An diesem Dienstagabend versucht Maischeberger das Unmögliche: die Verwirrung um den Putschversuch am Wochenende zu entwirren. Aber es gelingt ihr nicht, auch weil es ihr nie gelingen konnte. Denn zu viel ist im Ungewissen: Warum entschied sich Prigoschin, nach Moskau zu marschieren – und warum brach er den Marsch ab und akzeptierte Exil in Weißrussland?
Die Gäste, die Maischberger dazu eingeladen hat, können auch nicht helfen, bringen sie doch keine neuen Informationen in die Runde mit. Rüdiger von Fritsch hat eine bunte Karriere im Staatsdienst hinter sich: Er arbeitete im Auswärtigen Amt, war als Diplomat tätig, war Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes und deutscher Botschafter in Russland. Man könnte ihn fast für einen erfahrenen Kremlologen halten: Aber auch er hat keine Antwort auf die Geschehnisse in Russland.
Der andere Gast in der Runde ist Frederik Pleitgen. Er ist „Senior International Correspondent“ bei CNN. Er ist ebenso ratlos. Mehr als Spekulationen können beide nicht beitragen. Dass die ARD einen Journalisten eines nominellen Konkurrenzunternehmens einladen muss, um über Russland zu reden, sagt viel über das Korrespondenten-Netz aus, auf das die Öffentlich-Rechtlichen sonst so stolz sind. Ein nominelles Konkurrenzunternehmen, weil der ÖRR an die weltweite Relevanz CNNs nicht im Entferntesten herankommt.
Interessant wird tatsächlich erst ein Gedanke, der in der Journalistenrunde, die auf das Gespräch Pleitgens und Fritschs folgt, entwickelt wird. Die RND-Journalistin Kristina Dunz merkt an: Die amerikanischen Geheimdienste sollen bereits Mitte der vergangenen Woche gewusst haben, dass Prigoschin etwas plant, dass er Waffen und Personal zusammenzieht. Der BND unterrichtete die Bundesregierung erst, als Prigoschin Rostow erobert hatte und sich der Marsch nach Moskau der Hauptstadt immer weiter fortsetzte.
Es zeigt sich: Die Verbündeten Deutschlands halten es nicht mehr für nötig, die Bundesregierung und den BND über aktuelle Entwicklungen in Kenntnis zu setzen. Dunz meint, es läge daran, weil „der BND nicht liefert“, also keine Informationen zum Tausch hat. Und das mag stimmen. Doch die Bundesregierung und der BND haben nicht nur einen Ruf als schwach in Sachen Aufklärung; sie wurden in den letzten Jahren auch immer wieder von Berichten russischer Unterwanderung erschüttert. Vertraut man Deutschland einfach nicht mehr? Diese Frage wird aber nicht diskutiert.
Umso interessanter ist hingegen das Einzelinterview mit Hollywood-Star Harrison Ford. Der ist in Deutschland, um seinen neuen Film zu bewerben. Im fünften Indiana-Jones-Film wird der gealterte Indiana Jones mit seiner eigenen nachlassenden Kraft und dem Gefühl der Sterblichkeit konfrontiert. Zumindest ist das der Plot, wie Ford ihn darstellt. Doch der Film soll mehr sein: Der Staffelstab des Indiana Jones soll weitergegeben werden, an eine junge und weibliche Schauspielerin. Der Protagonist der letzten Filme, ein Abenteurer und Held, ist nun alt, abgewrackt und irgendwie an allem Leid der Welt schuld. Und obwohl der Film erst am 29. Juni in die Kinos kommt, sind die Kritiken der professionellen Filmkritiker jetzt schon vernichtend.
Der Kritiker Robbie Collin schreibt für den britischen Daily Telegraph: „Es fühlt sich an wie eine Fälschung eines unbezahlbaren Schatzes. Die Form und der Glanz mögen auf den ersten Blick überzeugend wirken, aber das schlechte Handwerk wird immer offensichtlicher, je länger man drauf schaut.“ Die Website Rotten Tomatoes, die Filmkritiken aggregiert, gibt dem Film nach mehr als 150 solcher Kritiken aus professioneller Feder nur 66 von 100 Punkten. An Fords mangelndem Einsatz sollte es nicht gelegen haben: Der 80-Jährige will am Set des Actionfilms alles gegeben haben. Bei der Probe einer Prügelszene zerrte er sich die Schultermuskeln, erzählt er. Was das für den Film bedeutet, muss man für sich selber entscheiden. Die Filme mit dem Nazis auspeitschenden Archäologen waren geprägt von Humor, Action und einem schmissigen Hauptdarsteller. Kann er das auch in einem Alter abliefern, in dem ein Gehstock angemessen wäre?
Aber Ford stellt auch wieder die typische Doppelmoral der Hollywood-Prominenz unter Beweis. Denn schon seit den 90er-Jahren ist Ford ein engagierter Umwelt- und Klimaschützer – der außerdem eine Sammlung von Flugzeugen besitzt und ein engagierter Hobbypilot ist. „Klimaschutz” predigen und um die Welt reisen, um seinen neuesten Film zu bewerben: Der Schauspieler rechtfertigt das, indem er „Zeit und Geld in den Klimaschutz und den Ausgleich des CO2“ investiert. Außerdem achte er darauf, dass er bei seinem Hobby „möglichst effizient“ fliegt. Und weil er selber von Autobahn-Blockaden nicht gestört wird, findet er auch radikalen Protest wichtig; die junge Generation habe „das Recht und auch die Pflicht dazu“.
Immerhin verspricht er, keinen sechsten Indiana-Jones-Film zu drehen. Nachdem der Archäologe schon am Ende des dritten Films „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ in den Sonnenuntergang ritt und doch noch für die Teile vier und fünf antreten musste, darf er nun hoffentlich in die Geschichtsbücher eingehen.