Doch, dieser Abend war einigermaßen überraschend. Wie soll es weitergehen mit der Ukraine? Panzer schicken? Oder lieber Diplomaten? Das waren die zentralen Fragen, die Sandra Maischberger klären wollte. Die wichtigsten Gäste: Sahra Wagenknecht von der Linken und Gerhart Baum (FDP) von den Alten. Der ehemalige Bundesinnenminister wirkt borniert, stur und absolut beratungsresistent. Schade.
Stellt Wagenknecht Fragen oder hat Wagenknecht Zweifel, so antwortet er meist mit einem Whataboutism oder, noch schlimmer: mit Kopfschütteln. Die Welt ist für Baum ganz klar. Putin böse, Ukraine gut und edel von der politischen Gestalt. Aus seinen Äußerungen spricht blinder Hass auf den Mann im Kreml. Der muss weg, koste es, was es wolle – an Menschenleben in der Ukraine.
Denn Wagenknechts Appell ist eindringlich: Diesen Krieg muss der Westen mit Diplomatie lösen. Lieber früher als später. Denn dass er irgendwann nur durch Diplomatie gelöst werden wird, das steht für die Linken-Ikone außer Frage. Baum aber bezweifelt beides: dass Diplomatie helfen würde oder dass auch nur der Westen gefordert sei. „Die Ukraine selbst“ müsse das zunächst mal entscheiden, ist für ihn klar.
Was ist Putins Wort wert?
„Wir haben Verträge gemacht mit Russland“, sagt Baum, aber heute sei alles ein „vertragsloser Zustand, gesetzloser Zustand“. Auf Putins Wort will er sich nicht verlassen.
Wenn Wagenknecht amerikanische Militärs zitiert, die eindringlich vor einer Eskalation warnen, tut Baum das mit einem Federstrich ab. Er kann kaum an sich halten, möchte ihr am liebsten ins Wort fallen. Immerhin: Er lässt sie – mit kleinen Unterbrechern – dennoch aussprechen, so viel Etikette muss man ihm attestieren.
Bei Baum verfängt das Argument auch nicht. Seine Analyse: „Der Putin ist nicht friedensfähig!“ Und an Wagenknecht gerichtet: „Ihre Analyse geht an der Realität vorbei.“
Baum stellt fest, „dass die Russen momentan ökonomisch absacken“. Sie seien bereits „auf dem Niveau von Portugal“. Für letztes Jahr meldete der Internationale Währungsfonds (IWF) tatsächlich eine schrumpfende Wirtschaft – sagt aber für dieses und das nächste Jahr wieder Wachstum voraus. Zur Ukraine sagt er: „Das ist kein korruptes System.“ „Das ist eine Demokratie, die aufwächst.“
Wagenknecht kontert: „Ich halte die Erzählung, dass in der Ukraine die Freiheit und die Demokratie verteidigt wird, dass dort Demokratie gegen Autokratie kämpft, für eine falsche Erzählung. Es kämpft dort der russische Oligarchen-Kapitalismus gegen den ukrainischen Oligarchen-Kapitalismus. Die sind beide ein korruptes System.“ Baum hält empört dagegen. Wagenknecht kritisiert, dass in der Ukraine Medien zensiert werden, die Opposition verboten ist. „Ob unter diesen Umständen eine authentische Umfrage zustande kommt, halte ich für zweifelhaft“, sagt sie.
Baum wischt das weg: „Ach was“, ruft er erbost. Kann nicht sein, darf nicht sein, ist nicht so. „Putin beschuldigt uns, und das bestürzt mich zutiefst, dass wir diese angeblichen Nazis unterstützen.“ Baum schreit es geradezu heraus und zittert dabei. Nazis in den ukrainischen Kräften bleiben ein Streitpunkt in der Diskussion. Für Baum sind Putins Nazi-Erzählungen „eine Unverschämtheit“.
Die Krönung dann, als Wagenknecht kritisiert, nun würden also wieder „deutsche Panzer auf russische Soldaten schießen“. Baum antwortet: „Na und? Wenn es hilft?“
Kunst ist immer kulturelle Aneignung
Noch ein alter Mann ist zu Gast an diesem Abend: Helge Schneider, der „Meister der versandeten Pointen“, wie Maischberger zur Begrüßung sagt. Er geht am Stock („Isch hab Knie“) und wirkt ausgelaugt, aber was er sagt, hat Hand und Fuß. Es klingt nur pseudo-banal und ist doch vielleicht eine Art von Meta-Philosophie. Schneider: „Ich sag mal so: Ich kann keinen Panzer bauen, ich kann kein Gewehr bauen, ich kann gar nicht schießen. Ich kann überhaupt nix. Ich hab überhaupt keine Ahnung davon. Und wovon ich keine Ahnung hab, da sprech ich gar nicht drüber.“
Ein Satz, an dem sich andere Schreibtisch-Kriegshelden durchaus ein Beispiel nehmen könnten. Die Kiesewetters etwa, oder die von der Leyens, die zusehen, wie an fremden Gestaden die Menschen in den Krieg ziehen und lächelnd (!) zugeben, dass die eigenen Kinder nicht einmal in der Bundeswehr Dienst tun.
Maischberger kommt mit so einem simplen und doch so klaren Weltverständnis einfach nicht klar. „Kulturelle Aneignung“ versucht sie immer wieder. Doch der Mann ist eben Künstler. Leider, auch das muss man eingestehen, hat er seine Witzigkeit verloren. Aber seine Ernsthaftigkeit mag einem auch irgendwie gefallen.
Was sonst noch geschah an diesem Abend
Maischberger fragt Wagenknecht ungefähr zehnmal, ob sie nun eine neue Partei gründet oder nicht. Die lässt sich nicht weichklopfen. „Wenn ich das einmal tue, werden Sie es garantiert erfahren.“
Moderator Cherno Jobatey rät dem CDU-Chef Friedrich Merz zur Gelassenheit, wenn der von Marie-Agnes Strack-Zimmermann in der Karnevals-Bütt persönlich diffamiert wird. Moment mal, Cherno „Buchstabensuppe“ Jobatey? Der Mann, der einst die Sendung „Zimmer frei“ verließ, weil man ihm – einem Legastheniker – Buchstabensuppe, haha, servierte? Ja, genau der. Jetzt ist er offenbar ebenfalls altersmilde. Zumindest, wenn es um Andere geht.
Für Welt-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld gehört Nancy Faeser im Kabinett Scholz „nicht unbedingt zu Vatis Besten“.
Und Spiegel-Kollege Markus Feldenkirchen stimmt ein Hohelied auf die ach so aufrechten Klimakleber an, die nach Feierabend sehr gern nach Bali fliegen dürfen. Jede Kritik daran sei „spießig“. Rosenfeld nimmt das gekonnt auf die Schippe: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, ich würde heute noch ein Flugzeug besteigen.“