Der Mensch, ja selbst der Deutsche, ist ein bequemes Wesen, dem sogar die Betätigung der TV-Fernbedienung am Feierabend zu viel Einsatz abverlangt. Anders ist es nicht zu verstehen, dass Millionen sich den Kokolores bei Illner, Will, Maischberger oder Plasberg antun, aber nur ein Bruchteil davon eine TV-Debatte auf Phoenix verfolgt. Am Thema kann es jedenfalls nicht liegen. Eine „Islamdebatte in Deutschland“ brächte im Ersten oder Zweiten hohe Quoten und keinen Erkenntnisgewinn. Bei Phoenix ist es genau umgekehrt.
Wir wollen uns nicht beklagen. Die Kombattanten bei Illner oder Will liefern uns endlos Stoff für Sottisen, gelegentlich sogar Beleidigungen, wenn die Gäste unerträglich sind. Das macht, hoffentlich auch dem Leser, manchmal durchaus Spaß. Vielleicht schalten auch gerade deshalb so viele die Knöpfe 1 und 2 der Fernbedienung ein, um sich über eine Göring, einen Stegner oder eine Merkel aufzuregen. Das ist allerdings um die Uhrzeit der Gesundheit eher abträglich.
Stars der Empörungsindustrie waren bei der Phoenix-Sendung jedenfalls nicht dabei. Natürlich kann man den Psychologen Ahmad Mansour kennen, muss man aber nicht. Der arabische Israeli löste sich nach einem Psychologiestudium von einem radikalen Imam. Heute wirkt Ahmad an der Deeskalationsfront in Deutschland.
Ekin Deligöz ist, wenn wir es richtig verstanden haben, Kurdin, alevitische Muslima und Mitglied des deutschen Bundestages, leider für die verrückten Grünen.
Klaus-Peter Willsch ist MdB für die CDU, schreibt gelegentlich hier auf Tichys Einblick, weswegen wir ihn allerdings nicht schonen würden.
An Jochen Bittner – promovierter Jurist und Redakteur der „Zeit“ – gehen wir mit der gebotenen Vorsicht heran, sein Blatt ist schließlich für weltfremden Nonsens bekannt.
Moderiert wurde das Ganze von Anke Plättner, die Phoenix-Runden seit Jahren leitet. Weil wirklich niemand ausfällig wurde, das Gespräch sachlich verlief, wollen wir uns auf eine reine Wiedergabe mit ein paar (kursiven) Anmerkungen beschränken. Ausgangspunkt war natürlich der Satz vom Horst „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, der, so Plättner „für Aufregung sorgt“.
Ekin Deligöz fand die Aussage nicht hilfreich. Man sei doch in der „Islamkonferenz in vielen Punkten weitergekommen“. Dann: „In fünf Wochen hatten wir 56 Anschläge auf Moscheen.“ Von Nazis? Von Kurden? Was führen unsere Behörden inzwischen alles als Anschlag? „Früher waren wir die Ausländer, jetzt sind wir die Muslime.“ Hier war Ekin D. noch auf Verschleierungskurs der Grünen.
Willsch mochte sich nicht ganz vom Horst absetzen. Er zitierte Umfragen, denen zufolge drei Viertel Seehofer zustimmen. Kirchturmläuten, christliche Feiertage, all das gehöre zur Heimat. Die Anspruchshaltung vieler muslimischer Landsleute, die dann zu zwei Dritteln Erdogan zum ewigen Präsidenten wählten, das stieß seinen Wählern in Hessen übel auf.
Laut Mansour kommen wir „nicht weiter mit der Islamkonferenz“. Er findet es wichtig zu klären, „was für ein Islam zu Deutschland gehört, was für einer nicht“. „Geschlechterapartheid, Salafismus, Radikale“ – da müsse eine differenziert werden. Daher sei der Seehofersatz so falsch wie auch der von Wulff.
Bittner sieht Horst und Dobrindt im Wahlkampfmodus. Aber auch für ihn war Wulff so sinnlos polarisierend wie heute Horst. (Hört, hört!)
Willsch: Man kann das relativ klar verstehen, was Seehofer sagte. Wir haben Schulklassen mit noch zwei deutschen Kindern drin. Das macht den Leuten Angst. Als wir 1999 in Hessen verpflichtende Deutschkurse für Migranten-Schulkinder einführten, gab es einen Shitstorm von Rot/Grün ….
Bittner: … vergangene Jahrzehnte…
Willsch: … beim heutigen Islamunterricht an den Schulen gibt es jede Menge Schattierungen. Mit wem soll man sprechen? Ditib? Mit wem Curricula abstimmen?
Bittner: In der Tat. Es gibt keinen Papst oder Kalifen. Beim Zentralrat der Muslime weiß keiner, für wen der spricht. Die liberale Moschee von Seyran Ateş wurde vom Zentralrat angegriffen. Kann der Islam Demokratie? Der Beweis wurde noch nicht erbracht. Die Rechte leugnete immer, dass wir ein Einwanderungsland sind, die Linke, dass wer integriert, eine Leitkultur braucht.
Mansour: Wir müssen klar sagen, was wir erwarten. Die meisten Einwanderer wissen gar nicht, was das Land ausmacht. Wieso Antisemitismus hier keinen Platz hat? Kopftuch, Gleichberechtigung, Schwimmunterricht für Mädchen. Wer Moscheen benutzt, um zu hetzen, dem müssen wir klare Kante zeigen. In dem Sinne bin ich dankbar, dass Seehofer eine neue Debatte eröffnet, wenn auch nicht für seine Formulierung.
Willsch: Gerade die Grünen stehen doch auf der Allesschlechtrednerseite. Sie haben Sprachtabus aufgebaut. Es war doch deutlich, dass im Herbst 2015 auch Spitzbuben eingewandert sind. Da hieß es, es kommen nur Gute. Die bringen uns das Wirtschaftswunder 2.0
Bittner: Das Bundesverwaltungsgericht hat klar entschieden, dass muslimische Mädchen im Burkini am Schwimmunterricht teilnehmen müssen. Was die Unterscheidung der muslimischen Gruppierungen schwierig macht: Alle haben dasselbe Gottesbild: nicht zu hinterfragen. Wenn der Prophet sagt, im Ramadan wird gefastet, bis die Sonne untergeht, dann gilt das für Gläubige auch am Polarkreis.
Mansour: Die Moscheen wollen keine Debatte zulassen. Und die meisten Migranten, die herkommen, finden in Deutschland etwas Negatives. Wo Frauen sich trennen können, Kinder irgendwann Sex haben …
Deligöz: Ich habe mich sehr deutlich gegen Kopftuch und pro Schwimmunterricht ausgesprochen und bekam zwei Jahre Polizeischutz. Ihre Partei, Herr Willsch, gibt liberalen Moslems keine Unterstützung, die gibt sie nur Ditib und Co.
Mansour: De Mazière hat nur mit Radikalen geredet und Liberale sogar ausgeladen. (Ach, der Thomas, merkeltreu bis zur heiligen Einfalt.)
Willsch: Sie, die liberalen Muslime, müssen wahrnehmbarer werden.
Da könnte vielleicht der Mann von der „Zeit“ helfen. Sie merken, lieber Leser, es geht recht sachlich zu. Das Ergebnis ist nicht weniger tragisch. Wir holen mehrheitlich Demokratiefremde, ja –feinde ins Land, haben nicht einmal Ansprechpartner, um die massiven Probleme zu lösen. Hören wir weiter …
Moderatorin Plättner weist darauf hin, dass laut der GroKo-Präambel alles besser werden soll, die Regierung wolle die Spaltung überwinden.
Willsch: Die Leute haben nicht vergessen, dass bei Nine-Eleven auch in Deutschland Muslime auf den Straßen tanzten, dass unsere Weihnachtsmärkte geschützt werden müssen …
Bittner: (ein Rückfall) Ist es ihre Aufgabe Bauchgefühle der Straße abzufragen?
Willsch: Politik ist kein Elitenspiel. Wir haben an Sichtbarkeit verloren. Mir ist wichtig, dass die Leute wissen, der Willsch hat verstanden. In Hessen haben wir jetzt Spezialabteilungen für Salafismus. Wenn eine Hauptschule die Eltern der Kinder einbestellt und die Mutter darf nicht kommen, und der Vater kommt auch nicht, weil er mit einer Lehrerin nicht spricht, das geht nicht!
Deligöz will Mittel haben. Rot/Grün habe doch erst Integrationskurse initialisiert.
Moderatorin Plättner: Geld? Darum geht es doch wohl nicht …
Mansour: Nein. Übrigens, die CSU ist da vorbildlich. Problem ist nicht das Geld, sondern die Tabuisierung. Wir brauchen eine nationale Strategie zum Umgang mit den Problemen.
Bittner: Herr Willsch, sorgen Sie dafür, dass Ditib keine Moscheen mehr betreiben darf. Belgien finanziert liberale Muslime und schafft damit auch Anreize für andere Liberale. Wir lassen die Türkei und Saudi Arabien Moscheen finanzieren. Dabei ist es doch einfach: Demokraten belohnen, Extremisten bannen.
Willsch: Ich will das Geschrei mal hören, – auch bei der „Zeit“ –, wenn wir das tun. Aber ich bin froh über jeden Erkenntnisfortschritt bei Rot/Grün. Grundsätzlich aber sehe ich den Staat nicht in der Pflicht, die islamische Religion zu finanzieren.
Ohne Absetzung von der AfD ging es natürlich dann doch nicht. Am Beispiel „Heimat“ wurde dafür plädiert, „Begriffe nicht den Rechten zu überlassen“ (Mansour). Für Bittners Heimatgefühl sorgt das Grundgesetz. „Dirndl oder Kopftuch ist mir wurscht.“ Auf die Masse kommt‘s halt an. Gute Nacht.