Tichys Einblick
Pseudo-Kulinarisches zum Dienstagabend

Bei Maischberger: Steinbrück, Scholz – und Senf in Tuben

Eilmeldung: Maischberger entdeckt neue semantische Tiefseegräben im Talkshow-Ozean! Senf in der Tube, Senf raus aus der Tube. Senf auf dem Boden, Senf auf der Wurst. Dazu noch die Top-Themen unserer Zeit: Deutschlands neue Kriegslust und Merkels neues Buch. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Maischberger

Klingt bis hierher ein bisschen wirr, stimmt’s? Verzeihung, aber das Niveau der Sendung hat uns kalt erwischt. Maischberger am Dienstag, das war eine Aneinanderreihung von Nebensächlichkeiten, das bekannte Weglassen wesentlicher Probleme und Fakten, das übliche Framing. Diesmal allerdings mit Stilblüten, die schon arg an die semantische Substanz gehen und die Nerven strapazieren.

Wenn Maischberger beispielsweise den Altgenossen Peer Steinbrück, seit 55 Jahren in der SPD, fragt, ob Olaf Scholz wohl der richtige Kanzlerkandidat ist, dann wird er kulinarisch. „Der Senf ist aus der Tube, und Sie kriegen den Senf nicht wieder in die Tube rein, also was soll’s?“, sagt Steinbrück. Maischberger antwortet todernst: „Die Tube ist dann leer, ne?“ Und Steinbrück: „Jo, also man soll wenigstens jetzt nicht noch in den Senf reintreten.“ Maischberger: „Ja, man könnte aber fragen, ob der Senf nicht auf der Wurst besser wär.“ Steinbrück hat noch etwas Neues in der Kühlschranktür entdeckt: „Die Milch ist vergossen!“, sagt er. Zum Glück steigt Maischberger darauf nicht auch noch ein.

Was um Himmels willen sollen uns solche Sätze sagen? Ein Bautz’ner Bilderrätsel? Ausdruck allgemeiner Politiker-Lethargie, Langeweile und Ödnis? Man weiß es nicht.

Merz vergibt seine historische Chance
Merkel ist wieder da, dabei war sie nie weg
Apropos Ödnis: Noch ein Thema, das keines ist, beschäftigt diese Sendung intensiv – die Memoiren der Altkanzlerin Angela Merkel. „Das Buch ist natürlich ’ne furchtbare Ödnis“, urteilt Focus-Kolumnist Jan Fleischhauer schroff. „Es ist genau diese Merkel-Prosa, mit der sie das Land narkotisiert hat.“ Der Verriss bringt ihm spontanen Szenenapplaus aus dem Publikum. Selbst die Moderatorin Amelie Fried fällt ein vernichtendes Urteil: „Diesem Buch fehlt die Emotionalität, das Menschelnde.“ Sie empfiehlt Merkel den Besuch eines Kreativ-Seminars, das – welch Zufall – Amelie Fried selbst anbietet. Nur Taz-Antiwirtschaftsredakteurin Ulrike Herrmann nimmt Merkels 752-Seiten-Schwarte in Schutz. Gelesen hat sie den Brocken zwar nicht, aber ein Zeitungsinterview dazu studiert. Nun gut, Taz-Niveau, das ist wie Tube leer.

Auch Robert Habeck ist Thema des Abends. Fleischhauer kritisiert die Mimosenhaftigkeit des Vizekanzlers. Und die unerbittliche Härte, die Habeck zugleich an den Tag legt, wenn er einfache Bürger mit frühmorgendlichen Hausdurchsuchungen einschüchtern lässt. Etwa jenen bayerischen Rentner, der es gewagt hatte, einen Spott-Meme über Habecks offensichtliche Kompetenz-Abstinenz weiterzuverbreiten. Die „Schwachkopf-Affäre“ ist für Fleischhauer das Sinnbild Habeck’scher Schizophrenie. Auf der einen Seite spiele er den „sensiblen Robert, der zu den Leuten an den Küchentisch kommt“, um über Probleme zu sprechen. Aber zugleich sei er eben auch „der Mann, der dann die Polizei losschickt, um bei dem armen Rentner die Tür einzutreten“.

Maischberger nimmt Habeck sofort in Schutz. Er habe ja nur die Anzeige „in die Wege gesetzt“ – so als ob es erst dann schlimm wäre, wenn Habeck höchstselbst die Tür eintreten würde. Auch Amelie Fried schlägt sich auf die Seite des Ministers. „Hass ist keine Meinung. Ich finde es in Ordnung, dass er diese Anzeigen macht.“ Klingt für eine Kreativseminar-Anbieterin einigermaßen unkreativ. Eher mainstream-zeitgeist-anbiederschleimig, um es mal kreativ zu verpacken.

Immerhin, im Zuschauer keimt Hoffnung auf: Wenn nach dem politischen Ende des Robert Habeck die Folge „Bauer sucht Frau“ kommt, stehen vier Kandidatinnen bereits Schlange: Melanie Amann, Caren Miosga, Sandra Maischberger und Amelie Fried. Wir freuen uns schon auf die Off-Stimme: „Wer wird wohl das Herz des heiteren Hühnerzüchters erobern, die ratlose Redakteurin, die ihre eigene Stadt nicht kennt? Die schmachtende Sonntags-Talkerin, die mit den Augen Heiratsanträge machen kann? Oder ist es die servile … ach, lassen wir das. Dieser Senf bleibt in der Tube.

Nochmal Olaf Scholz, das hätten wir fast vergessen (sic!): Dass der Mann „nicht Prinz Charming ist, ist nicht neu“, ätzt Steinbrück. Doch dass Scholz als Kanzlerkandidat für die SPD antritt, sei richtig, denn: „Auf manchen Feldern hat er sich als kompetent erwiesen.“ Wo genau Steinbrück das ausgemacht haben will, muss er leider nicht erläutern, denn Maischberger hakt nicht nach. Steinbrück habe auch nicht den Eindruck, „dass Scholz den Jo Biden abgibt“. Und er glaubt auch nicht, „dass Pistorius Mister Harris wird“.

Damit wären die angeblich wichtigsten Fragen dieser Tage also geklärt.

Die Zeiten sind hart für Deutschland, das weiß auch Steinbrück. Vor allem die Wahl Donald Trumps werde schwere Folgen haben. „Es ist Zahltag. Das wird diese Regierung sagen müssen. Bezogen auf die Sicherheit. Das sind rauhere Zeiten, das sind schwierigere Zeiten.“

Klaus-Rüdiger Mai und Uwe Tellkamp im TE-Talk
Die Schadenskanzlerin - Das böse Erbe Merkels
Ob die SPD die richtige Partei für eine neue Regierung ist? Maischberger lässt dazu den gefeuerten Finanzminister Christian Lindner (FDP) einspielen, der ausgerechnet Peer Steinbrück damit zitiert, die SPD habe in Sachen Wirtschaft ein zu kurzes Bein und laufe daher immer im Kreis. Steinbrück sieht’s und fühlt sich ertappt: „Noch ein Zitat von ihm in dieser Art, und ich bin tot, ’ne?“ Aber die CDU sei jedenfalls keine Alternative, schon gar nicht mit einem Markus Söder, der dauernd seine Meinung ändere: „Das ist so’n bisschen wie so ’ne lose Kanone an Deck, da kann auch viel kaputtgehen.“ Höhöhö, das Publikum wacht kurz auf.

Als es um die Ukraine geht, darf der Generalinspekteur der Bundeswehr antreten. Carsten Breuer, wegen seiner Ähnlichkeit mit dem britischen Komiker Rowan Atkinson auch „Mr. Bean in Uniform“ genannt, hat wenig Witz im Marschgepäck. Der General, grau uniformiert und mit einer ganzen Mosaikwand an Verdienstabzeichen beeindruckend dekoriert, warnt vor einer neuen Eskalationsspirale. Allerdings nicht wegen der möglichen Lieferung deutscher Taurus-Langstreckenwaffen, sondern wegen der neuen Hyperschall-Rakete, die Russland zur allgemeinen Überraschung des Westens erst vor wenigen Tagen präsentierte. Sie schlägt mit Mach 15 ein (3 km pro Sekunde) und kann von keinem Abwehrsystem gestoppt werden.

Putin habe „sehr deutlich gemacht, dass er mit dieser Waffe Ziele in ganz Europa erreichen kann“, sagt Breuer, und das finde er „sehr zynisch“. Sagt ausgerechnet der Mann, der als Leiter des Corona-Krisenstabs noch vor kurzem selbst ein eher zweifelhaftes Verhältnis zu Redlichkeit und Zynismus an den Tag gelegt hat (was der Wikipedia übrigens ganze zwei Zeilen wert ist). Breuers Rezept, wie er es schon oft geäußert hat, lautet: „Wir müssen kriegstüchtig sein. Weil wir uns damit einfach klarmachen, was auf uns zukommen kann.“ Wir lernen: Zynismus kann nicht nur Putin.

Oder anders gesagt: Deutschland, mach Dich bereit. Der Senf ist aus der Tube.

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