Wenn Sie als Verfolger der Zeitläufte noch nicht wussten, dass es einen Kampf um den Osten gibt, dann erfahren Sie es spätestens aus dem Artikel des antifaschistischen Autors Christian Bangel, der nach der Thüringer-Wahl in der ZEIT erschien. Bangel ruft den Kampf nicht aus, er ist vielmehr, wie es in älteren Wochenschauberichten hieß, schon in voller Härte entbrannt.
„Der Kampf um den Osten“, so Bangels ZEIT-Text, „wäre entschieden, wenn es irgendwann AfD-Minister gäbe, die aus der Exekutive heraus ihre niederträchtigen Vorstellungen umsetzen könnten“.
Um das historische Ringen noch für seine Seite zu entscheiden, also zu verhindern, dass es möglicherweise in Zukunft einen Minister oder eine Ministerin einer Partei gäbe, die von einem Fünftel bis 27 Prozent der Wähler dort angekreuzt wird, soll der Osten von Missionaren an die Kandare genommen werden:
„Wer den Osten dauerhaft stabilisieren will, der muss vor allem für eines kämpfen: Zuwanderung. Massiv und am besten ab sofort. Zuwanderung aus dem Westen, Binnenzuwanderung aus den großen Städten in die ländlichen Räume, und ja, auch gezielte Migration aus dem Ausland. Nur so gibt es auch in bisherigen Verliererregionen die Chance, stabile wirtschaftliche Strukturen aufzubauen. Und nur dann ist es möglich, dass auch dort ein Miteinander von Generationen, Milieus und Hautfarben entsteht, die eine Partei wie die AfD mit ihren weißen Hoheitsfantasien schon heute an vielen Orten Deutschlands lächerlich erscheinen lässt.“
Theoretisch und technisch, so weit liegt Bangel richtig, wäre die Schaffung einer neuer Gesellschaft im Osten durch Neuansiedlung jedenfalls einfacher zu bewerkstelligen als durch die Deportation der Falschwähler. Bei denen ergäbe sich sofort die Frage: wohin? Für Neuthüringer respektive Neusachsen und Neubrandenburger steht dagegen reichlich Wohnraum zur Verfügung, jedenfalls abseits der schmucken Städte. In den Zwangsversteigerungslisten dort finden sich Wohnungen, Eigenheime und mitunter sogar Villen zu Kaufpreisen, die der Jahresmiete für eine mittelmäßige Wohnung gleicher Größe in Kreuzberg-Friedrichshain oder besseren teilen Hamburgs liegen, von München ganz zu schweigen.
Baulich sind sie meist noch einigermaßen in Ordnung, und wenn doch nicht, dann ist ihr Zustand jedenfalls nicht schlechter als der von manchen Berliner Schulgebäuden.
Die Mittel im Zielgebiet der progressiven Bevölkerungsauffrischung stehen als bereit. Es fehlt – wie fast immer, wenn wohlmeinende Leute die Gesellschaft verbessern wollen – an etwas anderem. Lassen wir für einen Moment die gezielte Migration aus dem Ausland beiseite. Schon 2015 hatte Heribert Prantl in seinem Brevier „Im Namen der Menschlichkeit“ – als praktisch in seinem eigenen – die Ansiedlung afrikanischer Einwanderer in der Redaktion der Süddeutschen in Mecklenburg-Vorpommern gefordert, die dort „mit den Erfahrungen ihrer uralten Subsistenzwirtschaft“, also der Selbstversorgung, eine bescheidene Existenz aufbauen sollten. Wer das nicht glaubt, kann es gern hier beziehungsweise hier nachlesen; wer annimmt, danach hätte ihn der Süddeutsche Verlag wg. schweren Schüsselsprungs vor die Tür gesetzt, der schaue einfach ins aktuelle Impressum der Zeitung.
Es stellte sich jedenfalls schon 2015 heraus, dass afrikanische Einwanderer mit anderen Vorstellungen nach Deutschland kommen als der, in Vorpommern Kartoffeln mit Yamswurzeln zu kreuzen, und außerdem, dass die meisten über keinerlei bäuerliche Professionalität verfügen, nicht einmal über uralte. Folgt man außerdem Bangels Ausführungen über den rassistischen Osten, dann wäre es ja auch eine „niederträchtige Vorstellung“ (Bangel a. a. Ort), ausgerechnet Afrikaner oder einen Angehörigen der Miri-Familie in den Saale-Holzlandkreis beziehungsweise ins Erzgebirge zu verschicken, die es vorher schon in toleranten urbane Zentren Deutschlands geschafft haben. Sie können vielleicht später nachkommen. Aber es braucht einen Vortrupp. Und hier ergibt sich das Problem. Denn die fortschrittlichen autochthonen Großstädter, die der ZEIT-Autor dafür ins Auge fasst, unternehmen ja schon in ihren Habitaten die merkwürdigsten Verrenkungen bis hin zu Anmeldungen unter Scheinadressen, damit ihre Kinder auf eine der letzten gutbürgerlichen Schulen gehen können statt in die buntquirlige nebenan, wo die Schulhofregeln des Zusammenlebens nicht täglich neu, sondern meist ganz am Anfang und ein für alle mal ausgehändelt werden. Oder die, in denen die Decke herunterkommt. Beziehungsweise, sie melden ihren Nachwuchs gleich in einem Privatinstitut an wie seinerzeit die hessische Fachfrau für Gesellschaftsveränderungen Andrea Ypsilanti und wohnen auch sonst nah beieinander, besuchen die gleichen Biomärkte, dieselben Kulturinstitutionen und Partys.
Das Hauptmerkmal der heutigen progressiven Speerspitze besteht also darin, dass sie selbst in ihren Großstädten lieber immobil unter sich bleibt und schon gar nicht zum Missionswohnen nach Höckeland aufbrechen möchte.
Wo aber dem schönsten Generalplan Ost die Gefahr des Scheiterns droht, wächst das Rettende auch, und zwar direkt aus den Kolumnen und Kommentaren der schreibenden und sendenden Kollegen von Christian Bangel. Sie wissen ja schon, dass wir, wenn es um den Energieverbrauch, das Fliegen, das Fleischessen und vieles andere geht, nicht mehr auf Freiwilligkeit setzen können. Die Zeiten sind vorbei. Das gilt im Kampf für das Klima genau so wie für das Ringen um den Osten.
„Viel Zeit haben wir verplempert“, schreibt etwa Walter Wüllenweber im STERN, „darum heißt es jetzt: durchsetzen, auch gegen Widerstand…Zwang, Verbote, Kontrolle und Strafe. Es tut weh, so etwas Autoritäres schreiben zu müssen. Aber wir müssen solche zivilisatorischen Rückschritte in Kauf nehmen, um die Zivilisation zu retten.“
In dem wohlmeinenden Teil der Gesellschaft besitzt der Begriff Konsequenz einen guten Klang. Wer also ja sagt zu A wie Austerität fürs Klima, der muss auch ja zur Binnenmigration Ost sagen. Und bis das Ja freiwillig kommt, muss es eben anders gehen. Also werden die ersten nicht freiwillig umsiedeln. Wer sind nun aber die ersten? Es werden Vertreter der progressiven Klasse sein, die ihre ursprüngliche Aufgabe nicht mehr erfüllen können, nämlich demnächst arbeitslos gewordene Qualitätsjournalisten. Vor kurzem stellte der Geschäftsführer des Süddeutschen Verlags fest: „wir können es uns nicht mehr leisten, weiter so zu arbeiten“, und stimmte die Mitarbeiter, wie es hieß, auf „gravierende Veränderungen“ ein. Dumont will sämtliche Zeitungen verkaufen, der Ballastabwurf geht allerdings nur mühsam voran. Der STERN hat ein schlechtes Jahr hinter sich, andere auch. Quer durch die Branche hört man, dass ungefähr 10 bis 20 Prozent der Printjournalisten demnächst gehen müssen. Wer aber als Qualitätsjournalist seine Anstellung verliert, der hat auch das Recht, in einer Großstadt zu leben, „ein Stück weit verwirkt“, um es mit Claus Kleber zu sagen.
Die Population der Medienmitarbeiter in Stadtvierteln mit gutem Altbaubestand bricht nicht gleich zusammen, wenn diejenigen, die dort, wo die Bangels und Wüllenwebers schreiben, nicht mehr ernährt werden können, einen neuen Lebensraum bekommen, in dem ohnehin alles billiger ist. Sie wären dann auch weg von der sprichwörtlichen Straße, vor allem den Straßen, in denen die Annetta-Kahane-Stiftung und andere NGOs auf billige Arbeitskräfte lauern.
In dieser Zeit, in der es wieder um die Einsicht in die Notwenigkeit der gesamtgesellschaftlichen Lenkung geht, wäre die Durchsetzung eines Journalistendeckels für zentralurbane Gebiete ein Klacks. Wer sollte etwas dagegen haben? Die noch angestellten Qualitätsjournalisten am allerwenigsten. In keiner Bevölkerungsgruppe existiert ja, siehe oben, eine höhere Einsicht in die Notwendigkeit des Zwangs, um das Gute zu bewirken. Und die Notwendigkeit, die Bevölkerung Thüringens und des Restostens siedlungspolitisch zu verbessern und aufzunerden, werden weder eine Margarete Stokowski noch ein Sascha Lobo bestreiten.
Von Berlin aus könnte das Resettlement versuchsweise beginnen. In der DDR beispielsweise, die wir jetzt ja, wie Jana Hensel in der ZEIT schreibt, ganz neu und vor allem besser denken müssen, gab es nicht nur einen Mietendeckel, sondern auch ein Berlin-Verbot.
Mit diesem Instrument hielt die Obrigkeit damals Elemente von der Hauptstadt fern, die sich dort negativ auf die erwünschte Bevölkerungszusammensetzung ausgewirkt hätten. Die Instrumente waren alle schon einmal da, nicht nur in der Bau- und Mietenpolitik, sie müssen nur zeitgemäß weiterentwickelt werden. Ab 1. Januar 2020 – also zeitgleich mit dem Auslaufen des Solidarpakts, aber das ist jetzt wirklich Zufall – werden die ersten Bescheide verschickt. Dann wissen die Betreffenden in Friedrichshain, Schwabing und anderswo, ob das Leben für sie in 99848 Wutha-Farnroda („Willkommen im grünen Herzen Deutschlands), in 06242 Braunsbedra oder irgendwo zwischen 38875 Elend und ebenfalls 338875 Sorge weitergeht.
Freiwilligkeit hilft hier schon deshalb nicht weiter, weil sich die Neusiedler dann doch nur da drängeln würden, wo es schön ist, und nicht dort, wo man sie am dringendsten braucht, um in Verliererregionen stabile wirtschaftliche Zustände aufzubauen. Das mit den wirtschaftlichen Zuständen sollte man übrigens nicht zu wortwörtlich nehmen, sondern eher so wie die Versicherung von Robert Habeck, dass die Klimamaßnahmen unter seiner Kanzlerschaft keine sozial Schwachen treffen werden. Medien gibt es dort draußen im Outback nur wenige, es sei denn, ZEIT, STERN und SPIEGEL verlagern gleich ganze Redaktionen dorthin, wo ihre Nichtleser leben. Es geht also nicht um materielle Wertschöpfung, sondern um ideelle.
Die ganze Aktion ist, was die ehemaligen Medienschaffenden betrifft, „for making them beneficial for publick“, wie der unerreichbare Jonathan Swift in seinem „Modest Proposal“ zu einer anderen Problemlage schrieb; Neuthüringer und Neusachsen aus den moralischen Gewinnerregionen könnten dort die uralte Subsistenzwirtschaft linker Projektgruppen betreiben, Außenstellen der Kahane-Stiftung gründen, mit ihren Nachbarn sprechen, auch wenn sie deren Dialekt nicht entschlüsselt haben, denn es geht ja nicht um wechselseitiges Reden, die Siedler sollen den moralisch Minderhochwertigen deren Überlegenheitsfantasien aus dem Leib agitieren, aber ihre eigenen progressiven behalten. Und wenn sonst gar nichts geht, können sich die Bangelbürger – darf man so sagen? – wenigstens nützlich machen, indem sie die Grünen über der Fünfprozentgrenze halten.
Vieles ginge in der Nähe leichter. Jenny Kallenbrunnen etwa, eine Journalistin, die noch für den NDR und STERN arbeitet, könnte dann ganz praktisch bedenkenlos jedem fünften Thüringen tatsächlich eine reinhauen.
Der SPIEGEL-Redakteur Hasnain Kazim könnte im, sagen wir, thüringischen 98711 Allzunah mit Eingeborenen freundlich erörtern, wie man Wähler, die das Falsche wählen, zur Verantwortung zieht:
Auf keinen Fall sollten die Bevölkerungsoptimierer aber trotz der neuen, und, naja, nicht ganz freiwilligen Nähe auf das Soziale hereinfallen, also darauf, dass in Ostdeutschland doppelt so viele Beschäftigte wie im Westen weniger als 2.000 Euro brutto pro Monat in Vollzeit verdienen (13 zu 27 Prozent), und deshalb etwas anders als öffentlich-rechtliche Journalisten über die Verteuerung von Benzin, Fleisch, Flügen und den Import von mehreren hunderttausend jungen Männern denken, die leider überwiegend von Hartz IV leben.
Wie es übrigens auch schon Walter Wüllenweber im STERN schreibt: „Das Soziale kommt ab jetzt erst an zweiter Stelle“.
Nicht gefragt werden sollte auch, wen die AfD-Wähler in Thüringen, Sachsen und Brandenburg eigentlich gewählt hatten, als es die AfD noch gar nicht gab. Warum die SPD in ihrem ganz alten Stammländern Thüringen wie Sachsen den „Kampf um den Osten“ (abermals Bangel) so hoffnungslos verloren hat.
Und warum dort praktisch kein Einheimischer die ZEIT liest, noch nicht einmal im Verschenk-Abo.
Ein Kampf und Hearts & Minds kann es nicht sein, den die Hamburger und Münchner Journalisten an der Ostfront führen wollen. Denn beides, darin besteht ja ihre Grundprämisse, kommt ja bei der Urbevölkerung gar nicht vor.