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Militärexperte Ischinger bei Maischberger: „Wir haben im Moment ein intellektuelles und politisches Chaos“

Die deutsche Debatte um den Ukraine-Krieg hat sich verändert. Die Forderung nach einer Kapitulation ist vom Tisch. Doch umgehen mit den Anforderungen können wir immer noch nicht, wie die jüngste Sendung von „Maischberger“ zeigt.

Screenprint: ARD / Maischberger

Wolfgang Ischinger ist Präsident des Stiftungsrats der Münchner Sicherheitskonferenz. Zuvor war er 14 Jahre lang ihr Vorsitzender. Damit war er an der Neu-Ordnung der europäischen Kräfte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beteiligt. Wenn er heute von der Ohnmacht spricht, mit der Deutschland auf den Krieg an der Nato-Grenze reagiert, dann ist er einerseits ein kluger Beobachter. Aber halt andererseits auch jemand, der es soweit hat kommen lassen.

Aber Dinge ändern sich. Auch Debatten. Wie sehr sich die deutsche Debatte zum Ukraine-Krieg geändert hat, zeigt die jüngste Maischberger-Folge. Die von Alice Schwarzer in einem Offenen Brief aufgestellte Forderung, Deutschland solle keine Waffen liefern und die Ukraine sich am besten ergeben. Oder die Behauptung des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), deutsche Waffenlieferungen würden zum Atomkrieg führen. All das ist zwar weiter Thema. Aber nur noch als Anlass, um den Thesen zu widersprechen. Zumindest verbal hat der Krieg in Deutschland eine neue Stufe erreicht.

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Entgegen den Thesen des Kanzlers ist Deutschland keine Kriegspartei. Zumindest nicht im heißen Krieg. Doch es gibt auch einen „Informations-Krieg“, sagt Ischinger. Und den hat seiner Meinung nach die Ukraine bisher „Zehn zu Null“ gewonnen. Militärisch sei die Ukraine weit von dem Punkt entfernt, dass sie kapitulieren müsse. Doch auch Russland sieht er genauso weit von einem militärischen Sieg entfernt. Entsprechend rechnet Ischinger nicht mit einem schnellen Frieden.

Allerdings fehle es dem Westen an einem koordinierten Verhalten: „Wir haben im Moment ein intellektuelles und politisches Chaos.“ Europa wolle der Ukraine helfen, die USA gingen einen Schritt weiter, die Amerikaner wollten Russland nachhaltig schwächen. Ischinger bekennt sich – vorsichtig wie ein Diplomat – zum „Team Russland schwächen“. Schweden und Finnland will er in die Nato aufnehmen. Sogar die Ukraine. Zwar habe Wladimir Putin mit dem Atomschlag gedroht. Doch diese Drohung sei nicht mehr glaubwürdig.

Und letztlich sieht Ischinger seine eigene Position als Pragmatismus: „Wer sonst soll dem Land (Ukraine) die nötigen Sicherheitsgarantien geben?“ Die Türkei werde ihren Widerstand gegen Erweiterungen der Nato zu einem gewissen Preis aufgeben. Zu Ende wird der Krieg erst sein, prophezeit Ischinger, wenn Russland seine Truppen hinter die alten Grenzen zurückzieht.

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Wobei der Diplomat Ischinger verbal sicher ist. Doch wie unsicher Deutschland praktisch ist, dafür ist Klaus Müller (Grüne) ein schöner Beleg. Der Präsident der Bundesnetzagentur ist einer breiten Öffentlichkeit ins Auge gefallen, als er in einem Interview die Deutschen aufforderte, nicht mehr täglich zu duschen. Um Putin zu besiegen. Ob die Grünen nicht schon immer Gründe gesucht hätten, die Deutschen zum Energiesparen aufzufordern, will Maischberger wissen. Er lacht. Treffer. Versenkt.

Doch Müller wäre kein Grüner, wenn er nicht jedes Rennen im Zurückrudern gewinnen würde: Der Solidaritätsgedanke … in einer Notlage … Solidaritätsgedanke. Um das mal zu übersetzen: Die Grünen können die Deutschen noch nicht offen zum Wohlstandsverzicht auffordern, auch wenn er im Interview gedacht hat, es wär’ schon so weit. Bis die entsprechenden Kampagnen Früchte zeigen, muss sich Müller also mit dem oben skizzierten Rumgedruckse helfen. Immerhin seien die Gasspeicher zu 42 Prozent gefüllt und es gebe die Zwischenlösung Flüssiggas.

Die Frage nach der Atomkraft erspart Sandra Maischberger dem grünen Funktionär. Eine Schwäche. Trotzdem betreibt sie derzeit die beste unter den politischen Talkshows. Die Zuschauer goutieren das. Vergangene Woche lag Maischberger vor Lanz. In den Konzepten der beiden Sendungen gibt es einen entscheidenden Unterschied: Maischberger trennt die Teilnehmer. Es gibt ein „Panel“, an dem Journalisten sitzen und es gibt Einzelgespräche mit der Moderatorin oder von ihr moderierte Dialoge. Der Dialog fällt dieses Mal aus, weil die ehemalige Gazprom-Führungskraft Igor Wolobujew nicht zugeschaltet werden kann.

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Maischbergers Konzept hat einen großen Vorteil: Es löst die ritualisierten Konflikte auf, die in anderen Talkshows auch bei Themen gepflegt werden, bei denen sie nicht angemessen sind und dem Zuschauer keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringen. Doch das Konzept hat auch einen großen Nachteil. Es spült Gäste in die Sendung, die dort nicht hingehören, und es verschwendet hochkarätige Gäste, die an diesem Katzentisch abgespeist werden.

Viel zu schade für dieses Panel ist Günther Jauch. Er hat bereits sonntags in der ARD bewiesen, dass er das Format Talkshow viel besser beherrscht als seine Nachfolgerin Anne Will. Seine Analysen bei Maischberger sind bestechend klug: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der sein Amt nicht im Griff habe. Der Eurovision Song Contest, bei dem die Politik wichtiger geworden sei als die Musik. Oder Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die ihr Amt bekommen habe, weil sie gewisse Quoten erfüllt habe. Aber diesen Proporz, so Jauch, gebe es ja auch „dem Vernehmen nach“ bei den öffentlich-rechtlichen Sendern.

In diesem Moment hat die Regie ein brillantes Händchen. Sie schwenkt um auf die beiden anderen Teilnehmerinnen am Katzentisch-Panel: die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios Tina Hassel und Helene Bubrowski von der FAZ. Zwei, die geschockstarrt zuhören, wie Jauch munter locker vom Proporz bei der ARD erzählt. Maischberger hat vier Männer und zwei Frauen eingeladen. Ohne Hassel und Bubrowski wären es null. Ihre wichtigste Funktion in der Sendung ist es, die Frauenquote zu stärken.

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Ohne Bubrowski wäre Maischberger dramaturgisch nicht viel ärmer. Sie sagt nichts, was alle anderen nicht auch sagen. Ihren spannendsten Moment hat sie, in dem sie sich selbst demaskiert – als es um Verteidigungsministerin Lambrecht geht: „Ihr Ressort ist erst durch den Gang der Dinge wichtig geworden“, sagt Bubrowski. Damit verrät sie unfreiwillig viel über die getrübte Analysefähigkeit der ins Linke, Woke und somit Beliebige gewanderten FAZ. Dass Verteidigung wichtig ist, hatte die einst führende deutsche Tageszeitung schlicht vergessen – es brauchte Wladimir Putin, um sie daran zu erinnern.

Nur: Was sind die Analysen von Beobachtern wert, die so brutal von der Realität überrascht werden? Die den Wert von Verteidigung erst erkennen, wenn die Raketen schon fliegen? Wer allerdings auf Schwärmereien über Robert Habeck und Annalena Baerbock steht, den bedient Bubrowski bestens. In dieser wichtigen Disziplin des deutschen Journalismus kann die FAZ die TAZ längst in die Tasche stecken.

Hassel will beweisen, dass sie kein solch analytisches Leichtgewicht ist und zu Unrecht neben Bubrowski sitzt. Und so beißt sie gegen die Konkurrentin, etwa als Hassel sie zurecht verweist, als Hauptstadt-Journalistinnen könnten sie durchaus bewerten, dass die Wahl-Niederlage der SPD in Nordrhein-Westfalen auch schuld des Kanzlers sei. Auch betont Hassel, bei welchen Gelegenheiten – etwa Reisen – sie dabei gewesen ist. Und warum sie keinen der Briefe an Scholz zu Waffenlieferungen an die Ukraine unterschrieben hätte. Ob sie denn, so wie Günther Jauch, nach ihrer Unterschrift gefragt worden sei? Nein. Treffer. Versenkt.

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