16 Minuten braucht Caren Miosga, um aus dem scheidenden Grünen-Co-Chef Omid Nouripour exakt nullkommagarnichts Neues herauszubringen. Sechzehn Minuten, oder anders ausgedrückt: 51.200 Euro, denn so viel kosten den Gebührenzahler 16 Minuten der abendlichen Talkshow-Zeit. Nouripour lobpreist seine Partei, er lobpreist den Wirtschaftsminister Robert Habeck, obwohl der ganz offensichtlich nicht nur Beobachter war, als Nouripour und seiner Kollegin Ricarda Lang der Dolch in den Rücken gerammt wurde. „Wir werden einander noch beistehen“, sagt Nouripour über Habeck, und es sind Momente wie diese, in denen der Lügen- und der Bullshit-Detektor sich mit ihren Warntönen gegenseitig überpiepsen.
Nur die Ampel, die lobpreist Nouripour nicht, aber auch das ist ja nichts Neues. „Ich glaube, dass wir keine superharmonische Koalition mehr werden“, sagt er, und: „Die nächste Regierung muss anders mit sich selber umgehen.“
Stattdessen kommt Christian Dürr an die Reihe, Fraktionsvorsitzender der FDP, die bei Wahlen mittlerweile nicht mal mehr die Einstelligkeit schafft (0,8 Prozent in Brandenburg). Mit Dürr wird es holprig an diesem Abend. Warum die Partei überhaupt noch in Fernsehsendungen eingeladen wird, ist nur damit erklärbar, dass sie sich standhaft weigert, die Ampelkoalition aufzukündigen. Denn dies wäre der letzte Schritt in die Bedeutungslosigkeit. Das sieht man auch Dürr an. Wenn ihn die Kamera in Sprechpausen einfängt, zeugt sein Blick von Anspannung und Agonie. Wie früher im Sportunterricht der blasse Hänfling, der genau weiß, dass er in der nächsten Runde Fußball nicht mehr mitspielen darf. Und in der Pause wieder eins auf die Nase bekommt.
Dürr bemüht sich, windig zu sein, aber er ist eben nicht schnell. Wie er das Hin-und Her-Geeiere seiner Partei bei vielen zentralen Fragen zu verteidigen versucht, nimmt ihm offenbar niemand ab. „Warum verhält sich die FDP eigentlich immer wie ein bockiges Kind?“, fragt Miosga. Und als sie ihm eine Überschriftensalve mit Zitaten des Scheinriesen und Pseudo-Revoluzzers Wolfgang Kubicki um die Ohren haut, wird Dürr ganz kleinlaut: „Wolfgang Kubicki treibt um, dass manche Dinge nicht vorangehen.“ Eher nebenbei spricht er aber auch mal Tacheles – etwa, dass die Migrationspolitik „in Wahrheit ein ungelöstes Problem seit 2015“ sei.
Lindner ist seit 2013 FDP-Chef. Exakt so lange, wie Franziskus Papst ist, das hat Miosgas Redaktion beinhart recherchiert. „Warum ist Christian Lindner eigentlich unangefochten der Heilige Vater der FDP?“, will die Chefin dann auch von Dürr wissen. Immerhin habe die Partei in Brandenburg nur noch „weniger als die Hälfte der Tierschutzpartei“, sie sei „pulverisiert“. Müsse es da nicht personelle Konsequenzen geben wie bei den Grünen? Doch Dürr hat auf die Schleimspur zurückgefunden. „Es geht doch um die Frage: Ist eine Partei mit sich selbst im Reinen und klar aufgestellt? Das sind die Freien Demokraten, insbesondere seit Christian Lindner Bundesvorsitzender ist.“ Schmierigkeitsgrad 3.
Aber es kommt noch dicker: Karl Lauterbach sitzt am Tisch. Darunter wackelt er bisweilen nervös mit seinen dünnen Beinen und schicken Schuhen, darüber zeugen sein wirrer Blick und die gewohnt aufgerissenen Augen davon, dass er prädestiniert für die Rolle eines Ungesundheitsministers wäre. So, wie er es in der Coronazeit ja auch tagtäglich unter Beweis gestellt hat (siehe hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier).
Doch auch Lauterbach schwenkt bisweilen auf AfD-Sprech ein. „Die Wende bei der Migrationspolitik ist überfällig“, sagt er und rät, „dass wir auf eine Lage wie in Solingen reagieren müssen, und dass wir es vielleicht auch schon vorher machen hätten müssen.“ Kerstin Münstermann von der Rheinischen Post triggert ihn sofort mit der gegenteiligen Aussage Saskia Eskens: „Das hat die SPD-Chefin an dieser Stelle in Frage gestellt.“ Doch Karl Lauterbach liebt auch Saskia Esken. „Ja, aber ich sitze ja jetzt hier und nicht die SPD-Chefin.“ Er warnt davor, irgendwelchen „Budenzauber“ zu machen und ist sicher, dass die SPD bald wieder aus der Einstelligkeit herausfindet. „Dann bekommen wir auch wieder Luft unter die Flügel.“ Der Schmierigkeitsgrad hat seinen Höhepunkt erreicht. Alle Lappen schmutzig, Phraseneimer voll.
Aber Lauterbach hat noch nicht fertig. „Wir müssen die Arbeit tun. Das Projekt Modernisierung läuft ja noch. Wir schaffen das.“ Alle lachen. So viel steht fest: Der Zuschauer ist längst geschafft.
Finales Fettlöser-Fiasko.