Maybrit Illner ist richtig glücklich über ihren neuen Talkshow-Kollegen Louis Klamroth. Nein, wirklich! So sehr sogar, dass sie ihre eigene Show sabotiert, damit Louis in seiner ersten Woche nicht mit der geringsten Einschaltquote da steht. Anders kann es nicht sein, denn sonst hätte sie das neue Jahr doch niemals mit so einer Flaute eingeleitet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk scheitert aktuell am eigenen Geschäftsmodell – einige Ecken dieses Riesenapparates haben das schon mitbekommen, andere befinden sich noch im Winterschlaf.
Sieben Stühle, eine Meinung, wird dem Auftrag des öffentlichen Rundfunks nicht gerecht, klar. Das ist aber gar nicht unbedingt das Hauptproblem, denn darüber setzt man sich ja schon seit Ewigkeiten hinweg. Das aktuelle Problem ist, dass diese sieben Leute sich so einig sind und das dabei für alle so selbstverständlich ist, dass sie bei jeder Einzelheit einer Meinung zu sein haben, dass keinerlei menschliche Regung mehr stattfindet. Keine Reibung, keine Diskussion, kein Streit – aber auch keine Freude oder Überschwänglichkeit für einen überraschenden Verbündeten.
Das Thema der gestrigen Sendung war so typisch beamtenmäßig, es hätte sich genauso gut um den Passierschein A38 handeln können: zum Ukraine-Krieg. Wo wir schon bei Filmvergleichen sind, erlauben Sie mir nun einen Exkurs zu Robinson Jr.: „Entschuldigung, was zeigen die heute? Ah, das Meer. Schon wieder das Meer“. Es gibt viele Themen über die man diese Woche sprechen könnte. Die Gewalt gegen Polizisten in Lützerath wäre zum Beispiel brandaktuell.
Aber da wären wir wieder am Anfang, das kann Illner dem lieben kleinen Klamroth ja nicht antun. Gleich in seiner ersten Woche in dieser Talkshow-Welt seine Freundin und ihre doch zumindest schwierige Einstellung zur Polizei, zu den allgemeinen Gesetzen in Deutschland und zur freien Marktwirtschaft zum Thema machen. Nein, stattdessen wird das gute alte Ukraine-Thema rausgeholt, als hätte sie das nicht letztes Jahr schon bei jeder Gelegenheit mit ihren Schlaftabletten tot quatschen lassen.
Das Problem beim Russland-Konflikt ist genau das, was Beamte so uninteressant macht: Es ist höllisch eintönig. Die Gäste, die sie sich dazu ins Studio geholt hat, sind alle so oder so ähnlich schon mal bei ihr dazu im Studio zu Wort gekommen. Und seit der ersten Sendung wurde eine Sammlung an Phrasen und Positionen geschraubt, die auf alle darauffolgenden Sendungen zuverlässig Wort für Wort angewandt wurden. Ich könnte jeden meiner vergangenen Artikel copy and pasten, die Namen ändern und tadaaa: Schon sind alle darüber informiert, was in der Sendung geschehen ist. Nur der Aufhänger ist ein bisschen anders.
Diesmal ist die Ausrede für dieses Thema der Beschluss von Olaf Scholz, nun doch den Schützenpanzer Marder aus dem Bestand der Bundeswehr in die Ukraine zu liefern. 40 Schützenpanzer und zusätzlich eine Batterie Patriot-Flugabwehrraketen – es wird vorausgesetzt, dass der Zuschauer bereits ein entsprechendes Vorwissen hat und weiß, was das ist. Oder eben auch nicht, aber das ist eh egal. Man hat gar nicht den Anspruch, neue Informationen kundzutun oder einen Bildungsauftrag zu erfüllen. Ziel des Tages: das sagen, was bisher immer gesagt wird, sonst ist es unvollständig. Alle Blätter müssen feinsäuberlich in den Ordner.
Anknüpfend an die Waffenlieferung fragt sich Illner im Motto der Folge: „Panzerwende in Berlin – wo sind jetzt die roten Linien?“ Was schon wieder unfreiwillig lustig wäre, wenn wir hier bei Asterix wären. Sie erinnern sich wahrscheinlich – Ende 2021 gab Scholz in einem großen Machtwort der Presse gegenüber bekannt: „Für meine Regierung gibt es keine roten Linien mehr bei all dem, was zu tun ist. Es gibt nichts, was wir ausschließen.“ Wo Scholz seine roten Linien gelassen hat, braucht man sich also nicht fragen und schon gar nicht eine ganze Talkshow draus spinnen. Da braucht man nur mal im Jahr 2021 vorbeischauen. Wenn die Menschen einem sagen, wer sie sind, sollte man ihnen stets zuhören. Wie viel ein „Es darf keine deutschen Alleingänge geben!“ wert ist, hätte man von Anfang an wissen können.
Die Quotenfrau und der gescheiterte Klimaschutz-Opi
Die Parteivorsitzende der Jusos, Jessica Rosenthal, wird als erste vorgestellt. Kurz zum Hintergrund dieser jungen Frau – schließlich verliert man bei den ganzen jungen Mädels, die durch die Landespolitik tänzeln, als würden sie sich zur Wahl der Klassensprecherin bewerben, die Übersicht: Die 30-Jährige hat für ihre Politik-Karriere eine Lehrerlaufbahn hinter sich gelassen (die Schule also nie so ganz verlassen), seit Anfang 2021 ist sie die Nachfolgerin von Kevin Kühnert – als einzige Kandidatin hat sie die Wahl mit ganzen 78 Prozent der gültigen abgegebenen Stimmen gewonnen. Eine wahre Leistung, die nur zu gut das Wesen der SPD widerspiegelt.
Einige Zitate habe ich mir von ihr und dem zweiten Politiker im Studio, Norbert Röttgen, aufgeschrieben, die sich so ähnlich sind, dass ich jetzt im Nachhinein gar nicht mehr weiß, wer von beiden was gesagt hat. Wie Jessica Rosenthal hat auch Norbert Röttgen keinen persönlichen Bezug zu sicherheitspolitischen Fragen. Trotzdem sitzt er da. Und nicht nur das – er hat sogar ein Buch darüber geschrieben: „Nie wieder hilflos. Ein Manifest in Zeiten des Krieges“ – Spiegel-Bestseller übrigens, wie jedes Buch auf dieser Erde.
Um eine Sache beneide ich Politiker ja: das feinfühlige Geschick, aus allem Kapital machen zu können. Gestern noch als der nette Klimawandel-Opi ins Rennen um die Parteispitze gegangen, aber jetzt ist ein Krieg in der Ukraine sein großes Thema? Da kennt er nix, da wird im Nullkommanix ein Buch drüber geschrieben und ehe das Thema ein Jahr alt wird, ist das schon unter den Bestsellern. Und plötzlich merkt er auch, dass er so viel öfter in die Talkshows eingeladen wird, und schon fragt er Karl Lauterbach, wo der denn sein Talkshow-Feldbett im ZDF-Studio eingelagert hat. Jetzt ist er die Marie-Agnes Strack-Zimmermann der CDU.