Tichys Einblick
In den Senkel gestellt

Lanz scheitert mit seiner öffentlich-rechtlichen Rhetorik an Hubert Aiwanger

Die gestrige Sendung hatte sich Markus Lanz gewiss völlig anders vorgestellt. Als er Hubert Aiwanger, den Chef der Freien Wähler, hierzu einladen ließ, war die Welt des ZDF-Moderators noch in Ordnung ... Von Friedrich Pürner

Screenprint: ZDF/Markus Lanz

Hubert Aiwanger, der Niederbayer, der Landwirt, derjenige, der als Redner auf der Demonstration gegen das Heizungsgesetz in Erding vor ein paar Wochen die Volksseele streichelte und gleichzeitig die Bundesregierung – insbesondere aber die Grünen – in Angst und Schrecken versetzte. Nach dieser Rede stürzten sich Medien und politische Gegner auf einen Satz, der – aus dem Zusammenhang gerissen – unreflektiert zum Vorwurf gemacht wurde. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnet ihn sogar als „Brandstifter“.

Aiwanger, so wird sich Lanz gedacht haben, wird geläutert von dem Entrüstungssturm nun brav und ruhig auf seinem Stuhl sitzen. Lanz wähnte sich gut vorbereitet und mag gehofft haben, dass sein Gast den moralischen Erguss des Moderators ohne große Gegenwehr erdulden werde. Doch es kam anders. Ganz anders. Dem Spektakel durften – ebenfalls als Gäste geladen – Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, Frankreich-Expertin Annika Joeres und Journalist Florian Flade beiwohnen.

Das Konzept von Lanz ist simpel. Man lade einen Gast, den es fertig zu machen gilt, ein. Die anderen Gäste dürfen dabei sekundieren, verträumt dreinschauen und sich freuen, dass Lanz sich nicht an ihnen abarbeitet. Am Ende soll Lanz als der rhetorische und moralische Gewinner gepriesen werden. In der aktuellsten Sendung war er das nicht. Das Konzept ging nicht auf.

Obwohl Lanz immer wieder die Politologin Ursula Münch um Hilfe bat, wurde Lanz seinem Gast einfach nicht Herr. Lanz gab wie gewohnt seine fahlen Argumentationsstränge zum Besten. Diese unterstrich er mit wilder Rhetorik. Doch Aiwanger dachte gar nicht daran, sich den durchschaubaren Tricks der Rabulistik zu ergeben.

Oberlehrer Markus Lanz

Der Moderator konnte noch so oft die Worte des bayerischen Wirtschaftsministers falsch verstehen oder interpretieren. Es half auch die gespielte Empörung nicht, die dazu geeignet war, beim Zuschauer eine Art Fremdschämen auszulösen. Aiwanger sah die meisten Fallen voraus und reagierte niederbayrisch gelassen. An manchen Stellen wirkte Lanz schon verzweifelt und rief dann nach Frau Münch. Gelegentlich auch nach Herrn Flade. Doch selbst im Verbund vermochten die drei nichts auszurichten. Lanz versuchte auch eine Aussage Aiwangers als Abwertung von Frau Münch zu verstehen und ihm diese vorzuhalten. Dass diese Finte nicht erfolgreich war, erkannte der Moderator zu seinem Glück selbst. Trotz der Mühen von Lanz blieb Aiwanger die meiste Zeit über souverän in seiner Rolle als bürgernaher stellvertretender Ministerpräsident von Bayern, der keineswegs an der Demokratie zweifelt.

Besonders peinlich, weil schon fast inquisitorisch, wollte Lanz von Aiwanger den Begriff der Demokratie definiert wissen. Wie ein Oberlehrer versuchte Lanz, mit Mimik und Gestik eines bereits entnervten Studienrates, seinen Schüler Hubert in einer Ausfragestunde vor der Klasse bloßzustellen. Offensichtlich mit dem Ziel, ihm danach noch eine schlechte Note mitzugeben. Was jedoch folgte, war ein Paradebeispiel an souveräner Replik. Lanz bekam von Aiwanger in ein paar Minuten den Begriff der Demokratie erklärt. Wie unangenehm. Offensichtlich wollte Lanz von Aiwanger zu hören bekommen, dass dieser bereits der Demokratie abgeschworen habe. Obwohl Aiwanger wiederholend beteuerte, dass es eine Demokratie in Deutschland gebe, wollte Lanz das nicht so recht hören. Die Schlagzeile „Lanz entlarvt Aiwanger“ war bereits nicht mehr erreichbar. Lanz aber wollte sich dieser Erkenntnis noch verwehren.

So verstieg sich der Moderator tatsächlich zu der Aussage: „… und im Gegensatz zu Ihnen glaube ich, dass es diese Demokratie gibt“. Wer bis zu dieser hilflos wirkenden Entgleisung des Moderators als Zuschauer noch nicht begriffen hatte, wohin die Reise der Sendung gehen sollte, der hatte hier endlich den Vollbeweis gefunden.

Der Mensch Aiwanger wurde unterschätzt

Aiwanger sollte als tumber Antidemokrat von Lanz bloßgestellt werden. Doch der Chef der Freien Wähler tat ihm diesen Gefallen nicht. Er parierte jeden Angriff von Lanz gekonnt. Mit seinem niederbairischen Akzent wirkte diese Abwehr auch noch überaus charmant. Lanz blieb nach etwa 40 Minuten nichts mehr anderes übrig, als den Gast zu wechseln. Da half auch die Politologin nicht mehr.

Das Format ‚Markus Lanz‘ ist ein unangenehmes. Deutlich erkennbar soll zumindest ein Gast, meist ist es der, der direkt neben Lanz sitzt, ‚gegrillt’ werden. Läuft alles nach Plan, versucht Lanz dann den Knopf des Schleudersitzes zu betätigen. Die Sendung könnte auch „Drei gegen Einen“ oder „Bis einer weint“ heißen.

Bei Hubert Aiwanger hat das Format nicht funktioniert. Aiwanger wusste sich zu wehren. Womöglich wurde er unterschätzt. Doch wer sich mit dem Menschen Aiwanger näher beschäftigt, der kann hier einen erfahrenen und blitzgescheiten Festzeltredner erkennen. Diesen hatten Lanz und sein Team nicht auf dem Schirm. Nun durften sie mit diesem Mann in ihrer eigenen Sendung Bekanntschaft machen.


Dr. med. Friedrich Pürner, MPH
Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Epidemiologe

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