Tichys Einblick
Der reiche Hippie

Neil Young kämpft für Öl, Gold und die Wahrheit

Neil Young hat Teile seiner Songs für Spotify gesperrt. Young sagt, es gehe ihm um Beiträge zu Corona, die vom Mega-Podcaster Joe Rogan auf Spotify gelaufen sind – die Fehde mit dem schwedischen Unternehmen ist aber älter und handelt von einem Geschäft wie „Öl und Gold“.

picture alliance / Rebecca Cabage/Invision/AP

Zu den häufigst gespielten Songs auf deutschen Radiowellen gehört „Sweet Home Alabama“. Die Band Lynyrd Skynyrd wehrt sich darin gegen pauschale Vorwürfe, die der Kanadier Neil Young gegenüber Alabama in Songs verbreitet hatte. Solche Debatten gehören zu den Gründen, wegen denen das Magazin „The Rolling Stone“ Young zum „letzten Hippie“ erklärt hat.

Nun kämpft der letzte Hippie nach eigenem Bekunden für die Wahrheit: Young hat angekündigt, seine Songs von der Plattform Spotify zurückzuziehen. Als Grund nannte der Sänger den Podcast „The Joe Rogan Experience“, der auf Spotify erscheint und in dem der Namensgeber Lügen über Impfungen und die Corona-Pandemie verbreite, so Young. Auch habe Rogan den Holocaust relativiert und somit verharmlost. Youngs Engagement leiten Medien aus der 76 Jahre umfassenden Biografie ab: 1951 sei er an Kinderlähmung erkrankt. Die habe seine linke Körperhälfte bleibend geschädigt. Die Impfung gegen Kinderlähmung sei erst einige Jahre nach Youngs Erkrankung entwickelt worden.

Doch die Fehde zwischen Young und Streaming-Diensten ist älter als die Pandemie. So alt, wie die Dienste selbst. Young inszeniert sich gerne als musikalischer Purist: „Ain’t singin‘ for Coke / I don’t sing for nobody / Makes me look like a joke“, sang Young und verteilte damit Seitenhiebe gegen werbetreibende Kollegen wie Michael Jackson, Whitney Houston oder Eric Clapton. Das war 1988 und auch für Hippies und Puristen in der Musikbranche rollte der Dollar – Stadionkonzerte und Plattenverkäufe machten es möglich. Damals. 1988. Vor der Pandemie und vor der Massentauglichkeit des Internets.

Doch dann kamen die Streaming-Dienste und versiegelten eine Geldquelle für Musiker. Young rebellierte dagegen: Ihm gehe es um die Qualität der Musik. Sagte der letzte Hippie. Die Qualität der komprimierten Dateien sei grauenhaft. Young hielt mit dem eigenen Vertriebssystem „Pono“ dagegen – und scheiterte. Ab 2017 stellte er dann seine Songs auf „Neil Young Archives“ zur Verfügung. Gratis. Für die Fans. Der Musik wegen. Ab 2019 nahm Young dann Geld dafür – in der Pandemie versprach er gratis Angebote.

Mit Spotify geht Young nun wieder ins Gericht. Weil die Plattform Kritik an der Corona-Politik zuließe. Als Nebeneffekt schadet der letzte Hippie damit dem Unternehmen, das eine Geldquelle für Musiker versiegen ließ. Und zwar massiv: Dessen Call Center sind durch Kundenanrufe überlastet. Die einen stellen Fragen, die anderen kündigen ihr Abo. Spotify habe dadurch an der Börse sieben Prozent seines Wertes eingebüßt, berichtet der österreichische Standard.

Young hat diese Börse im vergangenen Jahr zu einem warmen Geldregen verholfen: Der Künstler hat die Rechte an gut die Hälfte seiner Werke an den „Hipgnosis Songs Fund“ verkauft. Zwischen 50 und 150 Millionen Dollar spülte der Erlös für seine oft kapitalismuskritischen Werke in die Kassen des letzten Hippies, wie die BBC berichtet. Den Hipgnosis-Fonds gegründet hat der Musik-Manager Merck Mercuriadis. Im Sommer 2018 ging er mit ihm an die Börse und generierte dort laut BBC mit der Zeit rund eine Milliarde Pfund. Laut eigenem Jahresbericht ist der Hipgnosis-Katalog im Sommer 2021 2,2 Milliarden US-Dollar wert gewesen. Im Oktober ist dann die Blackstone Group bei Hipgnosis eingestiegen – zu deren Beratern (Senior Advisor) gehört Jeffrey B. Kindler, ehemaliger CEO von Pfizer.

Musikrechte seien das neue Gold und Öl, wie sich Mercuriadis zitieren lässt. Die Rechte seien eine stabile Investition, weil ihre Einnahmen nicht von Schwankungen in der Wirtschaft betroffen seien. Womit er den richtigen Riecher bewies. Denn mit dem Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 wählten viele Investoren den Handel mit Musikrechten als sicheren Hafen in schwerer See. Auch weil die Menschen im Lockdown Geld nicht mehr in Kinos, Theater oder eben Konzerte tragen konnten – und viele es daher in Musik aus der digitalen Konserve steckten. Seitdem machen berühmte Pop- und Rockstars Schlagzeilen, die ihre Rechte teuer verkauften – darunter neben Young auch Bruce Springsteen und Bob Dylan, die beide mehr bekamen als der letzte Hippie.

Der Rechte-Boom setzte um den Jahreswechsel 2020/21 ein. Politisch engagierte Musiker wie Young feierten die Abwahl von Donald Trump – und fürchteten die Folgen: Die vom neuen Präsident Joe Biden angekündigten höheren Steuern könnten die Gewinne aus solchen Verkäufen schmälern – statt ans private Vermögen würden sie dann an die öffentliche Hand gehen.

Wobei der Verkauf an Mercuriadis eine heikle Frage aufwarf: Würde Young entgegen seiner lautstarken Bekundung nun doch Produkte bewerben? Das Recht, nein zu sagen, hat der letzte Hippie formal aus der Hand gegeben. Doch dafür fand Mercuriadis Worte, die so lyrisch sind, dass sie es wert wären, von Young vertont zu werden: Ihr Business-Deal sei geprägt durch gemeinsame Integrität, Ethos und Leidenschaft. Einen „Burger of Gold“ werde es nicht geben, scherzte Mercuriadis und meinte damit, Youngs Songs wie „Heart of Gold“ würden nicht für Fastfood-Ketten werben. Ob Tofu-Schnitzel, Solaranlagen oder börsennotierte Spekulationsobjekte in Ordnung wären, ließ der Mann von Integrität, Ethos und Leidenschaft indes offen. Offengelegt sind die Verträge zwischen dem letzten Hippie und dem integrativen Ethos-Börsen-Unternehmen nämlich nicht.

Spotify übt sich derweil als der Wahrheit Youngs verpflichtetes Unternehmen: 20.000 Podcast-Episoden habe man im Zusammenhang mit der Pandemie entfernen lassen, heißt es in der Financial Times. Die schwedische Plattform hat viel zu verlieren: zum Beispiel 170 Millionen Abonnenten. Auch Lynyrd Skynyrd musste sich schon entschuldigen: Ihre Kritik am letzten Hippie sei nicht rassistisch gemeint gewesen. Nur so konnte ihr „Sweet Home Alabama“ in Dauerschleife im Radio bleiben.

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