Wer sich am Samstag in vielen deutschen Städten ein paar der unter dem Begriff „Hygiene-Demonstrationen“ zusammengefassten Veranstaltungen für das Grundgesetz angeschaut hat, der könnte tatsächlich zum Schluss kommen, das dort lediglich ein paar Hypersensible und allzu Aufgeregte mit dem Grundgesetz in der Hand vor einer Phantomgefahr warnen, während Restdeutschland in aller Gemütlichkeit seine Samstagseinkäufe erledigt wie eh und je, und Politik, die Medien und das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen viel dafür tun, diese Mahnungen und diesen Protest lächerlich zu machen.
Zu gerne wird mit dem Finger auf zweifelhafte Akteure gezeigt, die besonders geeignet scheinen, den Protest zu diskreditieren. Den Samstagseinkäufern ist das nur Recht, die Umfragewerte für Union und Kanzlerin jedenfalls stehen auf einem Allzeithoch. Sollte dass Grundgesetz tatsächlich massiv eingeschränkt worden sein, dann kommt das als Leidensdruck noch bei den wenigsten an. Also nimmt man es billigend in Kauf?
Als sich am vergangenen Wochenende jemand in Berlin auf einer Demonstration mit seinen Sorgen an einen Polizisten wendet, antwortet der: „Blablabla“.
Schauen wir zu Georg Restle und zu einer von ihm moderierten Monitor-Sendung vom 2. April 2020. Schauen wir in eine Ecke, die tatsächlich geeignet ist, die These einer Querfront zu belegen, die Restle und Monitor zu so etwas wie einem der Initiatoren ausgerechnet jener Demonstrationen macht, die gerade nach bewährtem Muster (sie Umgang mit Kritik an der Massenzuwanderung und ihren Folgen) so umfangreich diskreditiert und diffamiert werden.
Unter dem Titel „Corona-Maßnahmen: Wie weit geht der Staat?“ befindet Restle schon in seiner Anmoderation:
„Kritik ist durchaus angebracht, wenn man sieht, wie weit der Staat mittlerweile in unser Privatleben eindringt.“
Aber auch das ist nur der Auftakt zu einem Beitrag voller Anklage und einer Sammlung relevanter Stimmen, die eine Art illegaler Machtergreifung der Regierung entweder schon sehen oder arg fürchten. Georg Restle stellt eingangs die Frage, „ob alles was da angeordnet wird, wirklich notwendig und verhältnismäßig ist?“
Und was dann folgt, ist überdurchschnittlich geeignet, empfindsame oder mindestens mit Gerechtigkeitssinn, Freiheitssinn und Alarmssystem ausgestattete Bürger auf die Barrikaden zu bringen – zunächst ganz gleich übrigens, ob und welchem politischen Lager sie sich zugehörig fühlen.
Und dann ruft der Beitrag eine relevante prominente Stimme nach der anderen auf, welche in Summe so etwas wie einen Ermächtigungsversuch der Bundesregierung im Windschatten von Corona behaupten.
Düstere Musik, düstere Bilder und ein dramatischer O-Ton: Monitor zieht alle Register. „Es scheint, als wenn im Krieg gegen das Virus die Gesetze schwiegen.“ Die Polizei wird als übergriffig geschildert: „Die Polizei erlaubt sich Hausbesuche. Wer sich in einer fremden Wohnung aufhält, könnte bestraft werden.“ Dann werden städtische Mitarbeiter in Warnwesten gezeigt, die Parkbänke abschrauben und Wissenschaftler fühlen sich dazu genötigt zu erklären, dass man sich alleine im Freien im Park auf einer Bank sitzend nicht anstecken kann. Nein, die Luft sei nicht kontaminiert.
Maßgeblich für die Warnungen sind für Monitor die im Eilverfahren durchgesetzten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes, die eine „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ festgestellt hätten. Monitor weiter: „Also eine neue Form des Ausnahmezustandes.“
Tatsächlich, wenn man sich Demonstrationen in Deutschland vom vergangenen Samstag anschaut und den Rednern genau zugehört hat, dann kann es rückblickend so sein, dass sich einige der Redner und Aktivisten auch von diesem Monitor-Beitrag alarmiert fühlten.
Der Bundesgesundheitsminister dürfe nun Gesetze ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen und Gesetze außer Kraft setzen, so Monitor vor über vier Wochen.
Prof. Uwe Volkmann vom Lehrstuhl für öffentliches Recht in Frankfurt stellt in dem Beitrag klar, er kenne niemanden, „der diese Regelung für verfassungsmäßig hält. Es ist eine Regelung von einer Tragweite, wie sie bisher nur in der Weimarer Reichsverfassung gegeben war.“
Und der Beitrag selbst nennt dann den vom Bundstag gerade in hoher Eile angepassten Paragraphen 28 des Infektionsschutzgesetz, der greife jetzt „flächendeckend in den Schutzbereich elementarer Grundrechte ein.“ Gleich eine ganze Reihe von Grundrechten sei eingeschränkt.
Prof. Volkmann findet, dass die Corona-Krise nicht alle Maßnahmen rechtfertigt. Aber vor allem seien solche Maßnahmen nicht unbegrenzt gerechtfertigt und nicht auf unbegrenzte Dauer.
Und Monitor sieht eine weitere Gefahr: Bei den Regierenden wüchsen zudem die Begehrlichkeiten. So wäre der Vorstoß einer verpflichtenden Handy-App zwecks Ermittlung von Bewegungsprofilkontrolle zwar aus dem Infektionsgesetz gestrichen, aber sei deshalb längst nicht vom Tisch.
Der Leiter Epidemiologie des Braunschweiger Helmholtz-Institutes für Infektionsforschung, Professor Gérard Krause ergänzt:
Besorgt über die Leichtfertigkeit, mit der über Mobilfunkdaten gesprochen werde, zeigt sich Constanze Kurz von Netzpolitik.org. Sie erinnert an die ministerielle Idee, die Daten zwangsweise abzugreifen. Das sei Gottseidank vorerst vom Tisch:
„Aber die Diskussion wird wahrscheinlich wiederkommen. Da scheint mir vieles, was wir über zehn, zwölf Jahre debattiert haben, was mehrfach vor unseren höchsten Gerichten war, in Deutschland und Europa einfach weggewischt mit einem Handstreich.“
Es würde überhaupt nicht gefragt werden, ob diese Maßnahmen auch etwas bringen würden oder ob sie mit der Verfassung vereinbar wären.
Zum Schluss des Beitrages sagt der O-Ton: „Wenn wir uns daran gewöhnen, das Grundrechte in der Krise nebensächlich sind, dann wird Corona auch unserem Rechtsstaat schweren Schaden zufügen.“
Denen steht heute nicht nur ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Antifa gegenüber, sondern auch die geballte Macht der etablierten Politik und der Medien. Ein lautes wie schrilles Orchester, in dem Georg Restle bisher mit seinen Beiträgen gerne und oft die schrillste Trillerpfeife blasen wollte.
Tatsächlich schwierig, wenn sonst so oft Diffamierungen, Diskeditierungen und Denunziation Bestandteil der Monitor-Sendung unter Moderator Restle waren und sind, und der sich auf einmal unfreiwillig als Vorreiter einer Querfrontbewegung erkennen muss. Man darf gespannt sein, mit welchen Diffamierungskampagnen sich Georg Restle hier wieder einkaufen wird bei seinen öffentlich-rechtlichen Auftraggebern.
Nachtrag: Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der Wladimir Putin einst einen lupenreinen Demokraten nannte, sieht nun wiederum in den Protesten gegen die Einschränkung der Freiheitsrechte in der Corona-Krise eine „soziale Gefährdung der demokratischen Substanz“. Also gilt, was Schröder weiter zu den Kritikern der Maßnahmen sagt, auch in Richtung Georg Restle und Monitor, die ja ihren Beitrag geleistet haben, auf die Straße zu gehen:
„Idioten auf dieser Welt gab es schon immer. (…) Es muss ein Ende des unkontrollierten Herumalberns geben.“