So eine hätten Sie wohl gerne, die Hessen, so schnippste es uns der Bundeskanzler dieser Tage mit den Fingern zu. Wen? Na Nancy Faeser, jene amtierende Bundesinnenministerin, die derzeit „vollbeschäftigt“ sei und ihre Aufgabe „großartig“ mache. All das sagte Olaf Scholz natürlich nicht, um eine objektive Bewertung abzugeben, sondern im Bemühen, Faesers Spitzenkandidatur im Land Hessen irgendwie plausibel erscheinen zu lassen.
Jens Marco Scherf, grüner Landrat im unterfränkischen Miltenberg, hat letzte Woche einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz geschrieben, in dem es um die Überlastung der deutschen Landkreise und Gemeinden mit „Geflüchteten“ geht. Danach wird die Migrationslage gerade „ernsthaft zu viel für uns“, wie Scherf nun der ZDF-Sendung Berlin direkt versicherte. Man bräuchte, so der Grüne in extrem vorsichtiger Ausdrucksweise, „ganz sachlich differenziert … in Anführungszeichen, sozusagen, eine Verschnaufpause“ beim Flüchtlinge-Retten. Das waren etwa drei Paar Gänsefüßchen in einem Satz.
Was Faeser dem grünen Landrat erwidern würde – wenn sie wollte
Die Reaktion der Ministerin auf eine solch anmaßende Forderung von einem hergelaufenen Provinzgrünen kann man sich vorstellen. „Sie können doch nicht eine Debatte über Obergrenzen anfangen, wenn mitten in Europa Krieg ist.“ Das wäre doch das Spiel der „ganz Rechten“. So polterte die weitgehend fortunefreie Ministerin neulich, nachdem in der Union die Forderung nach einer neuen Obergrenze lautgeworden war: 100.000 bis 200.000 Asylanträge pro Jahr sollen es sein.
Jens Marco Scherf hat noch keine Antwort aus dem Bundeskanzleramt erhalten. Der Grund scheint klar: Mit unbequemen Zuständen im Land befasst man sich nicht gern in dieser blütenweißen Bundesregierung. Einen guten Monat vor Scherf hatten sogar alle bayerischen Landräte einen Brief an Scholz versandt. Wenn also die Berliner Post nicht unfassbar geschlampt hat, dann stapeln sich inzwischen die Protest- und Brandbriefe im Bundeskanzleramt. Dem Leiter dieser Behörde aber fiel dieser Tage nichts Besseres ein, als die eigentlich auch für diese Briefe zuständige Innenministerin über den grünen Klee zu loben (siehe oben).
Am Ende ihres Interviews lobt Faeser sich auch selbst dafür, dass sie an so vielen Stellen „für sehr wichtige Bereiche“ Verantwortung trage. Außerdem hat sie sich die Kandidatur in Hessen durch 18 Jahre Landesparteivorsitz quasi ersessen. Das war mit die wichtigste Botschaft, die man aus diesem Interview mitnehmen kann. Laut eigener Einschätzung ist sie außerdem „nur ehrlich“, wenn sie den Hessen sagt, dass sie zwar kandidiert, aber im Falle einer Niederlage in Berlin bleibt.
Hauptsache gemeinsam: Sachfragen-Slalom und Absetzbewegungen
Nur ehrlich – mehr ist es dann wohl nicht, und auch das ist es nicht immer. Viel war auch in diesem Interview mit Shakuntala Banerjee bei Berlin direkt im ZDF nicht aus der Ministerin herauszubekommen. Was die Sachfragen ihres Hauses angeht, erscheint Faeser meist als personifizierte Ratlosigkeit.
Zweite Sachfrage: Druck auf Herkunftsstaaten, damit sie ihre Staatsbürger zurücknehmen? Daran hat Faeser Zweifel. Auch versuchen will sie es nicht, um dann in europäische Traumwelten abzuschweifen, die sie gerade erst selbst dementiert hat: „Wir versuchen ja ganz vieles schon. Und ich glaube auch, dass es eine neue Solidarität gibt, seit dieser furchtbare Krieg in Europa ausgebrochen ist.“ Und so könne man „jetzt mehr erreichen … gemeinsam“, fügte Faeser mit zusammengekniffenen Augen hinzu. Immer wieder dieses Wort „gemeinsam“, als ob es allein schon ein Problem löste.
An dieser Stelle kommt es zu extremen Absetzbewegungen Faesers von den Fragen ihres Gesprächspartners. Gemeinsam habe man eine EU-Aufnahmerichtlinie „einheitlich“ in Gang gesetzt. Auch mit Frankreich und den anderen Partnern hat man sich angeblich darauf geeinigt, die Ukrainerinnen endlich „solidarischer zu verteilen“. Es gebe dazu auch „Mechanismen“, die nur leider noch nicht wirklich gut funktionieren – so Faeser an ihrem schwächsten Moment. Welche Schande für die Mechanismen. Kann Faeser ihren Ministerkollegen in den westlichen Nachbarstaaten mehr Aufnahmen abringen? Das glaubt sie wohl selbst nicht.
Merkel hoch zwei, doch ohne deren taktisches Geschick
Den FDP-Mann und Ex-NRW-Innenminister Joachim Stamp sieht Faeser nicht als Repräsentanten jener ominösen „Rückführungsoffensive“ aus dem Ampel-Koalitionsvertrag an, sondern als ihren Mann für Migrationsabkommen. Mit denen will sie die Regierungen außerhalb Europas mit Zuckerbrot (mehr Visa, mehr legale Einreisen) ködern, damit diese endlich auch den ausgedrückten Zigarettenstummel an ihrem Bauch (die Rücknahmen) akzeptieren. Frankreich und die Kommission sollen auch noch dabei sein, wenn Faeser sich auf die Migrationsabkommen anderer Staaten „aufsetzt“ – wie eine Glucke aufs gelegte Ei.
Man sieht: Nicht nur bei ihrem ersten Flüchtlingsgipfel bot Faeser keine Antworten auf die drängenden Fragen von Bürgern und politischen Entscheidern, den Praktikern vor Ort. Auch jetzt noch vertröstet sie die Wähler mit lauen Versprechen. Sie bleibt eine Theoretikerin des Menschenrechts auf Asyl, folglich die Advokatin einer unbegrenzten Zuwanderung über den Asylantrag in die deutschen Sozialsysteme hinein, daneben in Messerkriminalität und radikalen, rücksichtslosen Islam, in mangelnde Berufsperspektiven und Silvesterkrawall hinein.
Faeser bejaht offenbar all das, muss es bejahen, weil ihre eigene Migrationspolitik der unkontrollierten Grenzen zu einer Potenzierung dieses Geschehens führen wird. Sie ist insofern die Merkel hoch zwei, ohne das taktische Geschick der Ex-Kanzlerin. Mit dem Schweigen zu wichtigen Fragen und dem Verdrucksen der Wahrheit, wo immer es Probleme gibt, geht es aber schon ganz gut, auch in diesem Interview mit Berlin direkt.
Grüne Ausweitungspläne – Stoff für die nächste Lex Faeser?
Man brauche mehr „Menschen aus Drittstaaten, die sich in Deutschland niederlassen wollen“, so der grüne OB von Hannover, Belit Onay. Man kann die Menschen ja dann „integrieren“. So stellt man die neuen Nicht-Sachfragen, deren sich die Innenministerin sicher gerne annimmt. Es geht nur noch um die eigene Ideologie, eventuell sogar das eigene Stammesdenken, die so zum Maßstab der Gesetzgebung gemacht werden.