Wir sind schon ein verdammt armes Land! Nicht wirtschaftlich, da haben wir hoffentlich endlos Kredit. Politisch. Alternativlos an die Wand gefahren, auf Klippschulniveau belehrt, mit einem politischen Personal, das sich kein Unternehmen der Welt als Mitarbeiter leisten könnte, ohne binnen Jahresfrist Konkurs anmelden zu müssen.
Die Auswirkungen der geistigen Inzucht, die Wolfgang Schäuble zu Recht anprangerte, sind mittlerweile in der ganzen EU zu bestaunen, nur die Befallenen bemerken es nicht. Weder in den Partei- und Regierungszentralen noch in den Redaktionsstuben. Ist die ganze EU verrückt geworden? Nein. Eine kleine Insel im Westen leistet plötzlich Widerstand und erlaubt sich eine Volksbefragung.
Richard Tice, Bauunternehmer und Gründer von LeaveEU – zugeschaltet aus London – äußerte sich bei Maybrit Illner zum Thema „Zittern vor dem Brexit – was wird aus Europa“ wie folgt:
„Das ist doch ein Sieg der Demokratie. Millionen können abstimmen, ob sie für ihre Gesetze und Grenzen selber zuständig sein wollen. Oder ob sie lieber eine 10%-Filiale von Brüssel sind.“
„Die von der Regierung veröffentlichten Einwanderungszahlen sind gelogen, das sieht man an den Sozialversicherungsdaten. Über 50% der Gesetze kommen mittlerweile aus Brüssel, mit seiner verschwenderischen und korrupten Bürokratie. Millionen Menschen wollen auch was sagen. Die EU muss aufwachen.“
„Das Establishment in London und Brüssel muss begreifen, dass die Leute unglücklich sind. Die EU leistet nichts und sie liefert nicht an jene, die alles bezahlen. In manchen Ländern haben wir 40 bis 50% Jugendarbeitslosigkeit und brauchen keine ungesteuerte Zuwanderung aus Afrika.“
Ein eher moderater Korrespondent des Guardian und EU-Befürworter, Philip Oltermann, stellte hierzu fest: „Politiker in England sprechen Tabus an. Das fehlt in Europa. Wenn Tice oder Nigel Farrange von der UKIP fragen, warum wir Afrikaner integrieren, wenn wir selber eine hohe Arbeitslosigkeit haben, dann müssen die das dürfen.“
Allen Ernstes warf Illner ein, dass man das hier auch dürfe. Als habe sie sich nie an der Ausgrenzung von AfD-Politikern beteiligt, als gebe es nicht Anschläge auf „rechte“ Politiker und Aufrufe zu solchen von Amtsträgern in Ministerrang. Wahrscheinlich glaubt sie auch, die Deutsche Demokratische Republik sei, wie der Name schon sagt, irgendwie demokratisch gewesen.
Durch die Teilnahme zweier unaufgeregter Briten – der eine eher links, der andere eher rechts – hatte die Sendung auch ihr Gutes. Die deutsche Beteiligung geriet eher zur Folklore. Anton Börner, Außenhandelspräsident, wusste von einem Unternehmertreffen in London, bei dem sich 80% der 300 Anwesenden für einen Brexit aussprachen, und war immer noch fassungslos. Dann machte er energisch klar: „Brüssel ist nicht korrupt, das wüsste ich als Außenhändler!“ Das klang ein wenig nach Franz Beckenbauer, der in Dubai auch keine Sklaven gesehen haben wollte.
Kleine Sottisen gegen EU-Parlament und Kommission sind inzwischen politisch korrekt, da wollte Börner auch noch einen mitgeben: Es kann nicht bleiben, wie es ist, und die Kommission muss aufhören, sich damit beschäftigen, ob ein Traktorsitz auch auf Sizilien beheizbar sein muss.
Wenn er schwäbelt, geht einem das Herz auf, und man erinnert sich, wie vielfältig doch dieses unser Land jetzt schon ist. Oettinger merkte auch noch einiges zu David Cameron, den er „Kammerohn“ nannte, an, was aber egal ist, denn der Leser weiß mehr als der Kommissar oder der Autor, weil die Wahlen entschieden sind, wenn er diese Zeilen liest.
Sie wissen, ob der Brite ab Montag 30% mehr für ein deutsches Auto oder für den Spanienurlaub bezahlen muss oder nicht, wie der Außenhändler ausführte.
Mit oder ohne Briten, die EU wird sich verändern, und Oltermann vom Guardian machte noch mal klar, dass es für Deutschland reichen mag, dass die EU ein Bollwerk gegen rechts ist, für andere Länder aber reicht das nicht.
Nicht unterschlagen wollen wir Susanne Schmidt, die Tochter von Helmut Schmidt, die, mit einem Iren verheiratet, in England lebt. Für die EU ist sie, klar, und gegen den Brexit. Aber Politik dürfe nicht weiter „über die Köpfe hinweg“ gemacht werden.