Der September 2021 scheint heute wie eine längst vergangene Zeit: Die Medien feierten Angela Merkel (CDU) als eine Bundeskanzlerin, die wir ob ihrer Führungsstärke einst vermissen würden. Borussia Dortmund glaubte, Bayern München die Meisterschaft klauen zu können. Und SPD, Grüne und Linke schlossen im Wahlkampf eine gemeinsame Koalition im Bund nicht aus.
Neun Monate später kommt diese Koalition nicht mehr in Frage. Wäre es tatsächlich zu dieser Mehrheit gekommen – sie wäre in Folge des Ukraine-Krieges in einer schweren Krise. Wenn nicht sogar schon längst am Ende. Denn die Partei Die Linke hat sich in alten, ideologischen Schützengräben eingebuddelt: keine Waffenlieferungen an die Ukraine, keine Aufrüstung der Bundeswehr. Den Angriffskrieg mit Friedensgesprächen stoppen.
Schon die räumliche Anordnung ist großartig. Zwar sitzen beide nebeneinander – aber nicht gleichberechtigt. Wissler ist ohnehin kleiner als Hofreiter. Der Kamerawinkel verstärkt diesen Effekt noch. Sodass Hofreiter mit seinen langen Haaren wie ein Erklärbär wirkt, der der kleinen Janine die Welt erklärt: Da ist ein Imperealist, und der hat einen Kolonialisierten überfallen und da muss man als Linker doch auf der Seite der Kolonialisierten sein.
Darüber reden. Anschauen. Das wirkt so, als ob Wissler keine richtigen, inhaltlichen Vorschläge hat. Das sieht aus wie eine Flucht ins Unbestimmte. Und genau das ist es auch. Unter Wissler ist die Linke der Osterspaziergang geworden: Drei Dutzend Menschen, die sich mit fünf Dutzend Fahnen samstags in der Innenstadt versammeln – und in der shoppenden Menge untergehen würden, wenn nicht die Kameras auf sie draufhalten würden.
Anton Hofreiter steht für eine linke Partei, die sich angepasst hat. Die Maischberger-Redaktion beweist Gespür für Symbolik. Während Hofreiter mit Wissler streitet, prangt das Nato-Emblem hinter seinem Rücken. „Ich habe nunmal etwas Nerdiges an mir“, antwortet er Maischberger auf die Frage, warum er sich so intensiv zum Thema Panzergattungen eingelesen habe. Dieses neue Fachwissen macht den Nicht-Minister zum beliebten Talkshow-Gast in diesen Tagen. Eben weil er sachkundig ist, aber halt auch, weil er für den grünen Wandel steht.
Die Grünen haben ihre friedenspolitischen Positionen aufgegeben. Dass er mit früheren Positionen gegen Waffenlieferungen an die Ukraine daneben gelegen habe, räumt Hofreiter ohne jedes Zögern ein. Bei Ostermärschen bräuchten sich die Grünen so nicht mehr sehen zu lassen. Doch bei der shoppenden Menge scheint das anzukommen, wie Ergebnisse und Umfragen zeigen.
Gänzlich zerrüttet ist die deutsche Linke durch den Ukraine-Krieg aber noch nicht, wie sich am Journalisten-Panel zeigt. Das ist dieses Mal deutlich besser besetzt als am Dienstag und sorgt so für spannende Momente. Etwa wenn Sonia Mikich ihre alte Weggefährtin Alice Schwarzer verteidigt, trotz unterschiedlicher Meinungen zu Waffenlieferungen: „Wir können Alice Schwarzer nicht absprechen, dass sie sich enorme Gedanken zu dem Thema gemacht hat.“
Zudem hat Mikich, die Waffenliererungen befürwortet, Spannendes zur Debattenkultur in Deutschland zu sagen. Wo mittlerweile selbst Journalisten sachliche Beiträge nur noch als Pro-Ukraine-Gut oder Pro-Russland-Pfui wahrnehmen und die Welt in diese beiden Kategorien sortieren: „Es gibt in Deutschland etwas so Selbstgerechtes. Und wir sehen auch vieles schwarz.“ Solche Arroganz tue der Sache nicht gut. Denn Russland sei das größte Flächenland der Welt und könne auf Dauer nicht umringt werden wie Nordkorea. Es gehe darum, Putin loszuwerden. Mit allen Mitteln. Neben Sanktionen und militärischem Druck würde sich Mikich auch für Sabotage aussprechen.