheinpfalz, die Allgemeine Zeitung, der Trierische Volksfreund und die Rhein-Zeitung das Land unter sich aufgeteilt. Nach den drei Wechseln verfügt nur noch die Rheinpfalz mit Karin Dauscher über eine gestandene Korrespondentin.

Wobei auch die drei Wechsler noch nicht lange auf ihren Positionen waren: Ulrich Gerecke ist der neue Sprecher des Bildungsministeriums. Seiner Arbeit als Landeskorrespondent der AZ ist er keine zwei Jahre nachgegangen – davor saß Markus Lachmann an der Stelle. Der spricht nun für die Landes-CDU.

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Die Motive des Wechsels sind vielfältig. Das simpelste: Geld. In der Politik können die Journalisten monatlich eine vierstellige Summe als Zuschlag einstreichen. Doch es liegt eben nicht nur am höheren Gehalt. Die Arbeitswelt der Journalisten ändert sich. Den Hauch von Abenteuer bietet der Beruf nicht mehr – dafür ganz viel Mief aus Beamtenstuben. Auch wenn die Fenster zur vollen Stunde geöffnet werden.

Die Konferenzen schaffen es, selbst die spannendsten Themen kaputt zu reden. Die Phantasie der Wortführer beschränkt sich oft genug drauf, zu bundesweiten DPA-Geschichten regionale Zahlen abfragen zu wollen. Egal welche. Eigene Geschichten sind nur wenige darunter. Sie sind zwar mitunter auf Wochen geplant. Davon profitiert aber nicht die Recherche, sondern nur der Planungsapparat des Beamten-Journalismus. Ein Korrespondent mit einem aktuellen Thema stört mitunter, wenn ein anderes Stück schon Tage vorher konzipiert wurde.

Florian Schlecht (Trierischer Volksfreund) und Carsten Zillmann (Rhein-Zeitung) galten in dieser drögen Medienlandschaft als die jungen Wilden. Auch sie traten ihre Stellen in den Redaktionen erst vor wenigen Jahren an. Die beiden brachten eigene Ideen ein, kämmten Geschichten gegen den Strich und gingen in die Analyse. Zillmann war in der Rhein-Zeitung auf Dietmar Brück gefolgt, der mittlerweile für die Grünen stellvertretender Regierungssprecher ist.

Schlecht und Zillmann wechseln ins Arbeits- beziehungsweise Wirtschaftsministerium, sie werden der rheinland-pfälzischen Medienlandschaft fehlen. Die ist nun noch dröger: Die privaten Funk-Medien machen oft nicht mehr, als Pressemitteilungen zu vertonen oder bebildern. Dass sie ein Thema anstoßen, ist selten. SWR wiederum, so lauten Scherze im Regierungsviertel, stehe für „Schlaf weiter, Rentner“. Zyniker sprechen von Sterben statt Schlafen. Im Programm wird eine öd-bräsige Gute-Laune-Welt gezeichnet, die einen wohlig in den Abend schlummern lässt und so etwas vom Heimatfilm der 50er hat – nur dass sie nicht so gut gefilmt ist.

Aus dieser Welt stammt Regierungssprecherin Andrea Bähner. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) profitiert davon, dass die Journalistin Bähner sie ins adäquate SWR-Bild setzt. Etwa nach dem Hochwasser. Grinsend und feixend in einem Gebiet stehen, in dem gerade rund 200 Menschen ums Leben gekommen sind, so wie es Armin Laschet getan hat? Das würde Dreyer nicht passieren. Und falls doch, bestünde eine gute Chance, dass der SWR es nicht zeigen würde.

Ohnehin ist Rheinland-Pfalz kein Anbaugebiet für exklusive Storys. Hat ein Journalist mal ein Thema für sich alleine, hat ihm oft genug ein Regierungsvertreter das Material dazu geliefert. Der Journalist freut sich über die Story, die er seinen Lesern als exklusiv verkaufen kann. Vor allem aber profitiert der Politiker oder sein Pressesprecher. Und das gleich mehrfach.

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Zum einen haben sie einen Journalisten sich selbst gegenüber wohl gestimmt. Zum anderen haben sie ihr Thema effektiver in einem Medium untergebracht, als wenn sie eine Pressemitteilung herausgegeben hätten. Obendrein geben sie den Spin, die Richtung für das Thema vor: Wer von einem Ministerium ein Dokument exklusiv erhalten hat, wird kaum schreiben, dass dieses Ministerium bei eben diesem Thema schlecht arbeite.

In dieser Medienlandschaft strahlt Malu Dreyer als souveräne Ministerpräsidentin. Dabei gäbe es durchaus Ansatzpunkte, das anders zu sehen: Großprojekte hat sie nicht mehr angefasst, nachdem sich ihr Vorgänger Kurt Beck an Nürburgring und Flughafen Hahn blutige Nasen geholt hat. Sie ist die Königin der Arbeitskreise. Dafür gibt es in Rheinland-Pfalz fast so viele unterschiedliche Wörter wie für Schnee bei den Eskimos. Probleme werden moderiert, nicht gelöst. Ihre Kommunen hält Dreyer so knapp, dass diese zu den höchstverschuldeten in Deutschland zählen. Und das Geld, das sie vom Land zu wenig erhalten, holen sich rheinland-pfälzische Krankenhäuser von den Kassen, indem sie für Operationen den bundesweit höchsten Basissatz verlangen.

Selbst beim Hochwasser ist nicht alles gut gelaufen. Was genau, soll nun ein Untersuchungsausschuss im Landtag klären. Doch die Berichterstattung dazu wird zu großen Teilen auf den Stellungnahmen der Beteiligten beruhen. Und der SWR wird nur flüchtige Bilder dazu liefern. Nicht so würdevolle, nicht so einprägsame wie die von Dreyer, die mit der Bundeskanzlerin durch das Hochwasser-Gebiet schreitet.


Der Autor dieser Geschichte arbeitete von 2015 bis 2019 für die VRM, in der unter anderem die Allgemeine Zeitung Mainz erscheint.

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