Tichys Einblick
Wirre Theorien

Bei Maischberger rät Habeck Unternehmen: Vor Insolvenz einfach aufhören zu arbeiten

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat bei Maischberger seinen „Marie-Antoinette“-Moment. Die Unternehmen müssten im Winter nicht in Insolvenz gehen, sie müssten einfach nur aufhören zu arbeiten.

Screenprint: ARD/maischberger

Marie-Antoinette war die Frau von Ludwig XVI. Sie ist durch zwei Dinge in die Geschichte eingegangen. Eines davon ist ein legendäres Zitat. Als ihre Berater ihr mitteilten, das Volk habe kein Brot mehr zu essen, verstand sie die Situation nicht und stellte die Gegenfrage: Warum essen sie dann keinen Kuchen? Dass Menschen an Hunger leiden, habe sich die Adlige im Überfluss von Versailles einfach nicht vorstellen können.

Sandra Maischberger hat den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu Gast in ihrer Talkshow. Er ist alleine an der Stelle der Sendung, an der sonst zwei Gäste befragt werden. Und er bekommt auch mehr Zeit. Knapp eine halbe Stunde. Aber erst am Ende kommt Maischberger ihrer Aufgabe als Moderatorin nach und stellt die richtigen Fragen. Davor sind die Liebesbeweise zu sehen, die eine ARD-Journalistin halt ihrem Vizekanzler so entgegenbringt.

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Bevor Habeck an der Reihe ist, geht es um die Inflation und das Entlastungspaket. Dazu sagt Maischberger: „Die Regierung tut sehr viel, um die Folgen abzumindern.“ Klingt nach einem Statement. Dann reicht sie nach: „Das sagt sie zumindest.“ Den Anschein der Neutralität gerade noch mal rechtzeitig vorgetäuscht. Dann sitzt da endlich Robert Habeck. Der Gott der ARD in der ARD. Maischberger tauscht mit ihm erstmal Erinnerungen aus, wie die beiden den Abend vor dem Kriegsbeginn gemeinsam erlebt hätten.

Ja, er erinnere sich, plaudert Habeck. Und Maischberger lässt ihrer Bewunderung freien Lauf: „Man hatte das Gefühl, Sie haben in einen Abgrund geblickt.“ Würde sie jetzt auf die Knie rutschen, ihm einen Ring anbieten und um seine Hand anhalten, würde das auch keinen mehr zusätzlich irritieren. Jetzt darf Habeck loslegen, es sei eigentlich gut gelaufen seitdem. Deutschland habe seine Gas-Speicher füllen können. Auch wenn das nicht ausschließlich gut war, da es gelang, weil Unternehmen ihre Produktion gedrosselt oder gar eingestellt hätten. Jetzt wäre es spannend, vom Wirtschaftsminister zu erfahren, was dieser Rückgang für eine Industrienation bedeutet. Aber Maischberger fragt nicht.

Was Habeck nicht sagte
Stresstest: Alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Strom-Erzeugungs-Kapazitäten nutzen
In der Journalistenrunde zuvor war die Frage aufgekommen, ob sich Atomkraftwerke so schnell aus der Reserve hochfahren lassen. Maischberger würgt das ab. Habeck solle es später beantworten. Jetzt sitzt der Fachminister da. Er könnte sagen, wie lange ein Atomkraftwerk nach einem Blackout braucht, um hochzufahren. Wie lange werden die Menschen dann ohne Strom sein? Drei Tage? Fünf? Zehn? Aber Maischberger fragt nicht.

An Zeit fehlt es nicht. Davon gibt es genug bei Maischberger. Etwa um Habeck den Ball zuzuspielen, dass es ja im Februar eine Mehrheit für ein von Deutschland ausgesprochenes Gas-Embargo gab. Das hat mit der aktuellen und dringenden Diskussion nichts zu tun. Aber es lässt Habeck gut aussehen. Er sei ja dagegen gewesen, weil er weitsichtig sei, und jetzt sei alles in Ordnung. Harmonie. Schön. Kommt jetzt gleich das mit den Ringen?

Nun ja. So ein bisschen was ist ja schon noch. Ganz sicher, also ausschließlich, so richtig wirklich sicher ist die Stromversorgung ja dann doch nicht ganz. Deswegen sei es vom Wirtschaftsministerium keine „Dududu“-Kampagne gewesen, auf Stromsparen hinzuweisen, etwa weniger zu duschen etwa, sagt der Wirtschaftsminister. Und deswegen müsse das Ausland seine Stromprobleme lösen, sagt Habeck. Also haben die Probleme? Nun ja: nein. Denn das Ausland, so Habeck später weiter, müsse Deutschland bei seinen Stromproblemen helfen. Das heißt: Wir sind vom Ausland abhängig? Aber Maischberger fragt nicht.

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Auf die Atomkraft geht Maischberger ein. Weil man das halt so macht nach einem Stresstest. Sie lässt Habeck erklären: Die Atomkraftwerke könnten nur ein kleiner Teil der Lösung sein. Lösen könnten sie die Probleme nicht. Das gehe nur mit einem Bündel vieler Lösungen. Klingt gut. Aber wenn es ein Bündel an Lösungen braucht, wieso verzichtet Habeck dann auf eine davon freiwillig. Das klingt nach einem Widerspruch. Den müsste eine Journalistin jetzt auflösen. Aber Maischberger fragt nicht.

Von Maischberger hat Habeck nur eins zu fürchten: dass sie ihn reden lässt. Die Atomkraftwerke brauche Deutschland nicht, weil mit ihnen die Strompreise ja auch gestiegen seien, sagt er von sich aus. Wirklich, das tut er. Wäre Habeck Arzt, würde Habeck nach einem Bruch auf einen Gips verzichten, weil mit dem das Bein ja auch noch gebrochen wäre. Und dann passiert etwas, womit kein Zuschauer von Maischberger noch gerechnet hätte: Sie stellt eine Nachfrage. Wenn es denn aber an Strom fehle und Unternehmen nicht mehr produzieren könnten, gingen sie ja pleite: „Rechnen Sie mit einer Insolvenzwelle?“, fragt Maischberger.

Es folgt die Geburtsstunde von Robert-Antoinette Habeck. Nein, damit rechne er nicht. Sie könnten ja auch einfach aufhören zu produzieren. Dann sind sie nicht insolvent, hörten nur auf zu verkaufen. Denn: „Es kann sein, dass sich bestimmte Geschäfte nicht mehr rentieren.“ Nun kommt sogar Maischberger nicht mehr an Nachfragen vorbei: Wenn sie aufhören zu produzieren, haben sie keine Einnahmen mehr, aber weiterhin Kosten. Gehen sie dann nicht doch in die Insolvenz? Nein, sie müssen einfach nur rechtzeitig aufhören zu produzieren.

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Der Bäckerei will Habeck nicht helfen. Wo denn dann das Brot herkommt, will Maischberger nicht wissen. Oder der Kuchen. Den Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, will Habeck helfen. Aber: Einerseits soll exakt ermittelt werden, welchen finanziellen Bedarf sie haben. Andererseits soll das Verfahren die Unternehmen nicht abschrecken. Klingt so, als ob sich das ausschließt. Aber Maischberger fragt nicht nach.

Hätte sie recherchiert, wollte sie kritisch nachfragen, könnte die Moderatorin den Bundesrechnungshof ins Spiel bringen. Der hat die Bundesregierung genau davor gewarnt: trotz überlastendem Haushalt alle kommenden Probleme mit Geld lösen zu wollen. Aber Maischberger fragt nicht. Jetzt ist auch die Zeit abgelaufen und die Moderatorin verabschiedet ihren Gast: „Vielen Dank für den Besuch, Robert Habeck. Danke schön, dass Sie hier waren. Vielen Dank. Danke schön.“ Wenn sie ihm jetzt hinterher rennt, kann sie ihm den Ring noch geben – oder sie lädt ihn einfach nochmal ein.

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