„Kann der Punkt kommen, an dem die Bekämpfung der Krise mehr Elend schafft als die Krankheit selbst?“ Einige vernünftige Antworten kamen vom Unternehmer Karl Haeusgen. Das ist die zentrale Frage des Abends. Fangen wir mit den Leerstellen an, dann haben wir sie durch:
Gabor Steingart, ehemaliger Chefredakteur des Handelsblatts, kennt jedenfalls die richtige Antwort und bezeichnet die Corona-Krise – zumindest zum Teil – als „Angsterzählung“. Bislang 465 Tote sind Fake-News aus dieser ins eigene Wort verliebten Perspektive.
Olaf Scholz schimpft auf Donald Trump. Der ist ein billiges Ziel weil weit weg, ihn zu schelten gehört zum Pflichtrepertoire und lenkt von eigenem Versagen ab. Trumps Klassiker haben sie wohl alle nicht mitgekriegt: „we cannot let the cure be worse than the problem itself.” Das ist das Thema hier bei Illner.
Trotzdem fällt auch Scholz nichts dazu ein, wie es dazu kommen kann, dass Deutschland viele teure Intensiv-Betten hat, aber keine Wegwerfartikel wie Atemmasken – und auch nicht in der Lage ist, das Problem zu lösen. Sarah Wagenknecht lobt die sonst so verachtete kapitalistische Schweiz, weil sie vollautomatische Maskenherstellmaschienen beschafft hat, ganz ohne Proletarier am Band.
Olaf Scholz weicht der Frage aus, ob Corona-Bonds nun kommen oder nicht, will nichts dazu sagen, ob die Schulden der Eurozone nicht doch verallgesellschaftet werden. Es ist die klassische Position – Deutschland soll nicht für die Schulden anderer haften.
Doch genau das fordert der Unternehmer und Vizepräsident der Maschinenbauer, Karl Haeusgen und sagt klar: Euro-Bonds, also gemeinsame Schulden der Euro-Staaten müssen kommen. Zeitlich limitiert und zweckgebunden, sozusagen als Kriegsanleihen gegen Corona werden sie Corona-Bonds genannt. Sie stoßen in Nordeuropa auf heftigen Widerstand, doch müssen kommen; denn alles andere wird in Spanien, in Italien als unsolidarisch wahrgenommen und führt unweigerlich in die Staasschulden-Krise und zu einem radikalen Premierminister Salvini, der für seine Europafeindlichkeit bekannt sei (so heißt das, wenn man EU mit Europa verwechselt). Haeusgen meint’s pragmatisch: Sieht ein Problem, will es lösen und die damit ausgelösten Probleme dann bitte morgen. So klingt er in dieser Krise am überzeugendsten. In Wahrheit würde das nur Zeit kaufen, was EU und EZB allerdings schon immer tun.
Etwas kristallisiert sich in der Sendung heraus, im Gespräch zwischen Wagenknecht, Haeusgen und Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft:
Das beste Mittel der Pandemiebekämpfung ist es, nicht mehr aus dem Haus zu gehen, ja das wissen wir jetzt alle. Doch dann bricht die Wirtschaft zusammen und Krankenhäuser können nicht mehr bezahlt werden – wer also trotzdem erkrankt, wird nicht mehr versorgt. Wirft man die Wirtschaft wieder zu schnell an, infizieren sich schnellstens Hunderttausende und die Krankenhäuser können die Menge an Kranken nicht mehr bewältigen. Hilft man Italien und Spanien nicht, sich zu finanzieren – und dies wird deutsche Steuerzahler Milliarden kosten – so brechen diese Länder unter der Last der Krise zusammen. Doch es baut sich ein Schuldenberg auf, der am Ende alle erdrückt.
Zwischen diesen disparaten Gedanken lobt sich immer mal wieder Olaf Scholz selbst, spricht von den vielen Milliarden, die er an Hilfen bereitstellt. Und für die Hilfen wird er im Gegenzug auch gelobt. Haeusgen lobt, wie schnell das Rettungspaket geschnürt wurde, wie eng man mit der Wirtschaft zusammengearbeitet habe. Was jedoch Wagenknecht und Felbermayr auch sagen, ist, dass das Rettungspaket eben auch an mancher Stelle unzulänglich ist. Es werden nur große Unternehmen unterstützt und kleine mit weniger als 15 Mitarbeitern, doch mittelgroße Betriebe – und dazu zählt auch schnell ein Restaurant oder eine Werkstatt – kriegen nichts.
Am Ende wird zur Bekämpfung der Krise nur ein pragmatischer Weg bleiben, der Opfer kostet – hier oder dort. Sprechen wir es aus: Tote Menschen oder der Tod der Wirtschaft, ohne die Menschen nicht leben können. So klar wird es nicht formuliert. Haeusgen schlägt vor, fürs erste müssen Geschäfte und Restaurants geschlossen bleiben – und doch wieder öffnen. So muss die Wirtschaft wieder anfahren und Friseure, Lokale und Geschäfte sollen öffnen – oder untergehen, nicht alle können überleben. Deshalb werden Mittelwege gesucht: Begrenzungen, wie viele Kunden einen Laden betreten dürfen, verringerte Tischzahlen in Restaurants, um den Mindestabstand zu garantieren und Friseure, die mit Mundschutz und Handschuhen Haare schneiden. Perfekte Lösungen wird es nicht geben – aber was im Leben ist schon perfekt?