Wollen wir mal mit etwas Versöhnlichem in diese viel versprechende Runde bei Maischberger starten? Mit einer Mitgefühlsäußerung gegenüber Volker Beck? Denn wer noch mit einem Rest an Empathie ausgestattet ist, der wird sich in die missliche Lage des 55-Jährigen Bundestagsabgeordneten der Grünen versetzen können: erwischt, soviel ist sicher, angeblich mit dieser gruseligen Strichersexdroge und anschließend wochenlang von Gegnern gequält bis hinein in die letzte Chrystal Meth verschwitzte Pore.
Kommen wir also zu etwas, das deutlich schwerer wiegt: Zum Thema des Abends. Verhandelt werden soll nämlich die Frage, von der man in den letzten Monaten dachte, sie wäre abschließend beantwortet: „Ausländer rein! Retten Einwanderer unseren Arbeitsmarkt?“ Sonderbar, nicht wahr? Denn lange war ja ein „Ja!“ an die falsche Wahrheit gekoppelt, dass sich unter den Hunderttausenden mehrheitlich gut ausgebildete Fachkräfte befänden, die man nur sprachlich auf Vordermann bringen müsste und die dann unisono den Wohlstand Deutschlands mehren würden.
Ist diese Ernüchterung über den durchschnittlichen Bildungsstand der Einwanderer doch noch nicht bei allen angekommen? Schon, aber man hat sich wohl argumentativ neu eingependelt, so, wie die ebenfalls eingeladene Ulrike Hermann. Die Korrespondentin der taz glaubt heute, dass Deutschland noch mehr Flüchtlinge aufnehmen kann, ohne wirtschaftlich darunter zu leiden. „Da reichen die ganzen Syrer nicht“, sagt sie, und ist sich über ihre grenzwertige Rhetorik gar nicht klar: Die ganzen Syrer da …. Das ist natürlich die perfekte Gegenthese zu der mutmaßlichen Haltung eines Jörg Meuthen. Der ist immerhin baden-württembergischer AfD-Fraktionschef und einer der zwei Bundesvorsitzenden.
Beck setzt noch einen Satz drauf, den der Sender zunächst in seiner Vorankündigung zitierte, allerdings dann den Halbsatz löschte: „Wir brauchen zum Beispiel viele Leute in der Pflege, da braucht man keine hohe Schulbildung.“ Beleidigt da einer unsere Pflegekräfte in Deutschland? Jedenfalls erinnert das an die USA zu Sklavenhalterzeiten, als man sich auf den Baumwollfeldern als Farbiger noch verdächtig machte, wenn man Lesen und Schreiben konnte.
Ebenfalls mit dabei sind die gebildeten Christian von Stetten, mittelstandspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Arthur Mashuryan, armenisch-stämmiger Unternehmer aus Rheinland-Pfalz, der sich in Deutschland bis heute nicht richtig heimisch fühlt. Und später in die Runde gebeten werden sollen Nicola von Hollander nebst Beq Zeqiri live aus dem Kosovo. Sie ist eine aus bäuerlichen Verhältnissen stammende Fernsehredakteurin, die Zeqiri gerne für den Hof der Eltern anstellen will, aber bisher an der Bürokratie der deutschen Behörden scheiterte. Das soll wohl beispielhaft sein, aber leider weiß man nun vorher schon, was kommt.
Interessanter wird sein, wie werden sich die Einwanderungsbefürworter Mut machen angesichts der nicht erschienen Massen an gut ausgebildeten Fachkräften? Und wird Jörg Meuthen wieder den Spielverderber geben, mitten hinein in diesen neu aufgewärmten Einwanderungsenthusiasmus? Eines ist aber sicher: Alles wird bei Maischberger besser werden als das elende Dazwischen-Gejammer eines politischen Zombies im heute journal: Ex-Außen Joschka Fischer quasselt ein paar Sekunden mit altbekannter Leidensmiene über Europa, fast so, als wäre ausgerechnet er der Baumeister. Das Interview gäbe es in voller Länge im Internet, erklärt Kleber noch anschließend. Aber warum? Wer zum Henker möchte den schauen?
Nach Becks Problem, Meuthen auf die Haltungsbank
Aber die Moderatorin wechselt schnell vom Chrystal Meth, das sie nur kurz andeutet wie eine in der Garderobe abgesprochene Lausbüberei zum deutschen Fußball als Integrationserfolgsmodell, zur Frage, ob wir ohne Migrantensöhne wirklich Weltmeister geworden wären und zur Causa Gauland, die Meuthen nun zu erklären hat. Also alles wie gehabt.
Beck spricht von einer rassistischen Haltung Gaulands, erwähnt den Schießbefehl von Frauke Petry und will ein Muster erkennen. Maischberger fragt Meuthen, ob Gauland nicht vielleicht doch ein Problem mit schwarzen Menschen hätte. Ach je … wann noch mal beginnt das Thema des Abends? Es ist 23 Uhr, Zeit genug wäre ja noch. Christian von Stetten freut sich, dass Boateng beim Wasserfußball gegen die Slowakei die Mannschaftskapitänsbinde getragen hat. Na gut. Nun noch die Pilgerreise nach Mekka von Özil? Na klar, kommt auch. Und wieder ist Jörg Meuthen dran, sich dazu zu positionieren. Auch dazu, warum Özil die Hymne nicht mitsingt. Findet er schade, mehr aber auch nicht. Er könne ja selber nicht gut singen. Vielleicht hätte Özil das selbe Problem. Und grinst sich einen. Keiner lacht.
Spät zum eigentlichen Thema
Fast 30 Minuten rum, immer noch Gauland, immer noch Jörg Meuthen im Kreuzfeuer. Der erinnert nun zivilisiert genervt an das Thema des Abends. Funktioniert. Arthur Mashuryan erzählt aus der Perspektive des Migranten. Er bemängelt, dass er immer noch auf das Äußere reduziert wird und täglich seine erfolgreiche Integration beweisen müsste. Man fühle sich beobachtet. „In Deutschland gibt es keinen Raum für Fremde, sich emotional zu binden.“ Das klingt traurig. Die Fremdheit ist ein grauer Anzug, der angewachsen ist. Die Frage stellt sich hier allerdings, inwiefern dieses Gefühl von der Sorge der Deutschen angesichts der massiven Zuwanderung der letzten Monate noch verschärft wird. Man ist endlich beim Thema angekommen, denn das wäre ja, was die vielen Einwanderer zu erwarten hätten, die hier bleiben wollen oder müssen.
Die taz-Redakteurin findet es erstaunlich, dass es nur dort Ängste gäbe, wo gar keine Ausländer wären. Das erinnert an Angela Merkels jüngste Aufforderung im Interview mit der BUNTEn, sich doch einfach mal kennenzulernen: „Jedem, der Angst verspürt, empfehle ich, wenn sich dazu irgendwie Gelegenheit bietet, einen Menschen, der zu uns geflohen ist, einfach mal persönlich kennenzulernen.“ Man merkt, wie die taz und ihre Kanzlerin lebt: Dass wir ungefragten Normalos im Kindergarten, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Fußballverein selbstverständlich mit Migranten leben – für die Kanzlerin und ihre Hofschranzen der journalistischen Belehrungszunft ist das ganz neu. Das Leben lebt eben außerhalb der Berliner Privilegierten-Ghettos. Weiße unter sich. Draussen der bunte Pöbel.
Beck meint, für die High-Potentials (Fachkräfte) würden einfach die Bedingungen in Deutschland fehlen. Eine bemerkenswerte Wendung in der Sendung: Zunächst ging es ihm um Dumme für seine Bettpfanne, jetzt blechert der von High Potentials. Der Mann ist also obendrein noch ein Wendetalent.
Dabei wirkt Beck in der Sendung zunehmend fahriger, die Stimme immer noch blecherner. Man möchte den Regisseur bitten, ihn mal nicht ins Bild zu nehmen, damit er sich diskret erfrischen kann, für die nächsten 20 Minuten. Es gilt durchzuhalten, wo doch jetzt Christian von Stetten Beck relativiert und daran erinnert, dass das auch ein Sprachproblem wäre. Deutsch wäre eine schwierige Sprache und die Fachleute könnten bereits Englisch. Deshalb wären die englischsprachigen Länder einfach attraktiver. Fehlt nur noch die Aufforderung, dass wir, wenn wir schon nicht Arabisch schaffen, komplett ins Englische wechseln. Anpassung ist die Devise.
Muckimänner?
Nun kommt Nicola von Hollander dazu. Sie suchte einen „Muckimann“ für die körperlichen Arbeiten auf dem elterlichen Hof, fand aber keinen Deutschen, der das leisten konnte oder wollte. Dann kam man auf die Idee, einen Flüchtling einzustellen, das scheiterte aber zunächst an der Sprache, bis man Beq Zeqiri kennenlernte, der schon Deutsch konnte, aber dessen Asylantrag abgelehnt wurde. Der Mann ist heute wieder im Kosovo. Es ist zwar klar, wo es langgehen soll, aber es ist auch klar, dass das Kosovo heute als sicheres Herkunftsland gilt. Nicola von Hollander gesteht dann auch etwas kleinlaut, das sie das alles auch auf sich genommen hat um mal zu testen, wie das überhaupt so laufen würde mit den Behörden. Na ja, das klingt alles ziemlich unausgegoren. Man kann ja nicht ernsthaft behaupten, es fände sich heute keine ungelernte Arbeitskraft auf dem europäischen Arbeitsmarkt, wenn man einen angemessenen Lohn zahlt. Damit hat das Duo Hermann & Beck einen dritten Teilnehmer: Die Dame, die den Muckimann für ihr handgemähtes Gras sucht. Die grüne Forderung nach dem Ende der Agrarfabriken findet hier ihre Fortsetzung: Syrer auf die Felder und in die Tenne! Mit Sense und Dreschflegel. Eine Chance im Krieg gegen die Mähdrescher. Natürlich würde sie ja Mindestlohn zahlen. Auf die Idee, dass mit handgemähtem Gras von Nebenerwerbslandwirten vielleicht keine moderne Volkswirtschaft aufgebaut werden kann und Renten sowie so nicht – darauf kommt ja niemand in der Runde. Weder von der Stetten noch Meuthen haben den Mut, das auszusprechen: Es ist nicht Aufgabe der Asylpolitik, jemandem den persönlichen Muckimann zu besorgen, weder für Becks Altersruhesitz im Pflegeheim noch für adelige Gutsbesitzerinnen mit Hang zu Muckimännern aus dem Kosovo.
Das Kosovo-Beispiel trägt nicht
Beq Zeqiri wird zugeschaltet aus dem Kosovo, wo er bisher leider keine Arbeit gefunden hat. Das ist alles traurig, aber man fragt sich, wie dienlich das nun für das Voranbringen des Themas des Abends ist. Nach 45 Minuten ist man noch nicht einmal ansatzweise bei den Hunderttausenden angelangt, die ohne Sprachkenntnisse und großteils mit geringer Bildung mitten in Deutschland auf irgendeine Arbeit warten oder mindestens auf eine Beschäftigung, die das Leben lebenswerter macht, die einem das Gefühl gibt gebraucht zu werden, irgendwie für sich selbst sorgen zu können. Es wirkt nun langsam so, als würde man sich um das Thema drücken, weil nichts Neues dazugekommen ist.
Christian von Stetten erklärt sicherheitshalber noch mal den Unterschied zwischen
Asylsuchenden, die verfolgt werden und Menschen, die einfach Arbeit in Deutschland suchen. Tatsächlich scheint die gesamte Runde die Rezeption der letzten Monate entweder versäumt, verdrängt oder vergessen zu haben. Beck erzählt, als wäre er monatelang nicht da gewesen. An der Stelle verbeißt man sich dann den bissigen Kommentar zur Causa Beck. Erstaunlich allenfalls, dass Jörg Meuthen und Volker Beck, die einträchtig nebeneinander sitzen, ganz gut miteinander zurecht kommen. Finden da aktuell zwei ähnlich negative Erfahrungen mit der Presse zusammen? Oder ist Beck einfach nur erleichtert, dass der AfDler diese Chrystal-Meth-Steilvorlage nicht gegen ihn verwenden mag? Ein einfaches wäre es ja gewesen, dem Moralapostel mal vorzuführen. Aber Meuthen verzichtet. So wie er auch darauf verzichtet, Beck diese ganze Päderastie der Grünen aufzutischen. Immerhin war es Beck, wie die WELT weiß, der dereinst Sex mit Zwölfjährigen straffrei machen wollte. Aber Jörg Meuthen ist eben nicht Pirincci. Glück für Beck.
Was haben wir nun gelernt? Streit gab es keinen. Beck ist wieder Beck. Na ja, irgendwie jedenfalls. Meuthen ist Meuthen und kein Teufel. Die Kollegin von der taz hat nichts zu erzählen, zu abseitig sind ihre lebensfremden Thesen, als dass irgendwer in der Runde überhaupt Lust hätte, dagegen zu halten. Das war es schon. Nett war es. Wenn man es gerne nett hat. Viele Zuschauer haben es nicht so nett. Auf Facebook und Twitter allerdings entlädt sich die Wut auf Beck. Er ist für viele mittlerweile der Inbegriff des Politikers, der rücksichtslos stets das Böse will und nie das Gute schafft. Man hätte auch „Die Auswanderer“ schauen können oder was sonst so im Prekariatsfernsehen läuft. Aber dann hätte man Beck nicht gesehen. Er ist jede Sendung wert. Schließlich hat er gerade den Katholikentag entwertet – wer aus moralischer Entrüstung die AfD auslädt, kann eigentlich auch einem wie Beck kein Podium geben. Das haben die Reaktionen auf den Katholikentag gezeigt – der Katholikentag hat sich selbst entwertet. Aber Talkshows sind keine Moral verpflichtet, sondern der Quote. Und da haben wir Maischberger zu danken, dass sie ihn so sanft wie wirkungsvoll sich selbst darstellen lässt. Dazu braucht man Mut.
Hier wird übrigens demnächst ein Sonderkonto eingerichtet. Damit Volker Beck seine Reha nicht auf den Polstern des Bundestags, sondern in einer Klinik vollenden kann – in der fachkundiges Pflegepersonal ihn unterstützt und nicht irgendwelche vielleicht anderweitig netten, aber ansonsten für anspruchsvolle Jobs Unqualifizierten.