Wer heute in den Medien Sendungen zum Klimawandel, zu Corona-Maßnahmen, zur AfD oder zum Ukraine-Krieg sieht, merkt schnell, dass sich die Journalisten erst gar nicht um neutrale Standpunkte bemühen. Dabei vermischen sich Meinung, Fakten und Emotionen. Es geht gegenüber Andersdenkenden dann weniger um deren Argumente, sondern meist um gefühlsbeladene Abwertungen wie „Querdenker“, „Fremden-“ und „Islamfeinde“, „Leugner“, „Rechte“, „Rassisten“, „Antidemokraten“, „Delegitimierer“ und dergleichen mehr. Sind wir heute auf einem Weg zu einer ideologisch bestimmten Gesellschaft – freiheitliche Gesellschaft ade?
Die Grundlage der freiheitlichen Gesellschaft
Die Grundlage einer freiheitlichen Gesellschaft ist der Verzicht auf einen absoluten Wahrheitsanspruch. Dazu zählt eine grundsätzliche Offenheit gegenüber anderen Ansichten, genauso wie ein Vorbehalt gegenüber der eigenen Meinung.
Nietzsche hat einmal geschrieben: „Toleranz ist ein Beweis des Misstrauens gegen ein eigenes Ideal.“ Wer also vollkommen auf das eigene Ideal vertraut, kann nicht tolerant sein. Hier liegt die Intoleranz der angeblich Toleranten.
Karl Popper kommt in „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ zu dem Schluss, dass sich eine offene, freiheitliche Gesellschaft und eine direkte liberale Demokratie mit größter Meinungsvielfalt gegenseitig bedingen.
Wer eine freiheitliche Gesellschaft will, muss seinen Standpunkt immer wieder aus einer kritischen Distanz heraus hinterfragen und sich auch eines Besseren belehren lassen. Der Philosoph Hans-Georg Gadamer sagt: „Der andere könnte ja Recht haben“, und: „Bildung ist die Fähigkeit, die Welt aus der Perspektive eines anderen zu sehen.“ Wie weit der heutige Journalismus von Bildung entfernt ist, mag jeder Leser selbst entscheiden.
Der Haltungsjournalismus als Gegner der Vielfalt
Die Journalisten der heutigen Medien sind von einer identitätsstiftenden Weltanschauung, dem Haltungsjournalismus geprägt. Der Journalist hält sich an eine Ideologie, mit der er meint, politische Befreiungskämpfe intonieren zu müssen.
Durch die Emotionalisierung der Meinungen haben heute viele Journalisten das Gefühl, Andersdenkende seien von Hass und Bosheit getrieben, und diese wiederum fühlen sich von den Medien abgewertet und ausgegrenzt. Trump und die AfD sind dafür die besten Beispiele.
Die Vorstellung, dass Andere vernünftige Gründe für ihre Haltung haben – vielleicht sogar bessere als ich, findet im Haltungsjournalismus nicht statt. Damit ist aber auch die liberale Idee von wirklicher Vielfalt und Gleichberechtigung obsolet. Daraus ergibt sich die ironische Konstellation, dass die Verfechter der angeblichen Vielfalt in Wirklichkeit deren größte Gegner sind.
Haltungsjournalismus als geschlossene Ideologie
In den Zeiten des Haltungsjournalismus gibt es kaum offene, sich selbst hinterfragende Medien. Anstelle eines Neutralitätsgebots und der Vorstellung, ein Thema oder eine Person vorbehaltlos verstehen zu wollen, sind emotionalisierende, sich an der eigenen Moral messende Auf- oder Abwertungen getreten.
Heute macht sich verdächtig, wer versucht, Trump oder Putin zu verstehen – und wer versucht, die Gründe ihrer Anhänger nachzuvollziehen. Wurde früher das Verstehenwollen einer gegnerischen Position oder Person positiv gewertet, so wird hier bereits der Akt des Verstehenwollens verhöhnt und als „Versteher“ abgewertet. „Putinversteher“ sind damit nur die dummen Opfer russischer Propaganda. In einem emotionalen Auftrumpfen wird ihnen jedes sachliche Erkenntnisinteresse abgesprochen.
Analyse einer ARD-Reportage über ostdeutsche „Putinversteher“
Wie sehr verkommt die heutige Reportage zur Bebilderung der eigenen Ideologie? Hat der Journalist schon Inhalte im Kopf, zu denen er sich nur noch Bilder sucht? Jeder Reporter hat eine Haltung, ist voreingenommen, schon allein durch seine Auswahl, wen man wie befragt, wen und was man weglässt.
Ironischerweise sagt die Journalistin zu Beginn: „Um es klar zu sagen: Ich möchte niemanden verurteilen. Ich werde Fragen stellen und zuhören.“ Genau das folgt dann aber nicht. Aufgrund ihrer „Haltung“ stellt sie die Fragen so, dass die Antworten in eine unausgesprochene Verurteilung münden.
Die Medien geben zu verstehen: Unsere „Haltung“, unsere Moral ist die richtige! Unausgesprochen wird für die Unterschlagung unbequemer Ansichten und Fakten immer ein ehrenhaftes Motiv geltend gemacht. Die Folge ist selektive Berichterstattung, ein manipulativer Sprachgebrauch.
„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten“ (Helmut Kohl)
In der Reportage der Journalistin äußern sich die befragten Ostdeutschen in schöner, naiver Offenheit, indem sie sagen, sie waren gegenüber Russland in der DDR einer positiven Konditionierung unterworfen, gegen die sie auch heute schlecht angehen können. Wer dann weiter die Vergangenheit des westlich-russischen Verhältnisses thematisieren will und sogar in einem Rollentausch ein gewisses Verständnis für Russland äußert, stößt auf Abwehr und westliches Kopfschütteln. Daraus entsteht dann in der Reportage die unausgesprochene Message: Gehirngewaschene beichten der richtig denkenden Journalistin ihre dunklen Seiten.
Heute ist die Hölle modern und beginnt für den Renegaten nicht erst nach dem Ableben, denn eine stark abweichende womöglich „rechte“ Meinung kann nur mit Exkommunikation aus der herrschenden Glaubensgemeinschaft beantwortet werden. Und dann bist du draußen, mein Lieber, dann kannst du dir neue Freunde und einen anderen Job suchen.
Ein paar Tage später wurde das Thema mit der Filmemacherin Jessy Wellmer bei Hart aber Fair noch einmal mit dem gleichen Spin durchgekaut: Im Westfernsehen werden Ostdeutsche unter dem Mantel des Erklärens vorgeführt. Im Westen nichts Neues.
Der richtige Glaube
Wie bei jeder Gemeinde, bei der der richtige Glaube im Vordergrund steht, ist es auch bei der herrschenden, woken Ökobourgeoisie folgerichtig, dass abweichende Meinungen diffamiert werden: Sie sind „rechts“, „Querdenker“, „Putin-“ oder „Trumpversteher“ – und was halt sonst noch so gerade Mode ist und der richtigen Haltung entgegensteht. Letztlich stoßen wir hier auf eine (identitäts-linke) totalitäre Denkstruktur. Also genau auf das, was dem eigentlich fast einflusslosen politischen Gegner in Deutschland vorgeworfen wird.
Dass dies natürlich bei den ausgegrenzten Gruppen auf wenig bis keine Gegenliebe stößt, ist nicht weiter verwunderlich. Wer will schon gerne diffamiert werden? Wie immer lohnt es sich auch hier, die Verhältnisse im Auge zu behalten. Wer hat die Macht in Deutschland? Die politisch korrekte identitätslinke Ökobourgeoisie, die alle Schlüsselstellen der Gesellschaft besetzt hat, insbesondere die wirkmächtigen Medien, oder die paar Prozent Opposition?
Wer hat die kulturelle UND die politische Hegemonie?
In der DDR hatte die herrschende Klasse zwar die politische, aber nie die kulturelle Hegemonie. Dazu war die Kultur des Westens zu potent, und vor allem verwies sie immer auf die ökonomischen Erfolge des Westens.
Wer will schon Ideologiekritik an der eigenen Ideologie hören, besonders wenn man diese für absolut richtig hält? Und den Kampf um die Durchsetzung der eigenen Ideologie forciert man ja schließlich nicht aus egoistischen Gründen, sondern es geht darum, diejenigen zu retten, die man als die Verfolgten dieser Welt definiert. Deshalb ist die Definitionshoheit, die kulturelle und die politische Hegemonie so wichtig.
Die Missionare des Gutseins
Da sich die Moral der herrschenden Ökobourgeoisie durch das Werkzeug der Medien im Volk schon weitgehend durchgesetzt hat, also zum Common Sense geworden ist, müssen sich die Missionare in immer entlegenere Gefilde begeben, um den Gottesdienst des Gutseins weiter zelebrieren zu können. Nun geht es darum, die deutsche Sprache in ihrem Sinne umzuformen und breit ins Zentrum der medialen Öffentlichkeit zu stellen. Entgegen dem Wunsch der Bevölkerungsmehrheit wird die Sprache zu einem umständlich-unverständlichen System umgebaut.
Wer das falsche verstehen will, macht sich verdächtig
Dass sich kritisch denkende Oppositionelle nun in die sozialen Medien flüchten, ist ein Armutszeugnis für eine Gesellschaft, deren Grundlagen Meinungsvielfalt und freiheitliches Denken sein soll. Wer versucht, eine problematische Figur du jour zu verstehen, und versucht, die Gründe ihrer jeweiligen Befürworter nachzuvollziehen, macht sich heute nicht nur selbst verdächtig, sondern ist gleich schon draußen.
Wurde früher das Verstehenwollen einer gegnerischen Position oder Person positiv gewertet, so wird hier bereits der Akt des Verstehenwollens verhöhnt und der „Versteher“ abgewertet. In einem moralischen Auftrumpfen wird alles abgewürgt. Für die Richter gibt es keine zwei Seiten einer Medaille. Es gibt nur gut und böse, wobei die gute Position immer nur die jeweils eigene ist. Vor einem Gericht interessiert sich aber jeder Richter für den Hergang: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“
Die vierte Gewalt hat sich zur zentralen Macht entwickelt
Die vierte Gewalt ist heutzutage nicht mehr einfach nur die Gewalt Nummer 4, sondern die veröffentlichte Meinung beherrscht im Wesentlichen die öffentliche Meinung. Aufgrund ihrer Uniformität ist sie zur zentralen Macht der Gesellschaft geworden.
Die Vorstellung, dass Andere vernünftige Gründe für ihre Haltung haben können – vielleicht sogar bessere als sie –, scheint so undenkbar wie die Vorstellung der Zeugen Jehovas, die Bibel könne sich irren.
So lange die öffentlichen Medien, dem Dreh- und Angelpunkt der öffentlichen Willensbildung, nicht zu wirklicher Meinungsvielfalt bewegt werden, so lange wird sich an der Gemengelage nichts ändern.