Tichys Einblick
Dritter Auftritt in drei Wochen

Peer Steinbrück bei Miosga. Schon wieder. Immer noch.

Nanu?! Gibt es wirklich so einen Mangel an Stimmen, an Gästen, an interessanten Meinungen? Warum sitzen immer exakt dieselben Leute in den Talkshows? Nehmen wir Peer Steinbrück. Jahrelang in der Versenkung, jetzt plötzlich dreimal on Air. Woche für Woche. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Hurra, der öffentlich-rechtliche Rundfunk spart! Die Gäste werden jetzt nur noch blockweise eingeladen. Wenn sie einmal irgendwo im Studio sind, werden sie gleich für die nächsten Wochen verpflichtet. Vielleicht sogar mit Handschellen gefesselt? Man weiß es nicht, man träumt ja nur.

Nehmen wir Peer Steinbrück als jüngstes Beispiel. Am 26. November war er bei Sandra Maischberger zu Gast, am 3. Dezember bei Markus Lanz. Und gestern schon wieder bei Caren Miosga. Was er in den einzelnen Talkrunden so von sich gibt, ist ohnehin erwartbar. Und noch dazu wenig abwechslungsreich. Denn gesagt hat er in allen drei Sendungen immer dasselbe.

Nun gut, einen Tod muss man eben sterben, wenn mann sparen will. Und der heißt in diesem Fall: Sterbenslangeweile. Aber dafür ist so ein Procedere bei knappen neun Milliarden Jahresetat eben extrem kostengünstig. Denn die Reisekosten entfallen. Der Gast sitzt ja bereits in der Casting-Zelle, wird bei Bedarf einfach hervorgezogen und ins Studio geschleift. Bisserl Schminke drauf, Haare glätten, Anzug abfusseln, fertig. Für die Sprechblasen sorgt er dann schon selbst.

Denn die eigentliche Kohle, die der ÖRR per Zwangsabgabe von seinen (Nicht-)Zuschauern einnimmt, braucht er ja nun einmal für die Pensionsrückstellungen. 4,5 Millionen Euro werden allein für den ARD-Intendanten Tom Buhrow fällig. Dies nur zur freundlichen Erinnerung.

Vorgezogene Wahlen
Olaf Scholz verliert am Montag das Vertrauen – und nicht nur er
Die Gästeschar deutscher Gesprächskreis-Sendungen hat sich in den vergangenen Jahren stetig verkleinert. Gestern mal wieder zu Gast: Robin Alexander von der untergehenden Zeitung „Welt“. Der Redakteur zeigt ein ums andere Mal, wie sehr er sich selbst durch das ständige Nudging von der Wirklichkeit hat entrücken lassen. Das über die Jahrzehnte erstaunlich weit nach links abgerutschte Parteienspektrum ist an ihm offenbar spurlos vorübergegangen. Alexander sagt allen Ernstes: „Es gibt immer noch Mehrheiten in der Mitte. Eigentlich ist das ganze Potenzial noch da.“ So, als ob die Linke, die Grünen, die SPD oder das Bündnis Sahra Wagenknecht irgendetwas mit der politischen Mitte zu tun hätten.

Selbst die CDU ist mittlerweile links der Mitte, koaliert sogar mit dem BSW, deren Mitglieder einst Anlass für eine Unvereinbarkeitsklausel der CDU mit den Linken waren. Und Friedrich Merz würde sogar einen Wirtschaftsminister Habeck in seiner Regierung akzeptieren. Dies alles beschreibt Alexander also als „Mehrheiten in der Mitte“. Noch eine weitere kuriose Diagnose des Welt-Polit-Redakteurs: „Es war richtig, wegzukommen vom russischen Gas.“ Was denn nun? Die Talkshow-Darsteller sollten sich langsam mal auf ein offizielles Narrativ einigen. Sind wir nun aktiv weggekommen vom russischen Gas oder hat Putin uns das Gas abgedreht? Beides wird abwechselnd behauptet. Wir fordern hiermit offiziell Klarheit ein, damit wir wissen, wohin wir unseren Hass zu richten haben.

Ricarda Lang gesteht derweil, die Menschen jahrelang belogen und wie kleine Kinder behandelt zu haben. Die ehemalige Grünen-Co-Parteichefin, kürzlich von ihrem Partei-Übergott Robert Habeck gefeuert und derzeit (mal wieder) ohne Arbeit, sagt: „Wir müssen anfangen, die Menschen wieder mehr wie Erwachsene zu behandeln.“

Sie hat die echtlederne Labertasche aus alten Zeiten dabei. Darin hohle Phrasen wie die Klage, „dass wir eine Hyperpoilitisierung von Nebensächlichkeiten haben und eine Entpolitisierung der realpolitischen Fragen“. Was soll das bitte heißen? Klingt wie auswendig gelernter Parteisprech vom letzten Grünen-Sit-In mit Sprechkissen. Ach ja, und Lang glaubt übrigens, der Wirtschaft in Deutschland gehe es eigentlich ganz gut. Darauf muss man auch erstmal kommen.

Lang spricht viel von „Verarschen“ an diesem Abend: „Da fühlen sich die Leute nicht ernst genommen. Dann denken die: Ja, wenn die mich verarschen, dann kann ich auch zu denen gehen, die noch mehr Chaos und Unruhe stiften, aber von denen ich mich nicht irgendwie verachtet oder verarscht fühle.“ Klingt wie ein verkapptes Kompliment an die Randparteien AfD und BSW.

Die Placebo-Demokratie:
Wer mit Grün oder Rot regieren will, hat schon ein Programm - ein grünrotes
Die CDU kommt bei Lang gar nicht gut weg. Deren Wahlprogramm offenbare jede Menge Geschenke an die Bürger, aber nicht den kleinsten Hinweis darauf, wie das alles finanziert werden soll. Lang: „Wenn man die Fragen nicht beantwortet, dann ist es wirklich nur Wählerverarsche.“ So viel zum Thema Schwarz-Grün …

Dass Kanzler Scholz sich weigert, mit deutschen Taurus-Mittelstreckenraketen Ziele weit im russischen Hinterland zu beschießen, findet Lang „tatsächlich sehr verantwortungslos“. Sie ist vermutlich einfach zu jung, um zu wissen, was sie da eigentlich sagt. Krieg in Deutschland, Atombomben, millionenfaches Leid – all diese Gefahren übersteigen erkennbar ihren Horizont. Und sie haut noch einen raus, diesmal gegen die eigene Partei: „Das große Wort ‚Fortschrittskoalition‘, das war ja nicht nur ein Marketing-Gag, sondern das haben wir wirklich so gefühlt.“ Aha, also zwar schon ein Marketinggag, aber nicht NUR, verstanden.

Auch Steinbrück macht sich keine Freunde an diesem Abend. Er gibt die Parole für die wirtschaftliche Genesung Deutschlands aus: „Am Anfang steht ein Satz, der uns höchst unbeliebt macht und wo wir morgen sofort wieder einen Shitstorm haben auf unseren Accounts. Der lautet: Wir werden in Deutschland gesamtwirtschaftlich mehr arbeiten müssen.“ Pause. Er reißt die Augen auf und zieht die Brauen hoch, so als habe er seiner Frau gerade feierlich erklärt, er werde ab sofort als die Petra gelesen und nicht mehr als der Peer. Wirklich erschreckend aber ist das hysterisch-quiekende Lachen, das Caren Miosga in diesem Moment urplötzlich ausstößt. Mehr arbeiten, ha! Sie kann nicht mehr vor Lachen. Die Frau, die für 30 Stunden Sendezeit pro Jahr rund 5,8 Millionen Euro kassiert, hat für das normal arbeitende Volk offenbar nur Hohn und Häme übrig.

Apropos Häme: Angesichts des jüngsten laienschauspielerischen Auftritts des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder kommt Steinbrück so richtig in Rage. Söder hatte in Warschau den legendären Kniefall Willy Brandts aus dem Jahr 1970 mit seinen bescheidenen Mitteln nachgespielt. Für Steinbrück ist dies „eine der größten Geschmacklosigkeiten, die ich von einem deutschen Politiker in den letzten Jahren erlebt habe.“ Er holt zur ultimativen Watschn gegen den Weißwurst-Demagogen aus: „Da sind irgendwelche Synapsen nicht richtig verdrahtet bei dem Mann.“ Gelächter im Publikum.

Steinbrück hat seine Schuldigkeit getan. Nach der Sendung wird er sicher wieder in seine Casting-Zelle geführt und bei Fidji-Wasser und Lachsschnittchen zur weiteren Verwendung verstaut. Nächste Woche sitzt er dann bestimmt bei Hart aber Fair, wetten?

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