Tichys Einblick
Kindliche Verhaltensmuster

Öko-Runde Hart aber Fair: Dem Wal ins Maul geschaut und viel gelacht

Peter Pan sieht unangemessen kindliche Verhaltensmuster bei Frank Plasberg selbst, bei Schauspieler Hannes Jaenicke und ganz weit vorn bei Kolumnist Jan Fleischhauer, der sich als harmlos rebellisches Bürschchen selten so wohl gefühlt haben mag wie in dieser Plastiktüten-Tribunal-Sendung am Montagabend.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Es ist zweifellos niederträchtig, sich über die Asperger-Erkrankung der 16-jährigen schwedischen Umweltaktivisten Greta Thunberg lustig zu machen, dennoch ist es in den sozialen Medien vielfach passiert. Erlaubt hingegen dürfte es sein, sich über die Peter-Pan-Symptomatik dreier älterer Herren mit schütterem Haar zu amüsieren, die bei Hart aber Fair folgende Frage diskutieren: „Gefühltes Öko-Vorbild, gelebter Klimasünder: Lügt sich Deutschland grün?“ Peter Pan meint, hier unangemessen kindliche Verhaltensmuster bei Moderator Frank Plasberg selbst, bei Schauspieler Hannes Jaenicke und – ganz weit vorne dabei – bei Spiegel-Autor und Kolumnist Jan Fleischhauer zu beobachten, der sich in seiner Rolle als harmlos rebellisches Bürschchen selten so wohl gefühlt haben mag, wie in dieser Plastiktüten-Tribunal-Sendung am Montagabend.

Ebenfalls mit dabei ist die Bundesumweltministerin. Die heißt wie? Die meisten Zuschauer werden ihren Namen bei Plasberg das erste Mal gehört haben. Deutlicher kann man den aktuellen Stellenwert dieses Ministeriums kaum erklären, wenn wir uns viel besser erinnern können an die Vorgänger der Sozialdemokratin Svenja Schulze, an Mr. Dosenpfand Jürgen Trittin und Mrs. Veggieday Renate Künast.

Komplettiert wird die Runde noch von Holger Lösch, der ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Und so lang der Titel, so ausufernd auch seine Monologe. Ein merkwürdiges öffentliches Vorsprechen, das sich hier letztlich dadurch auszeichnet, dass sein Sprecher sich absatzweise gar nicht die Mühe macht, verstanden zu werden, Ziel scheint es hier ausschließlich, Redezeit zu verbrauchen, als ginge es um eine Challenge der Minuten. Sogar Plasberg wird es irgendwann zu bunt, er schneidet den Wortfaden ab, nachdem sich die Faszination der Monotonie des Vortrages auch bei ihm bald gelegt hat.

Die zweite Frau am Tresen neben der unbekannten Ministerin ist Heike Holdinghausen von der taz. Und später wird mit dem 18-Jährigen Klima-Aktivisten und Freitagsschulschwänzer Jakob Blasel noch ein deutscher Nachfolger der schwedischen Greta Thunberg in die Runde dazu stoßen und den alten Herren mal zeigen, wie Peter Pan geht, wenn es noch kein Syndrom ist, sondern das natürliche Vorrecht der Jugend, ein bisschen zu spinnen, wenn einem danach ist.

Fangen wir mit Jan Fleischhauer an. Der von seinen linksgrünen Eltern so schwer stigmatisierte (er hat ein Buch darüber geschrieben) Journalist gefällt sich in der Rolle des spießigen Spaßvogels, wenn er gesteht, dass er heimlich beim Öko-Laden um die Ecke in einem Vorort von München die davor parkenden dicken Schlitten fotografiert, sage und schreibe sieben Porsche Sport Utility Vehicle (SUV) hätte er geknipst. Fleischhauer selbst kommt mit dem Lastenfahrrad. Da wäre so ein großer Korb dran, wo viel reinpasst – Plastiktüten braucht es bei ihm also nicht, wahrscheinlich trägt ihm der Ladenbesitzer den biologischen Sauerkrautsaft bis ans Körbchen und seine Frau holt ihn vor dem Eigenheim an der Straße wieder ab, wenn Fleischhauer ihr zwei Kilometer vor zu Hause sein Kommen schon per Smartphone ankündigt. Klar, so kann Öko gehen und der Journalist gibt freimütig zu, dass das der Öko-Weg jener der privilegierten Klasse ist.

Dem vermeintlich alterslosen Hannes Jaenicke – Plasberg wird ihn gemeinerweise irgendwann solidaritätsheischend auf das gut getarnte schüttere Haar ansprechen – gebührt aber dann doch an Fleischhauers Stelle der Ulkpokal des Abends, wenn er zunächst von seinem Jutebeutel erzählt, den er schon viele hundert Male benutzt hätte, das Logo wäre schon nicht mehr sichtbar, um dann zu erzählen, er hätte noch nie so einen Beutel im Maul eines Wales gesehen. Gut, da biegen sich für den Moment die Barten vor Lachen. Allerdings dürften sowieso nur wenige zu Gesicht bekommen haben, was ein Wal im Maul und Magen mit sich herumträgt, es sei denn, es werden Wale angeschwemmt und seziert oder wieder häufiger, wenn japanische oder grönländisch-isländische Fischer sich routinemäßig bis ins Innere so eines Giganten vorarbeiten, wenn sie einen zum Verspeisen zerlegen.

Aber bei allen Späßchen und Wortwitzigkeiten – selten wurde so herzhaft gelacht in der Runde wie hier, der 18-Jährige Schüler kann auch ein paar gute Gags landen, wenn er die alten Herren mit jugendlicher Frische und auch ein bisschen Großmäuligkeit verbal an die Wand spielt – bei aller Freude ist das Thema doch ernster, als es hier den Eindruck macht. Wer sich erinnern kann, ist klar im Vorteil: So kamen die Grünen in den 1980er Jahren nicht aus dem Nichts. Die Losung „Jute statt Plastik“ ist fast schon ein halbes Jahrhundert alt.

Und diese umweltschonenden nach Essig und Schmierseife riechenden Frosch-Reiniger schienen die Putzmittel der Zukunft zu sein, die alle anderen Giftspritzen vom Markt verdrängen sollten. Aber nichts davon ist passiert. Es reicht ein Blick ins Werbefernsehen, um das ganze Ausmaß des Scheiterns dieses Teils der Öko-Bewegung zu erkennen: hochchemische Reinigungsmittel in giftig-lila oder schwarzen Plastikverpackungen und eine neue Kaffeetrinkkultur, die Myriaden von kleinen Alu-Hütchen produziert, die ihrer unscheinbaren Größe wegen oft genug einfach im Hausmüll landen, also nicht einmal wiederverwertet werden können.

Womit wir beim Thema wären, wenn Plasberg darauf hinweist, dass Deutschland zwar Öko-Vorbild für die Welt sein will, aber unseren Müll exportieren würde beispielsweise nach China. Dafür müssten wir uns schämen. Wirklich? Die Chinesen jedenfalls hätten nun keine Lust mehr und würden den Müll nicht mehr annehmen. Dass das auch daran liegt, dass über eine Milliarde Asiaten nun selbst genug Plastikmüll produzieren, geht etwas unter im Weltmeer der sich epidemisch ausbreitenden Umwelt-Ideologien auch bei Plasberg. Schlimmer noch: Die Runde scheint völlig vergessen zu haben, dass „Made in China“ jahrzehntelang vor allem für eines stand: für Unmengen von billigem und schnell kaputtbarem Plastikmüll.

So hat sich heute in modernen Kinderzimmern nicht der Holzspielbauklotzkasten durchgesetzt, sondern Plastik „Made in China“, angeboten bei Spielzeuggiganten wie „Toys“R“Us und bald weggeworfen in den Hausmüll, weil nicht einmal vernünftig recycling-fähig so wie die Herrenkosmetikverpackungen von Axe – Plasberg darf den Namen nicht sagen, aber jeder weiß welches Produkt bei ihm gemeint ist – in den schwarzen Plastikflaschen, die wohl von den Sortiermaschinen nicht erkannt und also nicht wieder verwertbar sein sollen.

Nun könnte man diese Diskussion grundsätzlicher gestalten, von einer Entfremdung des Menschen erzählen, von einer fehlenden Verbundenheit zu und einer Verantwortung für seine direkte Umgebung in immer mobiler werdenden Zeiten, von der Entfremdung von der eigenen Scholle, die zu erhalten noch erste Aufgabe für die Ur-Ur-Ahnen war, die keinen Öko-Mülleimer brauchten, weil sie noch einen Misthaufen hinten im Garten hatten, der später die frische Erde für das Radieschenbeet lieferte.

Gibt’s alles nicht mehr. Und die mit einem Gärtchen privilegierten Jaenickes und Fleischhauers (haben die einen Garten?) lassen sich den Mist im Zweifel sicher vom Bauern um die Ecke anliefern. Nicht mit dem Körbchenfahrrad und auch nicht mit dem Pferdefuhrwerk, sondern wahrscheinlich mit dem Diesel angetriebenen Lastkraftwagen. Oder zahlen sie mehr und leisten sich den Mistlieferanten der mit Elektroantrieb transportiert?

Nun wäre mit Peter Unfried ein anderer taz-Journalist sicher viel besser in der Runde aufgehoben gewesen, aber möglicherweise wurde er Opfer der Frauenquote. Unfried hat schon vor Jahren mit seinem Buch „Öko“ eine Art inoffizielle Bibel für gelangweilte Stadtmenschen abgeliefert, wenn es darum geht, diesen Konflikt irgendwie sinnvoll aufzulösen zwischen Jetten durch die Welt und Umwelt schützen.

Unfried hatte ein Art Punktesystem ausgedacht, das die Ökobilanz eines jeden feststellt. Besonders originell: Diejenigen, die sich keine Flüge leisten können, wären also in der komfortablen Lage, besser situierten Mitbürgern ihre Punkte zu verkaufen. Unfried schrieb damals, er lege Wert darauf, immer den neuesten A-Kühlschrank mit immer noch einem Sternchen mehr hintendran anzuschaffen. Auch bei ihm etwas ins Hintertreffen geraten: die verheerende Öko-Bilanz der Herstellung so eines neuen Gerätes, die drückt sich nämlich leider nicht in der Energieeffizienzklasse A+++ aus.

Vom sternhagelvollen Kühlschrank zur Ökobilanz der Plastiktüte. Da berichtet Plasberg noch etwas Erstaunliches: So müsse man eine Papiertüte schon mehrfach benutzen, um sie sinnvoller als eine Plastiktüte zu machen und ein Jutebeutel müsste weit über hundert Mal benutzt werden, um an die „günstige“ Öko-Bilanz einer Plastiktüte heranzukommen. Nun ist hier sicher die deutsche Innovationskraft und Ingenieursleistung gefragt, es besser zu machen.

Und BDI-Vize Holger Lösch setzt da zum Schluss der Sendung ganz auf den lässigen 18-Jährigen, wenn er ihm altväterlich rät, doch was Vernünftiges zu studieren (anstatt zu demonstrieren?) und die Welt dann quasi mit seinen Öko-freundlichen Erfindungen zu beglücken. Na ja.

Ach so, kurz noch zur Umweltministerin Schulze. So richtig viel ist auch an diesem Abend nicht von ihr hängen geblieben außer vielleicht, dass sie sich verbal ganz schön rangewanzt hat an den Jugendlichen, um etwas von dessen Glanz abzustauben. So dreist, dass das sogar Plasberg unangenehm wurde und der Moderator grinsend intervenierte. Um in die Fußstapfen ihrer Vorgänger zu schlüpfen, müsste Frau Schulze tatsächlich mehr liefern. Aber sie kann es auch einfach sein lassen. Niemand wäre ihr deshalb böse, weil niemand etwas von ihr erwartet. Nicht einmal der 18-Jährige Demonstrant noch ohne Abitur.

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