Tichys Einblick
Annalena Baerbock bei Caren Miosga

Politikwissenschaftlerin: Die großen EU-Länder sind „führungsunfähig“

Bei Caren Miosga bezeichnet eine finnische Politikwissenschaftlerin sämtliche großen EU-Länder als „führungsunfähig“. Dabei gibt sich Annalena Baerbock in dieser Sendung alle Mühe, sich „ganz diplomatisch“ auszudrücken. So ganz klappt das aber nicht.

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Nur fünfmal verspricht sich Annalena Baerbock bei Caren Miosga: Sie zeigt sich an diesem Abend von einer selbstsicheren Seite. Offenbar hat sie wenig zu befürchten im ARD – jedenfalls in der ersten Hälfte der Sendung. Letzte Woche hatte Caren Miosga ihrem Gast Markus Söder (CSU) versprochen, dass sie in dieser Woche die Grüne in die Mangel nimmt. Das tut sie allerdings kaum. Im Gegenteil: Miosga betonte mehrmals, wie „diplomatisch“ sich die Außenministerin in der Sendung ausdrücke. Und das in einer Talkshow mit dem Titel: „Wie undiplomatisch können Sie sein, Frau Baerbock?“

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Lächelnd wiederholt Baerbock mehrmals, dass Putin eine „Zermürbungsstrategie“ fahre – ihr Lieblingswort in der Sendung. Sie meint damit, dass Putin Demokratien zu spalten versuche, mit Angst spiele, Menschen einschüchtere und Narrative verdrehe. Außerdem sei Putins „hybride Kriegsführung“ gegen Frauen gerichtet, meint Baerbock. Das belegt sie beispielsweise damit, dass Putin die Fake News verbreitet habe, sie sei eine Prostituierte und wolle Haustiere verbieten.

Insgesamt sei mit diesem „Putin-Russland“ keine Sicherheit möglich, findet Baerbock. Darum will sie „nicht naiv, sondern klug sein“. Und das heißt für sie: Waffen liefern. Aber „nicht, weil Waffen toll sind“, sagt sie lächelnd und zwinkernd. Sondern, weil ansonsten mehr ukrainische Orte eingenommen würden, wodurch die russische Front weiter in Richtung Deutschland rücken würde. Sie drückt es „ganz diplomatisch“ aus: „Wenn wir jetzt keine Stärke zeigen, wird es keinen Frieden geben.“ Die Waffenlieferungen sind für Baerbock also Teil dessen, „alles dafür zu tun, dass möglichst morgen Frieden ist“.

Zuspruch bekommt Baerbock im zweiten Teil der Sendung von dem Journalisten Michael Thumann. Er ist Leiter des Moskauer Büros „Die Zeit“ und nickt Baerbock fast durchgehend zu. Die beiden halten Augenkontakt. Sie lachen miteinander. Alles ist ganz harmonisch. Sogar über Thumanns Kritik an der Bundesregierung können die beiden lachen: Er diagnostiziert der Ampel das Syndrom „Ausschließeritis“. Die Regierung schließe viele Dinge zu schnell öffentlich aus, findet Thumann: beispielsweise, den „Taurus“-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. Er rät dazu, manches „offen zu lassen“, damit Putin nicht mit Sicherheit wisse, was Deutschland macht. Oder eben nicht macht.

Thumann ergänzt, dass Putin versuche, die „kleinen Unterschiede“ innerhalb der Europäischen Union zu verstärken. Das Ziel dahinter ist laut Thumann, dass die EU zu keinen gemeinsamen Entscheidungen kommt. Und damit sei Putin erfolgreich: „Die Absprache zwischen Frankreich und Deutschland klappt nicht“, sagt er. Baerbock unterbricht den Augenkontakt. Das war wohl einer zu viel.

Die finnische Politikwissenschaftlerin und Sicherheitsexpertin Minna Ålander sagt, dass kleinen Ländern wie Finnland dieser „Riss“ zwischen Frankreich und Deutschland Sorgen bereite. Ålander wirkt in dieser Sendung wie das fünfte Rad am Wagen: Sie guckt regungslos zu, wie sich Baerbock und Thumann den Ball zuspielen. Aber wenn sie mal zu Wort kommt, dann lässt sie es krachen: Sie meint, alle Länder der EU sind „auf ihre Art führungsunfähig“. Wie Deutschland sich ausspionieren lassen hat, sei „etwas peinlich“, meint sie: über Webex, ohne Passwort, ohne Codewörter. „Spionage wird nicht erst seit gestern betrieben.“ Auch der Westen höre sich gegenseitig ab, fügt sie hinzu. Und sie kennt sich aus, denn, wie Miosga sagt: „Finnland hat die russische Spionage ja quasi mit der Muttermilch aufgesogen.“ Mit diesem Witz zaubert Miosga ein Lachen in Ålanders ansonsten eher starre Gesicht.

Eine sehr bescheidene Performance
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Sodann ist Ålanders Gesicht nicht mehr regungslos: Sie runzelt die Stirn und starrt Baerbock mit offenen Augen an, als diese sich mal wieder „ganz diplomatisch“ ausdrückt: Sie wolle die anstehende Wahl in den Vereinigten Staaten nicht überhöhen und keine Wahlempfehlung abgeben. Aber sie wolle betonen, dass sie gut mit der „Biden-Administration“ zusammenarbeite. Generell arbeite sie mit sämtlichen Nato-Ländern gut zusammen: „Nur gemeinsam sind wir stark“, triumphiert sie. An der Stelle wird Miosga aber ein bisschen streng mit Baerbock: Die letzten zwei Wochen sahen schließlich anders aus. Dann muss Baerbock auch zugeben: „Es gab mal bessere Zeiten.“ Aber für sie sei das Glas immer halb voll und nicht halb leer. Dafür muss sie ihr Wasserglas allerdings erstmal wieder auffüllen.

Ganz so leicht macht Miosga es ihrem Gast dann doch nicht: Sie möchte wissen, warum Baerbock bei ihren Reden „fast immer“ so „ungewöhnlich emotional“ spricht. Baerbock meint, sie erreiche Menschen somit auf eine andere Weise. Sie wolle halt nicht an Autos denken, um eine Mauer um sich zu bauen, nachdem ihr jemand von einem Einzelschicksal erzählt. Aber Baerbock betont, sich nicht von ihren Gefühlen „übermannen“ zu lassen. „Äh überfluten“, korrigiert sie sich. Immer diese „Männersprache“. Am Ende der Sendung trinkt Baerbock ihr „halb volles Glas“ in einem Schluck aus.

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