Tichys Einblick
Der Sonntagsheld - House of Cards

Rache als Antrieb: Francis „Frank“ Underwood

Oberschurke oder begnadeter Schachspieler - die Grenzen verschwimmen bei Frank Underwood in "House of Cards"

Mit Anstand geht die Welt zu Grunde

Der Sonntagsheld muss moralisch nicht integer sein, nicht reinkarnistisch einwandfrei „Die Welt ist eine Tulpe“ rufen, um in dieser Reihe einer der Sonntagshelden zu werden. Vielmehr muss ihn etwas ganz besonderes auszeichnen und von anderen Charakteren abheben. Natürlich hat die Netflix-Politserie „House of Cards“ weltweit massiv hohe Wellen geschlagen. Gerade wegen ihres machtbesessenen Protagonisten Francis „Frank“ Underwood. Es ist übrigens die geheime Lieblingsserie Berliner Spitzenpolitiker. Einer sagte kürzlich: „Ich habe die Serie mit meinen Kindern angeschaut. Jetzt haben sie endlich verstanden, was wir tun.“ Also schauen wir mit, wie Frank Underwood kämpft.

Bei der US-Präsidentschaftswahl werden ihm für seine Unterstützung und verdienstvolle Mitarbeit als Mehrheitsführer der Demokraten im Kongress, im Erfolgsfall für den US-Präsentischaftskandidaten, die Position des Außenministers in Aussicht gestellt. Frank sichert dem demokratischen Walker die Stimmen – und wird zum Dank ausmanövriert und übergangen.

Wie vielen ist das schon einmal oder auch mehrfach in ihrem Leben so ergangen. Ein Versprechen wird gebrochen, eine Zusage zurückgenommen, nachdem man bereits in Vorleistung gegangen ist, im guten Glauben vertrauend auf das gesprochene Wort und einen Handschlag, der das zuvor gegebene Wort bekräftigt. Wie viele wurden von einem deutlich schlechteren Kandidaten geschlagen, nur, weil dieser sich besser verkaufen konnte, fachlich ansonsten eine kinnlose Luftpumpe ist. Wie viele von uns haben klein beigeben oder gekündigt – zumindest innerlich – und sind gegangen. Verletzt. Beleidigt. Gedemütigt.

Rache ist ein mächtiger Motivation

Nicht so Frank Underwood. Nachdem er einmal von seiner ebenso kühl kalkulierenden Ehefrau Claire daran erinnert wurde, dass sie seine Wut nicht sehen könne, er diese nicht erkennen lässt, entlädt er sie, diese Wut, explosionsartig ein einziges Mal physisch und fegt kurzerhand mehrere Gegenstände durchs Wohnzimmer. Sie ist da, diese Wut. Die Frage, ist, wohin sie sich entlädt: Herzinfarkt oder Kampf?
Dieser nach offen hin sichtbare Gefühlsausbruch, den Frank Underwood sich in diesem Moment gestattet, ist auch der Startschuss. Fortan wächst und gedeiht sie in ihm, diese dunkle Pflanze Rache. Rache für den Wortbruch. Rache für Demütigung. Rache für das Übergangen werden. Rache für das Ausmanövriert werden. Rache für eine zudem in seinen Augen schlechte Personalentscheidung. Denn nicht nur war ihm die Position des Außenministers zugesagt – er ist auch die beste und fähigste Person dafür. Aber es ist kein edler Rachefeldzug, der da stattfindet. Er ist brutal. Gemein. Hinterhältig. Schonungslos gegen Freund und Feind.

Am darauffolgenden Tag sagt Underwood zu seinem Assistenten: „Wir dienen niemandem mehr.“ Da gibt es keinen Hauch eines Zweifels. Es ist ihm ernst: Der Krieg ist eröffnet.
Nach und nach, Schritt für Schritt, zieht er voran. Große Sätze wie „So verschlingt man einen Wal. Bissen für Bissen.“ fallen und man ertappt sich bei dem Wunsch, sie sich im Zierstich auf kleine Kissen nähen zu wollen. Rache ist ein unfassbar starker Motivator. Rache treibt an – und sie fördert dabei auch alle Kreativität in einem Menschen zutage, wenn auch die dunkle. Underwood benutzt Menschen, setzt sie einladend für seine Zwecke ein, holt sie lächelnd heran, positioniert sie wie eine Armee, stößt sie emotionslos weg, ohne Rücksicht auf verletzte Gefühle oder zerstörte Existenzen bis hin zur totalen Vernichtung. Politik bedeutet schließlich Krieg. Wer das nicht abkann, soll zuhause bleiben. „Demokratie wird überschätzt“, sagt er selbst dazu. Denn Francis Underwood wendet sich immer wieder direkt an den Zuschauer, macht ihn zum Zeugen, zum Mitwisser auch solcher Dinge, die man wirklich nicht mitwissen will.

Feind, Todfeind, Parteifreund

Underwood kämpft oft an mehreren Fronten gleichzeitig, wie beim Schach zieht er Zug um Zug voran. Erleidet (scheinbar) Rückschläge, opfert Bauern, ob nun passiv oder auch aktiv, beendet langjährige Freundschaften, wenn ihm diese bei dem Weg nach vorne schaden könnten. Underwood ist völlig beseelt und angetrieben von nur einem Ziel: Dem Oval Office – und den Weg dorthin mit möglichst vielen Köpfen seiner Kontrahenten gepflastert zu sehen. In der Parteiendemokratie Deutschlands hat sich dafür die Trilogie des Verrats eingebürgert: „Feind, Todfeind, Parteifreund“.

Es ist eine andere Politik, die gezeigt wird, sie hat nichts mit dem Sozialkundeunterricht zu tun. Es ist der Kampf um die Macht mit allen Mitteln. Wer die Macht will, muß sie erkämpfen, und das geht nur mit Macht.

Auch, wenn man nicht in letzter Konsequenz mit Underwood übereinstimmt, so ringt seine Kompromisslosigkeit, sein Antrieb, seine Härte, sein unbedingter Wille und Streben zur Macht einem doch eine gewisse Bewunderung, Inspiration und Faszination ab. Diese Unbedingtheit, die man sich oft genug selbst bei der Erreichung eines Ziels wünscht. Bevor man durch so etwas lästiges wie Gewissen gebremst wird. Es ist praktische Politik, die gezeigt wird; dramaturgisch überhöht für die Zwecke des Couch-Konsums. Aber nichts weniger als realistisch.

Die Underwoods sind unter uns

Sie machen Underwood zu einem – wenn auch umstrittenen – aber doch starken Sonntagshelden.Und er erreicht sein Ziel. Ist das ein Schaden für die Demokratie? Die Antwort ist zwiespältig. Nur ein absolut gerissener, kalter, brutaler Typ kann den Gegnern standhalten, in diesem Fall den Chinesen und ihrem Machtanspruch. So wird das Berufsbild des Politikers ambivalent. Wir wählen sie, weil sie die treuen Augen eines süssen Teddybären haben. So zeigen sie sich uns auf den Plakaten, in den Homestories mit Ehefrau und Kindern; oder so putzig wie Manuela Schwesig, die sich so gerne als harmlose Küsten-Barbie verkauft.

Politik aber ist ein Geschäft für Tiger. Wir brauchen den Tiger. Damit er unsere Feinde zerreißt, uns vor ihnen schützt. Damit sich diese dunkle Seite der Macht nicht gegen uns richtet, dafür gibt es Institutionen, die Macht begrenzen, abwählen, entsorgen, wenn sie zu bedenkenlos wird. Und Politik wird gerne als Sandkastenspiel verkauft.

Politiker haben gelernt, dass die Zurschaustellung ihrer wahren Persönlichkeit sie nicht wählbar macht. Perfekt gelingt dies Angela Merkel; mit ihrer Raute und ihren Sprachbildern von der schwäbischen Hausfrau; sie wirkt harmlos. Wer sie näher kennt, sieht, wie in Bruchteilen von Sekunden das Lächeln verschwindet und zum eisigen Blick wird – genau so schnell kehrt das Lächeln zurück. Aber ohne geht es nicht, wenn Russland-Chef Putin den geifernden Riesenköter buchstäblich loslässt, und ihr um die Beine streichen lässt, um sie einzuschüchtern. Politik ist keine Talk-Show mit einem netten Günther Jauch, der die Wogen glättet. Politik ist – Krieg.

Bei Gerhard Schröder konnte man das Wolfslächeln öfter sehen; das hat ihm geschadet. Aber der Aufsteiger mußte gelegentlich seine Überlegenheit demonstrieren. Helmut Kohl verbarg es hinter seiner massigen Figur und seinem gemütlichen pfälzischen Dialekt. Aber sie haben es alle.

Frank Underwood ist unter uns.


Staffel 1 + 2 laufen in Deutschland auf SKY Atlantic, ProSieben/Sat1. Staffel 3 soll Ende Februar 2015 bei Netflix auf Sendung gehen.

 

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