Wow, die Frau ist einfach Klasse. So hip, so cool, so Zwanzigzwanziger, so wag! Mai Thi Nguyen-Kim hat’s einfach drauf. Obwohl: Vier-Tage-Woche, staubtrockenes Thema eigentlich. Aber zum Glück ist ja (fast) jeder angesprochen. Und Mai Thi schafft es sowieso, die Leute für den allerletzten Krempel zu begeistern.
Das will uns jedenfalls die Regie vermitteln. Oder wie sonst sind all die hyperaktiven Kameraschnitte und die viel zu früh eingespielten Lacher zu erklären? Benny Hill, Altmeister des britischen Slapstick, würde sich im Grabe umdrehen (wenn er nicht eingeäschert worden wäre).
Nguyen-Kim hat nun seit acht Jahren ihren Youtube-Kanal und seit drei Jahren ihre Sendung bei ZDFneo. Doch sie hetzt durch die Sendung, als wäre es ein komplett vergeigtes Vorsprechen. Der Kopf fliegt, die Augenbrauen gleichen kleinen Trampolinspringern, die ständig zwischen Studiolinoleum und Deckenventilator hin- und herspringen. Wie auf Acid hüpft Nguyen-Kim von Kamera zu Kamera. So viel steht fest: Wer auch immer bei dieser Sendung die Regie führt – er, sie, es oder wasauchimmer sollte zügig einmal das Jim Jarmusch-Sanatorium gegen Hektik und Chaos besuchen, wo frei nach dem amerikanischen Meister der Langsamkeit bedächtige Schnitte und ruhiges Atmen zelebriert werden.
„Das holt euch ab, oder?“, so Nguyen-Kim siegesgewiss gleich zu Beginn, und sie hat Recht. Ihr Standing holt die Crowd ab. Total legit, safe. „Nerden wir uns rein“, sagt sie. Dazu gibt’s ein bemüht-lässiges „Nerdy by Nature“, eine Abwandlung des Fettes-Brot-Hits „Nordisch by Nature“. Dass die Band sich das gefallen lässt, wird in Rapperkreisen sicher noch Folgen haben. Doch die wissen vermutlich gar nicht, dass es diese seltsame Sendung überhaupt gibt. Und womit? Mit Recht. Und Fug.
Eine „Geschichtsstunde“ ist angesagt. Sie feuert den nächsten Witz ab: Früher, in Zeiten ohne Dampfmaschine, „da musste man die Tapete noch händisch von den Bäumen pflücken oder so“, sagt sie. Und der Zuschauer hebt die Pulle zum Gruß: Sie hat es einfach drauf.
Oder ihr Vergleich Deutschland vs. Island: „Wir haben hier viel weniger Wale und Elfen.“ Wahnsinn – nimm das, Böhmermann! Nguyen-Kim für Bundesverdienstblech! Ach nee, hat sie ja schon. An dieser Stelle übrigens ein kleiner Tipp an die Regie: die Lacher lieber erst einspielen, nachdem der vermeintliche Witz erzählt wurde. Wirkt noch überzeugender.
In ihrer Geschichtsstunde gibt sie dem AfD-Politiker Björn Höcke gleich noch einen mit, denn so viel Zeit muss sein: „Machen wir es wie im Geschichtsunterricht von Bernd (sic!) Höcke und überspringen die Nazizeit.“
Doch kommen wir nun zum Inhalt. Nguyen-Kim zitiert Studien und Feldversuche aus aller Welt, die zum Thema „Vier-Tage-Woche“ vorliegen. Brasilien ist dabei, Großbritannien, die USA, Kanada … Ergebnis: Die Menschen sind viel zufriedener, produktiver und zugleich seltener krank. Kein Wunder: Sie haben nur noch 80 Prozent der ursprünglichen Arbeitszeit zu leisten, aber trotzdem 100 Prozent Gehalt.
Um die Ineffizienz bestehender Arbeitsstrukturen zu verklickern, lässt Nguyen-Kim einen vermeintlich satirischen Einspieler einspielen (und das ist kein Wunder, denn deshalb heißt er ja Einspieler). Um es kurz zu machen: Die darin gespielten Witze sind derart unwitzig, dass wir uns nicht trauen, hier auch nur einen einzigen wiederzugeben.
Doch dann kommt’s: Nguyen-Kim holt die Keule raus für den großen Schlag gegen die Vier-Tage-Idee. Sie kritisiert: Es gibt keine Langzeitstudien! Der war nun aber wirklich gut! Respekt und Anerkennung an der Stelle!
Ausgerechnet „Impffluencerin“ Nguyen-Kim bemängelt, was zu Covid-Zeiten ihren eigenen (damaligen) Worten zufolge völlig überflüssig war. Die bereits zu diesem Zeitpunkt hoch fragwürdige Substanz wollte sie – ohne Langzeitstudien – sogar per Impfpflicht in alle bundesdeutschen Arme schießen lassen. Bis hin zum Kleinkind übrigens.
Was Nguyen-Kim an der Vier-Tage-Idee außerdem kritisiert (und bei Corona akzeptabel fand): Es habe keine Kontrollgruppe gegeben. Und keine Peer-Review, also keine Prüfung durch unabhängige Experten. Stattdessen „Cherrypicking“ und Intransparenz. Oder, wie sie es selbst formuliert: „Eher so das Motto: Trust me, Bro.“
Das Beste aber: Nguyen-Kim kritisiert „Interessenkonflikte“. Alle Studien und Versuche seien von einer einzigen Organisation („Four Day Week Global“) organisiert worden. Dabei unterschlägt sie, dass es zahlreiche weitere Studien, Umfragen und Modellprojekte gibt, etwa diese, diese, diese, diese oder diese.
Aber egal, Nguyen-Kim kommt zu dem Schluss: „Deshalb ist das schon alles ’n bissel fishy.“ Stimmt. Etwa so fishy wie die Tatsache, dass ihr Mann Matthias Leiendecker (laut Wikipedia ein einfacher „Chemiker“) für den Pharma-Konzern Merck arbeitet, der ganz wesentlich an den Corona-Impfspritzen verdient hat (und weiterhin verdient).
Auch mit der Autorin der „Four Day Week Global“-Studien habe Mai Thi Leidendecker (so ihr korrekter Name) ins Gespräch kommen wollen. Doch die habe sie leider „mit Gegenfragen müde gemacht“, sodass Leiendecker irgendwann aufgegeben habe. Nanu, denkt der Coronamaßnahmenkritiker. Könnte die Müdigkeit am Ende nicht auch an der Wunderspritze liegen? Fatigue-Syndrom, Sie verstehen (Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS)). Mai Thi, übernehmen Sie! Sofern Sie wach sind.
Ein Satz der Sendung hat wirklich das Zeug für die Geschichtsbücher. Leiendecker sagt: „Manchmal weiß man Fakten erst wirklich zu schätzen, wenn sie fehlen.“ Also auch das genau wie bei Corona.
Zum Schluss gibt’s noch eine in Schwarzweiß gedrehte Gesangseinlage zusammen mit Alexander Klaws und Jeanette Biedermann. Die Drei trällern über Fakten (!), Vertrauen(!!) und Wissenschaft(!!!).
Besser wird’s heute nimmer. Safe.