Tichys Einblick
Zensur in sozialen Netzwerken

Neue Twitter-Files: Ein Überwachungsstaat, der Fakten zugunsten gewünschter Narrative unterdrückt

Die Twitter-Files offenbaren diesmal die umfassende Einflussnahme staatlich finanzierter Organisationen auf alle großen sozialen Netzwerke im Zuge der Covid-Berichterstattung. Selbst faktisch korrekte Berichterstattung über Impfnebenwirkungen wurde unterdrückt, wenn Leser auch nur kritische Kommentare verfassten oder „einfach nur Fragen stellten“.

IMAGO / UPI Photo

In der letzten Ausgabe der Twitter-Files erfuhr die Öffentlichkeit erstmals von der Rolle des sogenannten „Virality Project“, das nach der US-Wahl Ende 2020 aus dem „Stanford Internet Observatory“ hervorging. Dabei trat das Virality Project durch die ungeheuerliche Forderung in Erscheinung, Twitter möge unliebsame Wahrheiten, die zu einem Anstieg der Impfskepsis führen könnten, zensieren.

Die nun veröffentlichte neue Ausgabe der Twitter-Files (mittlerweile sind wir bei Folge 19) wirft einen ausführlicheren Blick auf den langen Arm dieser Organisation und ihren weitreichenden Einfluss auf die Moderation der Impfdebatte im Internet.

Zum ersten Mal erschien dabei nun auch eine Liste jener Internetriesen, die mit dem Virality Project zusammenarbeiteten. Neben Twitter umfasst die Liste auch Facebook (inklusive Instagram), Google (inklusive YouTube), TikTok, Medium und Pinterest. Auch Bestrebungen, um auf alternative Plattformen wie Parler, Gettr und sogar Telegram einzuwirken, sind nachweisbar, auch wenn nichts über den möglichen Erfolg oder Misserfolg dieser Bestrebungen bekannt ist.

Unerwünschte Narrative über Impfpässe, Freiheitsverlust und sonstige Wahrheiten

Zentrales Anliegen war für das Virality Project die Bekämpfung sogenannter „Desinformation“ oder „Fehlinformation“, zwei Begriffe, über deren Deutungshoheit das Virality Project selbst frei verfügte. Bereits früh im Jahr 2021 wirkte das Virality Project auf die Impfstoffdebatte ein, indem die Sichtbarkeit missliebiger Berichte über Nebeneffekte, wie zum Beispiel einem Bericht in der New York Times über vom AstraZeneca-Impfstoff Geschädigte, unterdrückte. Ein weiteres Thema, das die Mitarbeiter des Virality Projects den Social-Media-Firmen zur Unterdrückung meldeten, waren sogenannte „Impfpass Narrative“, die unerwünschter Weise zu einer Debatte „über den Verlust von Freiheiten und Rechten“ führten.

Doch während Twitters eigenes Regelwerk noch im Juli 2020 erforderte, dass Berichterstattung über Covid-19 „nachweislich falsch“ sein bzw. „faktischen Anspruch erheben“ müsse, um ein Eingreifen der Moderation zu rechtfertigen, änderten sich diese Regeln schon bald durch den Einfluss des Virality Projects, das im Gegenteil forderte, dass auch wahrheitsgetreue Inhalte der Zensur zum Opfer fallen sollten, wenn sie zu einem Anstieg der Impfskepsis führen könnten.

Bereits im März 2021 passte sich Twitter den sprachlichen Gepflogenheiten des Virality Projects an und führte nunmehr den „Missbrauch statistischer Daten“ über die Sicherheit der Impfstoffe und „Kampagnen gegen Impfpässe“, die zu „Angst vor einer allgemeinen Impfpflicht“ führen könnten, ungeachtet ihres Wahrheitsgehalts als zu moderierende Inhalte an. Dies wird exemplarisch deutlich an dem Bericht einer weiteren Regierungsorganisation, des Global Engagement Center (GEC), das eine italienische Nutzerin meldete, die zwar laut Bericht „faktisch korrekt über Covid-19“ berichtete, in ihren Inhalten aber auch schon mal „italienische Politiker, die EU und die Vereinigten Staaten“ angriff. Derselbe Bericht meldete nebenbei mit dem ehemaligen italienischen Premierminister Giuseppe Conte und dem ehemaligen Vorsitzenden der Partito Democratico (demokratischen Partei) Nicola Zingaretti zwei führende Köpfe der italienischen Politik wegen angeblicher „russischer Verbindungen“.

Das Etikett „Desinformation“ wurde dabei immer freizügiger von Project Virality und Konsorten verteilt. Berichte über Menschen, die in Folge der Impfung starben, wurden zur Desinformation erklärt, wenn die Kommentare der Leser Skepsis gegenüber der Impfung zum Ausdruck brachten. Selbst vor Kommentatoren, die nach eigener Aussage „nur Fragen stellten“, wurde gewarnt, da dies „eine gebräuchliche Taktik von Verbreitern von Fehlinformation“ sei. Der impfkritische Robert Kennedy Jr. wurde sogar als „bekannter Wiederholungstäter“ bezeichnet, dessen Inhalte „fast immer gemeldet werden können“.

Wenn der Überwachungsstaat sich selbst als Verschwörungstheorie bezeichnet

Dabei lag das Virality Project fast immer falsch in seinen Einschätzungen, sofern diese überhaupt nach bestem Wissen und Gewissen getätigt wurden. So wurden Berichte über die natürliche Immunität unterdrückt, ebenso wie über Impfdurchbrüche. Als die Anpassung der Zählart der Impfdurchbrüche durch das CDC (das US-Äquivalent zum RKI) dahingehend angepasst wurde, dass diese nicht mehr gezählt würden, es sei denn, sie führten zu einem Krankenhausaufenthalt oder dem Tod, führte dies von Seiten der Kritiker zu Vorwürfen der Heuchelei, die allerdings vom Virality Project auf allen großen Internetdiskussionsplattformen unterdrückt wurden. Wenige Monate später gab auch die CDC zu, dass Impfdurchbrüche ein reales und gravierendes Problem darstellen. Die Kritiker hatten recht behalten, eine Klarstellung von Seiten der Zensoren des Virality Projects gab es nie.

Den Gipfel der Unverfrorenheit stellt aber wohl die Tatsache dar, dass die Behauptung der prominenten rechten Aktivistin Candace Owens, die Impfstoffe würden dazu genutzt, einen Überwachungsstaat zu errichten, bei den staatlichen Überwachern des Virality Projects in der Kategorie „Verschwörung“ katalogisiert wurden. Fast muss man hoffen, dass die Mitarbeiter des Virality Projects darüber zumindest schmunzelten, denn ohne den Hauch von Ironie wäre dieser Schritt womöglich noch beängstigender.

Doch es wäre fatal anzunehmen, dass das Virality Project den Endpunkt einer Entwicklung darstellt. Nur ein Jahr, nachdem das Projekt seine massive Beeinflussung der sozialen Netzwerke im März 2021 begann, forderte man in einem Bericht im April 2022 „einen Mechanismus zur Kontrolle von Gerüchten, um nationale Trendnarrative anzupacken“. Dazu müsse ein „Misinformation and Disinformation Center of Excellence“ (Kompetenzzentrum für Fehlinformation und Desinformation) innerhalb der „Cybersecurity and Infrastructure Security Agency“ (Agentur für Cybersicherheit und Infrastruktursicherheit) gegründet werden, das von niemandem geringeren als dem Heimatschutzministerium der USA kontrolliert würde. Nur einen Tag später verkündete das selbige Heimatschutzministerium die Gründung eines „Lenkungsausschusses für Desinformation“.

Wer einen Blick in die Gründungszeit des Virality Projects wirft, trifft dort auf eine Aussage von Alex Stamos, des Ex-Facebook-Sicherheitschefs und nunmehrigen Forschungsleiters der Vorgängerorganisation des Stanford Internet Observatory, der das Projekt als ein Mittel beschrieb, „die Lücke zu den Dingen zu schließen, die die Regierung legal nicht machen darf“. Renee DiResta, einer der führenden Köpfe des Virality Projects und gern gesehene Autorität zum Thema Desinformation, arbeitete, nach Aussage von Stamos, früher sogar für die CIA. Weitere bedeutende Partnerorganisationen des Virality Projects, wie zum Beispiel Graphika, wurden direkt vom Verteidigungsministerium finanziert.

Doch obwohl viele dieser Enthüllungen mittlerweile kaum noch überraschen dürfen, fordern sie doch unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Nicht nur, dass sich ein repressiver Zensurstaat zunehmend selbst dazu ermächtigt, die freie Meinungsäußerung außer Kraft zu setzen, das Ausmaß dieser Bemühungen ist überwältigend. Erstmals offenbaren die Twitter-Files nun auch schwarz auf weiß, dass die Zensurbestrebungen nicht nur bei Twitter auf Resonanz stießen, sondern alle großen Plattformen und Suchmaschinen betrafen. Keine der Webseiten, die heutzutage von einem Großteil der Menschen täglich genutzt werden, ist frei von dieser überwuchernden Krake der Meinungsmanipulation, alles was wir zu sehen bekommen, ist vorgefiltert, wenn wir nicht aktive Schritte unternehmen, uns bewusst zu informieren.

Die Frage, wie wir als Gesellschaft damit umgehen wollen, stellt sich immer dringlicher. Eines ist klar: Wenn wir nichts tun, werden sich diese Entwicklungen nur weiter verschärfen und dann werden wir uns schon bald sogar von dem verbliebenen oberflächlichen Schein der freien Meinungsäußerung verabschieden können.

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