Die Katzenbildchen sind von der Wand genommen, die Porzellanpuppen stehen nicht mehr auf der Fensterbank, der Vorrat an High Heels für spontane Truppenbesuche sind aus dem Schrank genommen, das große eingerahmte Foto vom Lieblingssohn hängt nicht mehr über dem Schreibtisch, auf dem nun kein einziger Glitzerstift zu finden ist – Lambrecht ist wirklich ausgezogen. Und ein Nachfolger hat bereits ihren Platz eingenommen, sogar mit flüssig gesprochenem Eid und allem drum und dran.
So manch einer munkelt ja, dass Armin Laschet sich damit doch noch in die Regierung gemogelt hat – und die Ähnlichkeit ist tatsächlich verblüffend. Was für Deutschland ein Armutszeugnis ist – die unsere Regierung sammelt, als wäre es ein Wettbewerb –, ist für die Illner-Sendung ein Segen. Denn so konnte man dort endlich mal über etwas Interessantes reden: „Neuer Minister, alte Probleme – letzte Chance für die Zeitenwende?“. Dass man es in der Illner-Redaktion auch immer so übertreiben muss. „Neuer Minister, alte Probleme – kann er in geraden Sätzen reden?“, hätte es doch auch getan, warum muss man immer gleich mit Zeitenwenden um die Ecke kommen?
Da musste dann tatsächlich Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär, um die Ecke kommen und das Konzept von Qualität statt Quote erklären, als wäre es eine innovative Erfindung der SPD höchst selbst. So ist die Beziehung der SPD und CDU eben – immer das Gegenteil von dem anderen machen, selbst wenn die dich nachmachen. So drehen die beiden sich immer im Kreis und man kann sich von der SPD anhören, dass sie ja die Fehler der letzten Regierung wiedergutmachen – die sie ja auch waren. Gekochte Eier bei Loriot ergeben mehr Sinn, aber in der Politik nach Sinn zu suchen, ist eh zum Scheitern verurteilt.
„Im Grunde möchte man ja auch verstehen, warum Olaf Scholz sie so lange gehalten hat. War Christine Lambrecht auch nützlich für den Bundeskanzler? Weil sie auf der einen Seite natürlich Blitzableiter war und auf der anderen Seite ihn eben in den entscheidenden Dingen hat gewähren lassen?“, fragt Illner die Journalistin Anna Sauerbrey. Die gab darauf tatsächlich mal eine interessante Antwort: „Also mir ist immer noch nicht klar, was ist eigentlich das Interesse Deutschlands in diesem Krieg? Es gibt da eine ganze Menge Floskeln, die ohne Ende wiederholt werden: ‚Die ‚Ukraine darf nicht verlieren‘, ‚Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen‘ – Was heißt das eigentlich für uns? Heißt das, dass wirklich Deutschland und die anderen Verbündeten die Ukraine unterstützen, Russland aus dem Land ganz herauszubringen? Heißt das, dass man die Ukraine nur soweit unterstützt, dass eine neue Kontaktlinie entsteht nach einem Friedensschluss?“
Illner selbst macht seit Ausbruch des Ukraine-Krieges kaum mehr eine Sendung zu einem anderen Thema. Immer geht es um Krieg, Waffen, Panzer, Soldaten, Strategie, Diplomatie und Helme – das täglich Brot eines Verteidigungsministers. Und wie oft kam das Thema Lambrecht auch nur als Randbemerkung auf? Ich kann mich nur an ein einziges Mal erinnern, als Strack-Zimmermann sie wieder nach einem der vielen Skandale verteidigte. Auch da ging es nie um ihre Politik. Niemand hat jemals geglaubt, dass Lambrecht in diesem Ministerium mehr Entscheidungskraft hat, als das Büropersonal auszuwechseln.
Zumindest scheint auch Carlo Masala nicht dieser Ansicht gewesen zu sein. Die Interviews, die der neue Verteidigungsminister bislang gegeben hat, hätten gezeigt, „dass Herr Pistorius – obwohl er erst seit zwei Tagen weiß, dass er jetzt Verteidigungsminister ist – zumindest das Vokabular schon sehr gut geherrscht und den Eindruck erweckt, er hat eine Ahnung, was er da sagt. Also die Bereitschaft sich einzuarbeiten beim Verteidigungsministerium ist natürlich extrem wichtig.“ Na super, mein vorgeschlagener Titel für die Sendung hat sich tatsächlich bewahrheitet. Er kann gerade Sätze sprechen, das wirkt erstmal souverän und nicht wie eine wandelnde Zielscheibe, die schreit: „Wenn ihr Deutschland angreift, bin ich die Person, die euch abhalten müsste.“
Was für eine Sendung, ein ungewohnter Anblick im ÖRR. Lambrecht ist selbst in den Augen des Mainstreams – und ganz besonders, wie es scheint, in den Augen von Maybrit Illner – eine einzige Witzfigur. Alle hüpfen auf ihrem politischen Grab, es ist vollkommen in Ordnung, sich über sie lustig zu machen. Die Kritik an ihr wird die Sendung hinweg immer deutlicher. Diese Entwicklung ist aus einem Grund ganz entscheidend: Denn Olaf Scholz hat sich mit seinem überschwänglichen Lob für seine Nummer 1 im Verteidigungsministerium so gar keinen Gefallen getan. Es ist bereits die zweite Ministerin aus seinem Kabinett, die abtreten muss. Erst diese Spiegel, die das Ganze nochmal abbinden musste, dann Lambrecht, die Helikoptermami. Dann ist da noch Karl Lauterbach, dessen Panikmache doch langsam, aber stetig selbst im Mainstream aufgedeckt wird.
Habeck sieht jeden Tag mehr so aus, als würde er keinen Schlaf bekommen, und Annalena Baerbock? Tja, keine Ahnung, wo die gerade durch die Gegend jettet. Eins ist klar: Ein Händchen für Personal hat Scholz nicht. Manchen ist das nur schon länger klar, bei anderen dauerte es ein bisschen. Olaf Scholz, dem immer wieder die (meiner Meinung nach einzig plausible) Strategie unterstellt wird, sich hinter solchen Gestalten wie Lambrecht und Lauterbach verstecken zu wollen, um selbst weniger kritisiert zu werden, hat jetzt seine besten Leute verloren. Der Plan geht schlussendlich doch nicht auf. Inzwischen wird Scholz international scharf für seine zögerliche Russland-Politik kritisiert, was vielleicht auch der Grund für sein Machtwort in der Panzerfrage ist.
Es sind verwirrende Zeiten in der Politik. Wir reden über Munition und Waffen, so viel wie nie zuvor. Alle Sendungen drehen sich um Kriegsstrategie, jede Privatperson muss sich mit Panzern auskennen, überall wird verlangt, dass man Stellung bezieht, sich auf eine Seite stellt. Gerade inmitten dieser Zeiten hatten wir die wohl schlechteste Verteidigungsministerin bisher, die von Anfang an klar gemacht hat, dass sie kein Interesse daran hat, weder Ränge zu lernen noch die Gepflogenheiten der ihr unterstehenden Streitkräfte kennenzulernen. Nach einem Skandal zu viel gibt die nun den Löffel ab und macht den Posten frei für einen Nachfolger – der jetzt gefeiert wird dafür, dass er sich mit dem Vokabular vertraut gemacht hat. Wir pendeln parallel hin und her, zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig. Und dieses Zuviel herrscht immer, wenn es um andere geht, während das Zuwenig immer unsere eigene Selbstverteidigung betrifft. Eine Entwicklung, die uns eines Tages noch in große Gefahr bringen kann – so langsam sieht man das sogar in einer Talkshow des ZDF.