Tichys Einblick
So schön ist es nirgendwo!

maybrit illner: Neue Heimat Jamaika

Bald gibt es Sicherheit und Bildung und Internet und, ja, Geld zurück! Kein Wunder, dass die TV-Runde bester Laune war. Nur Markus Söder war ein wenig ernst.

Screenshot ZDF

Haben Sie die Bilder gesehen mit der königlichen Jamaika-Familie auf dem Balkon? Merkel, fröhlich wie weiland Queen Mom nach dem vierten Gin Tonic, zeigte sich mit Jamaikas Prinzessinnen und Prinzen den Fotografen. Stolz strahlte J. Herrmann, Cem und Katrin gaben sich aufgekratzt, Peter grinste breit, wie immer, wenn’s Mutti Merkel gut geht. Dann wuselte noch die kleine Rita durchs Bild. Nur rechts muffte der stets muffige Kauder. Beim zweiten Bild sahen wir die gleiche Stimmung mit Lindner, Euro-Graf Lambsdorff, Pflaumenaugust Horst und anderen Getreuen.

So lassen sich eigentlich nur Fußballmannschaften feiern, die etwas geleistet (FC Bayern auf dem Rathausbalkon), oder wenigstens gut gekämpft haben. Oder die Windsors, weil das närrische Volk halt an diesen Balkon-Terminen der Royals hängt.

Die Inszenierungen von Frohsinn oder Beständigkeit haben einen festen Platz in der Geschichte von Völkern wie Sportmannschaften – was, aber, sollen uns Merkels Inszenierungen sagen? Egal, was Sie so lesen, zwischen grün, gelb, schwarz passt kein Blatt Papier? Warte, Volk, nur noch ein Weilchen?

Bei Maybrit Illner wurde die Jamaika-Verkaufsveranstaltung fortgesetzt. Alexander Graf Lambsdorff von der 10%-Partei FDP und Simone Peter (Grüne 8,9%) präsentierten sich als würdige Vertreter regierungsgeiler Splitterparteien – immer bemüht, die kaum zu verbergende Vorfreude unter besorgtem „schwierig, schwierig“-Gerede zu verstecken.

Illner-Gast Markus Söder (CSU, 6,9%) hadert da schon mehr mit Jamaika. Für ihn stellt sich die Lage komplizierter dar. Ganz frisch auf dem Tisch liegt die bayerische Umfrage, nach der 41% lieber ihn als Ministerpräsidenten sähen als Horst (immerhin noch 40%). Was hätte Söder, den Seehofer als nicht wichtig genug erachtete, an den Koalitions-Verhandlungen teilzunehmen, von Jamaika? Zudem dürfte er den Beschluss der Kommunalpolitischen Vereinigung der CSU (15.000 Mitglieder, Bezirkstagspräsidenten, Landräte, Bürgermeister, Gemeindevertreter und ein Gutteil der CSU-Bundestagsabgeordneten) kennen, in dem „mit überwältigender Mehrheit“ die Obergrenze Null bei illegaler Einreise aus sicheren Drittstaaten gefordert wird. Nein, den Söder Markus beschäftigen andere Gedanken.

Signale für Berlin
CDU mit Merkel-Malus in Niedersachsen
Warum war Bettina Schausten da? ZDF fragt, ZDF antwortet? Die gleiche Frage stellte sich auch bei Ursula Münch von der Akademie für politische Bildung Tutzing, zu der Illner immer Frau Professor Münch sagte. Weil sich bei der CDU alle vor Merkels Türe drängeln, um einen Posten zu erwischen, wurde der Hamburger Polit-Rentner Ole von Beust (die Regenbogen-Antwort der CDU auf Berlins Wowereit) geladen.

Illner beißt sich – politisch abstammungsgerecht – gern an immer denselben Klischees fest, eines davon die „rechte Flanke“. Da erinnerte Ole an früher, als es noch „unterschiedliche Charakterköpfe in der CDU“ gab (gemeuchelt oder domestiziert von Angela), aber, fügte er an mit Blick auf die Zustände am Soundso-Platz in Berlin (wir haben nicht gut genug hingehört: meinte er Tiergarten oder den Leopoldplatz im Wedding?), es hätte nichts mit links oder rechts zu tun, „wenn ich Sicherheit will“. Hier irrt der Ole! Solche Zustände gibt es vor allem da, wo Grün und Rot die Finger im Regierungsspiel haben. Man könnte es auch so sehen: Mischen Sie mal grün und rot, das stinkt gewaltig!

Den Tisch umwerfen
CSU in die Opposition
Schieben wir Illners Intro-Geplänkel beiseite, uns soll ja schließlich Lust auf Jamaika gemacht werden. Und wie man mit Speck Mäuse fängt, so begeistert man den Wähler mit Geldgeschenken. Der Soli muss weg! Der Graf ist dabei, steht so auch im Fünf-Punkte-Programm der FDP. Für Söder und Beust „gehört es zur Redlichkeit, wenn der Grund für eine Steuer wegfällt, auch die Steuer zurückzunehmen“. (Hier hätte die Frau Professor die Schaumweinsteuer von 1902 erwähnen können, die zur Finanzierung der kaiserlichen Flotte eingeführt wurde, und nach Versenkung derselben noch immer sprudelt – tat sie aber nicht.)

Dass Simone Peter nicht ganz zu Unrecht als Chefin vom „Bündnis 90/Die Linke“ eingeführt wurde, zeigte sich daran, dass sie zwar den Soli abschaffen wolle, aber nicht so ganz, weil dann ja die „Reichen“, die mehr Soli zahlen, mehr einsparen als die, die weniger einzahlen. Steuersenkungen nach dem Simone-Peter-Prinzip. Aber auch wenn sie dreimal Chefin ist, die Grünen werden sich ihre Regierungsbeteiligung nicht nochmal von überzogenen Steuerwünschen versauen lassen, wie beim letzten Mal durch Trittin.

Regierungsbildung
FDP: Wer will nach Jamaika?
Hier verdanken wir Frau Schausten den nicht uninteressanten Hinweis, dass ein Finanzminister Lindner den Soli abschaffen könnte, ohne von den Ländern daran gehindert zu werden. Ole findet es „unanständig, dass Chefs heute das 80-fache eines einfachen Angestellten verdienen“, aber dass nicht die Politik dieses Problem lösen kann. Das ist nicht falsch. Dass allerdings „die Politik“ Air Berlin mehr als hundert Millionen rüberschiebt, damit die 4,5 Millionen für den Chef gesichert sind, kann auch nicht die Lösung sein.

Sie merken schon, wir springen ein wenig. Aber das tat die Runde auch. Wir tragen noch nach, dass nun nicht die Zeit für „philosophische Projekte“ sei. Zudem müsse Schluss mit dem Irrsinn sein, dass der Staat zwar „Steuern im Centbereich“ gekonnt einstreicht, sich aber bei Abschiebungen als nicht handlungsfähig erweist (Söder). Lambsdorff kritisierte noch einmal Merkels „unverständliche Grenzöffnung“ (der traut sich was, der Lauser!), versprach aber „5-G überall“ – schnelles Internet für alle.

Am Ende durfte jeder was zu „Heimat“ sagen. Für Simone „ist Europa mit drin“, Frau Münch fand Heimat in Ordnung, „solange es nicht übertrieben wird“. Ole klagte, „heute kräht man bei dem Wort, dabei durfte man unter Willy Brandt noch stolz drauf sein“. Am Ende stand sogar ein Heimat-Ministerium im Raum, damit die gefühlsbesoffenen Wähler endlich eine Ruhe geben! Wir beschließen das Thema und die Sendung mit den eingespielten, unnachahmlichen Worten unseres verehrten Bundes-Floskelmeier: „Heimat gibt es auch im Plural!“

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