Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz nannte ihn einen „grandiosen Typ“, von bento bis Süddeutsche wird „der redegewandte Juso-Vorsitzende“ (mdr-Staatsfunk) zum linken Hoffnungsträger hochgeschrieben, selbst „Bild“ lobte: „Er redet frei, geschliffen, argumentiert sachlich, aber pointiert.“ Na, dachte sich da Maybrit Illner, dann laden wir den Kevin Kleinert doch mal in die Sendung ein.
„Kühnert!“, sagte Kevin. „Oh ja, Herr Kühnert.“
Viele werden wegen Kevin Kühnert eingeschaltet haben, auch die, die wissen, dass der Juso-Vorsitzende für alles steht, was Vernünftige nur ablehnen können: Massenzuzug, Steuerschrauben, Krankenversorgung nach englisch-indischer Art. Aber in ganz Europa ist die Sehnsucht nach neuen Gesichtern groß, nach irgendeiner Hoffnung. Frankreich hat Macron, obwohl es kleiner ist als Deutschland. Österreich, noch kleiner, hat Kurz. Haben wir wenigstens Kevin?
Der bleibt dabei: „Das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten ist kein Regierungsauftrag.“ Er sieht nur den Auftrag, die AfD zu bekämpfen. Und nein, die Spaltung der SPD betreibe er nicht. Das sei „seit 150 Jahren nicht gelungen, insofern, als dass es unsere Partei immer noch gibt.“ Es gibt sie noch, das stimmt. Der Rest nicht.
Stephan Weil, SPD-MP von Niedersachsen, muss einerseits Kevin, den Unruhestifter, einbremsen und seinen Groko-Umfaller Schulz verteidigen, andererseits auch ein wenig Stolz auf seinen Parteinachwuchs vortäuschen. Das klingt dann so: „Ja, es muss sich was ändern!“ „Wir müssen hart arbeiten.“ „GroKo oder Neuwahlen, keiner der Wege ist ohne Risiko.“
Albrecht von Lucke. Wieder mal. Der ist begeistert von Kevin, will ihn aber sanft auf den Schulz-Kurs zurückführen, denn auch aus einer Groko-Asche könne die Partei aufsteigen, siehe „Beispiel Willy Brandt“.
Der Kevin hoffe gewiss selber, dass er seine Abstimmung am Sonntag verliere, so der schlaue Professor, denn sonst ist er der Boris Johnson, die ganze Führungsspitze erledigt, und die Merkel-Union gewinnt Neuwahlen haushoch.
Gabor Steingart, früher Spiegel, heute Handelsblatt, holt für seinen Juso-Kolumnisten und Kevinhymnen Camus‘ „Eine Revolte beginnt damit, dass einer aufsteht und nein sagt“ aus dem Zitatkasten und lobt, dass der Junge die „Selbstgespräche der SPD-Führung“ beendet habe. Woraufhin der Altgenosse Weil den Jungsozialisten vor solch „vergifteten Pralinen“ des Klassenfeindes warnt.
Dann sollen die Errungenschaften der Groko-Sondierung dem Publikum schmackhaft gemacht werden und eine Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale rechnet vor: Wer 4.000 Euro brutto verdient, spart 20 Euro bei der Krankenkasse, 40 Euro beim Soli, und kriegt im Falle des Falles 25 Euro mehr Kindergeld. Na, schönen Dank ooch.
Von Lucke ist dann schnell bei einem seiner zahllosen Lieblingsthemen: „Mit Macron gegen das Weltbeben.“ Während wir noch die GroKo-Geldgeschenke nachrechnen (das wäre in München knapp zweimal Haaransatztönen), sagt Julia Klöckner, CDU, was Hübsches zu Macron: „Der braucht noch ganz viel Aufbruch, um dahin zu kommen, wo wir schon sind.“
Stephan Weil setzt währenddessen die Selbstgespräche der SPD-Führung fort, indem er räsoniert, die SPD hätte sich vor zwei Jahren ein schönes Wahlkampfthema aussuchen müssen, danach sei ihnen nichts mehr eingefallen. Aktuell schlägt er „Pflegenotstand“ vor, für die Bürgerversicherung, das wisse er genau, interessiere sich keine Sau. Darauf Illner: „Schulz hat gerade die Bürgerversicherung wieder auf die Agenda gesetzt.“
Steingart, der sich wohl freut, dass seine Auflage mit ein paar Tricks weniger stark herunterging als manche Konkurrenz, legte noch ein bisschen SPD-Bashing nach (es ist aber auch zu leicht). Sie reden von Bildung, und ihre Kader schicken ihre Kinder ins Ausland auf die Schulen. Dax-Unternehmen werden von Ausländern geleitet, weil wir keine Spitzenbildung haben in Deutschland.
Wohl wahr, Kevin ist das beste Beispiel. Schule, Politikstudium, nebenbei Juso-Chef. Geld gibt’s vom Staat als Mitarbeiter eines SPD-Abgeordneten. Mit dem Know How kann man kein Unternehmen leiten. Aber Bildung sagt nicht alles. Wir sind trotzdem enttäuscht nach Illner gestern. Kevin Kühnert ist kein Visionär, kein Revolutionär, er ist nicht einmal spektakulär. Am Ende ein Funktionär, der lange keine Wahlen gewinnen wird. Noch ist er – schreibt Bild – lediglich ein „SPD-Milchgesicht, das den Aufstand probt“.