Tichys Einblick
Presseschau zum TV-Duell

Donnerstagabend bei Welt-TV: Menschen, Politiker, Sensationen?

Nachdem der Fernseh-Schlagabtausch ohne Handgreiflichkeiten ablief und auch keine verbale Schlammschlacht zu bestaunen war, ist das Echo dürftig. Hat Voigt dem AfD-Politiker damit einen Dienst erwiesen? Die Presse ist sich hierzulande nicht einig. Und im europäischen Ausland schweigt man sich eher aus.

picture alliance / dts-Agentur | Martin Lengemann/WELT

Bei der FAZ überwiegt das Lob für den Thüringer CDU-Vorsitzenden. Denn Mario Voigt habe „Reichskanzler Höcke scharf angegriffen“.

Der MDR titelt in seiner Kolumne „Altpapier“ mit der reisserischen Schlagzeile: „Ein Faschist im Fernsehen“.

Die englischsprachigen Medien beschränken sich auf die Reuters-Meldung (hier bei Swissinfo) der zu Folge hier die „Zerbrechlichkeit der deutschen Verteidigung beim Kampf gegen Rechts zu Tage getreten sei … denn die Erhöhung einer der kontroversesten Figuren der AfD zum Debattenpartner habe gezeigt, dass die von den Mainstreamparteien errichtete Brandmauer ihre Grenzen habe.“

Auch der Corriere della Sera schließt sich an, mit dem TV-Duell seien nun die „Neonazis im Fernsehen angekommen“.

Für die Tagesschau meint Gabor Halasz, „nervöse Blicke der Parteien Richtung des TV-Duells“ wahrzunehmen. Und er macht die Beobachtung, dass „normalerweise nach solchen ein Sieger gekührt werde …“ Und obwohl der hier wohl Mario Voigt geheißen habe, sei doch „alles anders als sonst … denn Höcke habe mit dem Gespräch auf Augenhöhe schon genug gewonnen“. Voigt sehe „nicht den amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, als den wichtigsten Gegner. Sondern Björn Höcke, einen Rechtsextremisten. Einen Mann, der gerade wieder vor Gericht steht …“, und der Sender analysiert die „umstrittene“ Debatte:

„Björn Höcke hat in den ‚Mainstream-Medien‘ viel Material gesammelt, das seine Getreuen jetzt zu Propaganda-Schnipseln für die Social-Media-Kanäle der AfD zusammenschneiden werden.
Aber noch mehr aufgegangen ist das Kalkül von Mario Voigt. In der von ihm bewusst gesuchten und medial hochgejazzten TV-Debatte ist er nicht untergegangen. Er ist ruhig geblieben, obwohl sich der Gottseibeiuns des deutschen Parteiensystems nur einen Meter neben ihm zeitweise wie Rumpelstilzchen aufgeführt hat.“

Markus Feldenkirchen sieht in dem TV-Duell für den Spiegel: das „Hinterhältigste, was die radikale Rechte zu bieten habe“ nach dem das „Höcke-Lager hoch zufrieden sein werde“.

Die Berliner Zeitung nennt die Welt-Sendung vorsichtig „eher … einen Quantensprung für die Debattenkultur“. Zwar sei Höcke „vielleicht zum allerersten Mal öffentlich richtig ins Straucheln gekommen“, aber die Zeitung kritisiert auch, dass Voigt so in dessen Richtung geredet hätte, als ob „es sich bei ihm um den Wiedergänger von Kambodschas kommunistischem Diktator Pol Pot handle.“

Dem Autor der „Zeit“, Martin Machowecz, sei „das sei ja immer klar gewesen … obwohl alle Mario Voigt dafür kritisiert hätten … einen Demagogen, gegen dessen gedanklichen Wahnsinn kein Kraut gewachsen sei, inhaltlich zu stellen…das Rededuell habe schiefgehen müssen.“ Trotzdem habe dieses „Höckes Unsinn im rechten Maß richtiggestellt“.

Und während die CDU-Granden (Linnemann, Merz, Wüst) Mario Voigt für seinen Mut, in die direkte Konfrontation gegangen zu sein, lobten, kürt t-online ihn zum Sieger: „der mächtige Strippenzieher habe zwar viel Platz für rechtspopulistische bis -radikale Kampfbegriffe bekommen, allerdings wirkt er auch schlecht vorbereitet … schwach, wird patzig und scheint in die Enge getrieben … und zumindest streckenweise weist Voigt den AfD-Rechtsaußen auffallend deutlich in die Schranken …“

Für den vom Schweizer Rundfunk dazu befragten Kasseler Politologen Wolfgang Schröder war „das umstrittene Podium für die AfD eine Fehlentscheidung..dem er nichts Gutes abgewinnen könne.. und nicht dazu beigetragen habe, Höcke zu demaskieren. Was sein wirkliches Programm ist, konnte nicht herausgearbeitet werden…auch wenn Voigt die klare Abgrenzung der konservativen Mitte zur völkisch-extremistischen AfD gut gelungen sei.“

Beim ZDF war der Abend ein „Schreiduell … ohne Sieger“. Aber Höcke selbst habe gegenüber dem Sender gesagt, das TV-Duell „sei ‚ein kleines Einreißen der kommunikativen Brandmauer‘ gewesen und er hoffe auf mehr solcher Gelegenheiten.“

Der „Stern“ hat sich gelangweilt. Zwar wurde da in „Thomas-Gottschalk-Dimension überzogen. Und am Ende den Beweis geführt, dass der Rechtsextremste unter den extremen Rechten nur allzu gern in die Rolle des harmlos-empathischen Patrioten schlüpft.“ Aber es „war nicht einmal besonders unterhaltsam. Es war streckenweise todeslangweilig..“ Und Mario Voigt sei eben auch nur ein „im besten Sinne – durchschnittlicher Politiker … der sich eben anmaße.. einen Profi wie Björn Höcke in einem TV-Duell inhaltlich stellen zu wollen … der brutal dazwischen gehe…Vollzeit-Propagandist … locker raushaue … eine Hand in der Hosentasche … und Voigt verpasse leider den entscheidenden Punch“.

Josef Seitz vom Focus hat die Sendung beim „Minisender“ Welt-TV verfolgt, wo „..CDU-Wettbewerber Voigt sehr gelassen zuschauen konnte, wie sich Höcke kleinredet..immer wieder bringt Chefredakteur Burgard den AfD-Mann mit sehr klaren Fragen ins Schwurbeln…“ Und zieht das Fazit, dass „..der Zuschauer profitiert habe, der einen der spannendsten Fernsehabende seit langem erlebt hat…“

Die Stuttgarter Nachrichten frohlocken: „Höcke gerät ins Schwitzen“.

Die Neue Zürcher Zeitung sieht das Streitgespräch als „einen Erfolg für die Debattenkultur … und das Echo in Deutschland ist überwiegend positiv … die meisten Beobachter sind der Ansicht, das Experiment sei gelungen.“

Was der Tagesspiegel wiederum ganz anders sieht, der die Reaktionen seiner „community“ zusammenfassend mit den Worten „Es war eine Farce“ zitiert.

Der Figaro ist eine der wenigen französischen Blätter, die im Vorfeld über die Debatte berichteten. „Man spreche nicht mit Nazis“ wird der Vorsitzende der Thüringer SPD, Georg Maier, zitiert. Das TV-Gespräch breche, so der Figaro Korrespondent aus Berlin, Pierre Avril, mit den traditionellen Gepflogenheiten des politischen Lebens in Deutschland, wo man die extreme Rechte ins Abseits stelle. In Thüringen breche man nun damit.

Sowohl der Sender RFI sieht ein Ende der „Taktik des Cordons Sanitaire“ um die AfD wie auch „Libre belgique“. Der sei „nun gerissen“ was als „ein Fehler“ gelte. Das Tabu „sei nun aufgehoben, ein Novum.“

Der Sender Bloomberg meldet zuerst, dass die AfD in der neuen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zum EU-Parlament von ihrem Umfragehoch im Juli 2023 (23 Prozent) auf 16 Prozent gefallen sei. Erst weiter unten im Text berichtet der Nachrichtendienst vom TV-Duell zwischen Höcke und Voigt.

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