Oskar Lafontaine ist bekanntlich schnell darin, eine Partei zu verlassen. Erst verließ er im Streit mit Kanzler Schröder die SPD, dann trat er im Streit mit seinem Landesverband aus der von ihm mitbegründeten Linkspartei aus. Er ist ein Mann, der bis ins hohe Alter nicht von der Politik loslassen konnte und auch mal eine neue Partei gründete, um seine politischen Ziele zu verwirklichen oder seine persönlichen Feindschaften auszufechten. Bei der neuen Partei seiner Frau Sahra Wagenknecht wolle er hingegen an der Seitenlinie stehen, sagt er. „Mit 80 Jahren will ich es ruhiger angehen“, meint Lafontaine.
Kontinuität in seiner politischen Arbeit ist in all den Jahren die Nähe zu Russland, seine Ablehnung der Nato und die Feindschaft zu den USA. Unter anderem aufgrund seiner freundlichen Haltung zu Russland war eine Versöhnung mit Erzfeind Schröder möglich. „Wir klammerten beim Gespräch die strittigen Themen aus“, sagt Lafontaine dazu. Als Maischberger meint, dass dann nur noch Russland als einendes Thema bliebe, muss Lafontaine lachen. Wenigstens ist er im Alter selbstironischer geworden, wenngleich die Sturheit zur Meinung, er habe die Weisheit gepachtet, geblieben ist.
Schlüssel zum Erfolg ist russisches Gas
Selbst ein Angriffskrieg kann Oskar Lafontaine nicht davon abbringen zu glauben, dass es klug ist, Russland weiterhin als verlässlichen Lieferanten von billiger Energie zu sehen. „Billige Energie aus Russland ist ein Schlüssel für unser Land“, meint Lafontaine. Mag sein, dass Russlands immer verfügbar scheinende Energieressourcen der deutschen Wirtschaft für eine lange Zeit gute Dienste erwiesen haben. Doch klug war die einseitige Abhängigkeit Deutschlands in keiner Weise. Es ist wie im normalen Leben auch. Die Abhängigkeit von einem einzigen Schlüssel birgt die Gefahr, aufgeschmissen zu sein, sollte der Schlüssel verloren gehen.
Durch den Krieg Russlands, das Zudrehen des Gashahns durch Putin und eine Sprengung der Pipeline ist dieser Schlüssel für längere Zeit verloren. Für Lafontaine schaut die Welt aber anders aus. „Der Industriestaat Deutschland kann ohne billige russische Rohstoffe nicht leben“, beharrt Lafontaine auf seiner Überzeugung. Er stellt sich gar nicht die Frage, ob es nicht auch eine Alternative gewesen wäre, früher in langfristige Flüssiggasdeals mit anderen Ländern zu investieren, welche die Abhängigkeit von einem schwierigen Partner reduziert hätte.
Bloß nicht sparen
Als waschechter Linker ist die Schuldenbremse Lafontaine ein Dorn im Auge. „Welche anderen Länder haben noch diesen Unsinn?“, spottet er. Die Schuldenbremse verhindere nötige Investitionen in die Infrastruktur. Dass ein Staat auch mal mit den Mitteln auskommen sollte, die ihm zur Verfügung stehen, kommt ihm wie vielen anderen linken Politikern nicht in den Sinn. Weswegen er auch nicht bedenkt, dass die Aufhebung der Schuldenbremse und die vielen staatlichen Ausgaben gar nicht für Investitionsprojekte vorgesehen sind. Die Schattenhaushalte dienen zur Finanzierung regulärer Haushaltsposten, die eigentlich über das Sparen am Sozialetat erfolgen sollten.
Diesen Schritt will Lafontaine nicht gehen. Auf keinen Fall solle am Sozialetat gekürzt werden, erklärt er. Stattdessen möchte er beim Militär und der Ukraine den Rotstift ansetzen. Die erhöhten Mittel für die kaputt gesparte Bundeswehr gehen ihm gegen den Strich. Was er unter den Tisch fallen lässt: Lindner spart auch schon wieder an der Bundeswehr. Ihr jährlicher Etat wurde im Haushalt bereits im August gekürzt, um Geld für die Kindergrundsicherung freizumachen. Das „Sondervermögen“ für die Bundeswehr wird nicht ausschließlich für die Neuausrüstung der Truppe genutzt, sondern auch, um den Unterhalt zu finanzieren. Tichys Einblick berichtete.
Auch der Ukraine will er kein Geld mehr geben. Diese sei zerstört und das zusätzliche Geld würde das Leiden verlängern, womit er sogar einen Punkt hat. Das viele deutsche Geld des Steuerzahlers für eine Kriegspartei, die den Krieg nicht mehr aus eigener Kraft gewinnen und finanzieren kann, ist tatsächlich zu überdenken. Kann Lafontaine sich in Zukunft wirklich daran halten, an der Seitenlinie zu bleiben, wenn seine Frau den großen politischen Wurf plant?
Ist muslimischer Antisemitismus weniger schlimm?
Auf deutschen Straßen demonstrieren seit dem Terrorangriff der Hamas die verschiedensten Leute und Gruppen. Darunter viele muslimische Antisemiten. Diese antisemitischen Auswüchse findet Altbundespräsident Joachim Gauck weniger schlimm als deutschen Antisemitismus. „Deutscher Antisemitismus belastet mich mehr“, sagt der ehemalige Bundespräsident.
Eine unfassbare Meinung. Genau diese krude Haltung und die fragwürdige Fokussierung auf biodeutsche rechte Antisemiten hat die Öffentlichkeit über die Gefahr muslimischer Antisemiten hinweg getäuscht. Bei Antisemitismus sollte es um die Quantität der Täter und um die Qualität ihrer Taten gehen und nicht, ob die Herkunft einen Täter weniger schlimm macht. Dass der muslimische Antisemitsmus zahlreich auftritt, ist ein Fakt, der nicht mehr geleugnet werden kann. Gerade wenn es Gauck ernst meint, wenn er sagt, dass Deutschland die Solidarität mit Israel nicht aufkündigen solle. Dann ist man es den deutschen Juden schuldig, sich um die Hamas-Sympathisanten zu kümmern. Denn diese stuft Gauck zurecht als Terrororganisation ein. „Die Hamas ist keine Befreiungsorganisation“, stellt er klar.
Die Konsequenzen, die daraus folgen, sind bisher überschaubar. Denn auch die deutsche Innenministerin teilt Gaucks Einschätzung zum Antisemitismus. Bei Muslimen wird weniger hingeschaut. Zwar hat die Ministerin bei der Islamkonferenz die muslimischen Vertreter ermahnt, etwas gegen Antisemitismus zu tun. Doch in gleichem Atemzug wurden die Verbände in ihrer Opferrolle bestätigt, dass kritische Äußerungen auch antimuslimischer Rassismus sein könnten. Deutsche Politiker haben leider zwei rechte Augen und lassen andere Extremisten gewähren.
Gauck fordert Grenzschutz für Deutschland
Die wachsenden Umfragewerte der AfD bereiten Gauck Sorgen. Als Ursache für die starken Werte sieht Gauck die Beunruhigung der Bevölkerung durch die ungesteuerte Massenmigration. „Migration ist das Gewinner-Thema der Populisten“, analysiert er. Deshalb müsse man auch über mehr Restriktion nachdenken, führt Gauck weiter aus. „Es ist sinnvoll, die deutsche Grenze zu schützen“, sagt Gauck. Eine Erkenntnis, die eigentlich selbstverständlich sein sollte, aber wohl mehr in den Wahlerfolgen der AfD begründet ist als in einem Verständnis für das Problem offener Grenzen. Die AfD ist mit ihren Forderungen nur so stark, weil sie seit 2015 damit ein Alleinstellungsmerkmal hat. Die anderen Parteien hätten längst reagieren können, so wie es beispielsweise die dänischen Sozialdemokraten taten.
Doch auch Gauck ist in der Romantik der Einwanderungsgesellschaft verfangen. Früher hätten ihm Einwanderermilieus, die sich nicht integrieren wollen, Unbehagen bereitet, erklärt er. Das habe sich geändert, will er wissen lassen, denn er habe sich mit den Leuten bekannt gemacht. Und er erzählt, es gebe im selben Milieu „die ich bewundere, die sind immer noch fremd, aber ich finde es toll. Die haben drei oder vier Töchter und lassen die studieren. Wow! Aber im selben Milieu ist einer, der verheiratet seine Tochter mit 15 an einen Typ, den sie gar nicht kennt. Da sage ich natürlich nicht ‚Wow‘, sondern ‚Komm, schau mal, wo du lebst und schau mal die Rechte weiblicher Menschen an.'“ Von der Schönfärberei der Probleme kann auch Gauck nicht loslassen.
Es müssen nicht immer rechte Parteien Erfolge in der Migrationspolitik verbuchen. Auch für mehr Härte und Zurückweisung an den EU-Außengrenzen tritt Gauck ein. „Wir brauchen substantielle Entscheidungen, die Außengrenze sicher zu machen“, meint er. Wird die Politik diese Maßnahmen beherzigen, muss Gauck auch keine Angst haben, in einem Land des Frustes leben zu müssen. Wenn die politisch verantwortlichen Akteure die Migration steuern und begrenzen, hört der Frust innerhalb der Bevölkerung auf. Es braucht allerdings eine neue Regierung. Die Ampel ist mit sich selbst beschäftigt und damit, ihre Macht zu umklammern. Weswegen Gaucks Forderungen gegenstandslos sind, wenn die Regierung nicht gewillt ist, diese umzusetzen. So muss sich Gauck damit abfinden, dass die AfD weiter profitieren wird, weil die Regierung es ihr einfach macht.