Es hat gedauert, aber Sandra Maischberger hat das Thema Wohnen und Bauen entdeckt. Sicherlich war es nur Zufall, dass sie dieses Thema ausgewählt hat, nachdem Olaf Scholz eine Woche vorher eine Konferenz zu diesem Thema abhielt. Eine Konferenz, in der Sachverständige nicht mehr als Nick-Komparsen waren, die die Ideen der Regierung absegnen sollten. Tichys Einblick berichtete. Ebenso zufällig war Bauministerin Klara Geywitz zur Diskussion im Studio. Mit Geywitz darf Thomas Heilmann von der CDU diskutieren. Das ist der CDUler, der wenigstens eine kurze Zeit lang das Gebäudeenergiengesetz mit einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht aufhielt. Kurzzeitig, denn nun wurde es von der Ampel beschlossen und soll nachträglich nochmal nachgebessert werden.
Scholz hatte am Anfang seiner Kanzler-Legislatur versprochen: 400.000 neue Wohnungen sollen gebaut werden, pro Jahr. 2022 wurden aber nur 295.000 gebaut, in diesem Jahr werden es wohl 223.000 werden, im nächsten Jahr gar nur 177.000. Das Ziel ist also weit, weit verfehlt. Dabei wächst die Bevölkerung, vor allem in den Großstädten wegen Migration und immer weiterer Urbanisierung schnell an.
Geywitz versucht zu erklären, woran das Bauen leidet. Hohe Zinsen will sie dafür verantwortlich machen – und unterschlägt, dass auch in der Niedrigzinsphase zu wenig gebaut wurde. Sie will „strukturelle Reformen“: Serielles Bauen, Digitalisierung, eine Ausweitung der Kapazitäten. Heilmann findet, das Versprechen des Kanzlers war „leichtsinnig“. Die Versuche des Kanzlers, die Bauwirtschaft zu stützen, findet er „nicht ausreichend“. Wobei sich die Frage stellt: Was soll der Kanzler noch machen? Die Bundesregierung hat so viel Geld ausgegeben, dass sie nun in der eigens ausgehobenen Grube sitzt: mehr Geld ist einfach nicht da. Die Schuldenbremse muss eingehalten werden, noch mehr Geld lässt sich auch nicht in einem Schattenhaushalt von Sondervermögen und Schulden aufbauen.
Am Klimaschutz rütteln für den Bau?
Was einen aufhorchen lässt in dieser Sendung, ist, dass die Klimaverbände wenigstens kurz in ihre Schranken verwiesen werden sollen. Zumindest von den beiden Diskutanten. Maischberger bricht dagegen weiter eine Lanze für den Klimaschutz. Denn die Moderatorin will wissen: Plant die Ministerin eine Lockerung der Umweltstandards? Das ist die Befürchtung der Umweltverbände, die aus einem unerklärlichen Grund in der Bauindustrie eine wichtige Stimme haben. Konkret sollen die Vorschriften zur Energieeffizienz von Neubauten nicht weiter verschärft werden. Und tatsächlich: Sowohl Ministerin als auch Oppoositionsdarsteller finden eine Verschärfung der Energieeffizienzregeln unangemessen. Was der Bauwirtschaft egal sein könnte, droht doch das EU-Parlament schon mit Sanierungspflichten und Aktenbergen neuer Vorschriften.
Das heißt aber nicht, das Geywitz erkannt hätte, dass ewige Staatsinterventionen schädlich sein können. Für sie sind eben nur diese Regulierungen und Eingriffe schädlich. „Das Ziel ist es, den Bauherren und Ingenieuren eine große architektonische Freiheit zu geben“, sagt sie. Sehr nett, dass die Ministerin für Bauen und noch irgendwas den Bürgern ein bisschen Freiheit geben will.
Heilmann gehört derselben Art Politiker an. Er fordert Änderungen am Gebäudeenergiengesetz, weil bestimmte Technologien nicht die Anerkennung finden, die er sich wünscht. Sich aus dem Bauen rauszuhalten, kommt auch ihm nicht in den Sinn.
Mehr Staat ist nicht mehr gut
In Geywitz reift die revolutionäre Erkenntnis: „Manches, was wir uns geleistet haben an Eingriffen auf Bundesebene, auf Landesebene (Grunderwerbssteuer) und Abgaben, die auf kommunaler Ebene beschlossen wurden, kann man nicht mehr realisieren, weil die Finanzierungskosten nach oben gegangen sind.“ Was die SPD-Frau zu sagen versucht: Vielleicht ist es keine gute Idee, wenn der Staat an jeder Ecke die Hand aufhält, wenn jemand bauen möchte. Maischberger gibt das Wort sichtlich verwirrt an Heilmann weiter — dass Steuern die Bürger ausbluten lassen können, versteht die rundfunkabgabenfinanzierte Talkerin nicht.
Irgendwann will Maischberger es dann doch wissen: Wann wird die Bundesregierung die 400.000 neugebauten Wohnungen pro Jahr erreichen? Geywitz versucht sich wieder aus der Schlinge zu ziehen, die perfekte Beliebigkeit eines Scholz hat sie aber noch nicht erreicht. Die Zinsen seien zu hoch, „wenn sie runter gehen“, wird mehr gebaut. Heilmann widerspricht richtig: Die Zinsen gehen auf absehbare Zeit nicht mehr runter. Und vier Prozent sind auch kein unglaublicher Zinssatz auf einen Baukredit. Jedenfalls nicht in einer gesunden Wirtschaft.
Maischberger bohrt nach: werden die 400.000 Wohnungen Neubau im Jahr in dieser Legislaturperiode erreicht? Nein, muss auch Geywitz zugeben.
Im Einzelinterview soll Christopher Clark die aktuellen Diskussionen historisieren. Er eröffnet mit einem Vergleich der preußischen- und neudeutschen Diskussion zum Verhältnis mit Russland. Er will auch erklären, wie Wladimir Putin die Bundesrepublik einlullen konnte. Alles ganz nett, aber wie viele Ukrainesendungen: Am aktuellen Geschehen vorbei. Clark zeichnet sich dadurch aus, dass er zwar keine Friedenslösung fordert, aber doch anerkennt: „Auch nach dem Krieg müssen wir mit Russland leben“. Der viel wiederholte Satz, dass nicht alle Russen Putin sind, wird von ihm glaubhaft vorgetragen. Das heutige will er auf das gestrige spiegeln: nett anzuhören. Ob man ihm zustimmen will, muss man selbst entscheiden.