Tichys Einblick
Vorgezogenes Sommerloch-Thema?

Debatte bei Maischberger: Ehemaliger Spiegel-Journalist fordert Dienstpflicht für Senioren

Ältere Menschen sollen einen Sozialdienst leisten. Das fordert Hajo Schumacher in der ARD-Talkshow „Maischberger“. Damit zeigt der ehemalige Spiegel-Journalist, dass die deutschen Probleme nicht nur in der Politik wurzeln.

Screenprint: ARD/maischberger

Die Debatte um eine allgemeine Dienstpflicht solle von den eigentlichen Problemen ablenken, sagt die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bei „Maischberger“. Und Hajo Schumacher selbst spricht von einem vorgezogenen Sommerloch-Thema. Doch überflüssiges und manipalutives Gefasel? So etwas will ein ehemaliger Spiegel-Journalist nicht dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD) überlassen, von dem der Vorschlag ursprünglich kam.

So etwas will Schumacher selber machen: Wir brauchen eine Dienstpflicht für Senioren, fordert Schumacher denn auch. Die Idee muss eine Mode in Berlin sein. Die Zeit hat sie ebenfalls schon aufgegriffen. Das Wochenblatt will, dass Menschen über 40 Jahre auch mal eine Dienstpflicht leisten sollten. Ja. Sicher. Das gab es schon mal und nannte sich Wehrpflicht beziehungsweise Ersatzdienst – doch wer so viel Haltung zeigt wie die Zeit, dem fehlt die Zeit für Recherche.

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Nun also Schumacher. Mit der Dienstpflicht für Senioren. Das wäre Zwangsarbeit, das verstoße gegen die Verfassung, erinnert ihn seine Kollegin Elisabeth Niejahr. Er hält dagegen, man könne sie ja an die Rentenauszahlung koppeln. Stimmt. Die Verfassung gilt ja nur fürs Recht und da fällt das Rentenrecht … Okay, was muss eine Wirtschafts-Expertin aber eine Edelfeder auch an Details wie Verfassung oder Menschenrechte erinnern.

Alle müssen etwas leisten, auch die Alten. Das hört sich so gut an, da stören Nachfragen nur. Eine setzt Sandra Maischberger trotzdem: Wer denn diesen Dienst genau leisten solle? Die heutigen Rentner, so Schumacher. Sie würden so viel kriegen, so viel würden „wir“ später nicht bekommen. Schumacher ist 58 Jahre alt. Um es abzukürzen: Schumacher würde die Grenzen für den Pflichtdienst wohl so ziehen, dass möglichst viele darunter fallen, nur er halt eben nicht.

Maischberger nimmt Schumacher nicht mehr ernst. Sie bricht das Thema ab und lacht ihn aus wie einen Mitschüler, der gerade Prag für die Hauptstadt von Tschetschenien gehalten hat. Nur: Solche Dampfplauderer lädt sich die Redaktion gerne ein. Die meisten Diskussionen verlaufen nicht so pointiert wie die Solotour Schumachers – doch viel mehr Substanz haben sie eben auch nicht.

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So das Zwiegespräch zwischen Leutheusser-Schnarrenberger und dem Politikwissenschaftler Johannes Varwick. Eine Ehemalige aus der Kohl-Ära und ein wenig charismatischer Professor. Das hört sich schon nach Drittklassigkeit an, entpuppt sich dann aber als Viertklassigkeit. Varwick steht als Vordenker für den Geist der Merkel-Zeit – für deren Fortsetzung Olaf Scholz (SPD) zum Kanzler gewählt wurde. Varwick definiert schwammige Ziele wie „Solidarität mit der Ukraine“ oder „Internationaler Ausgleich mit Russland ist notwendig“. Ohne konkret zu werden, wie das umgesetzt werden solle.

Ab und an wird Varwick pointiert: „Die Ukraine ist verloren.“ Und der Satz lässt dann wieder vermuten, was sein Gedruckse um Waffenlieferungen bedeutet: Wenn Deutschland sie forciere, gerate es in einen Krieg mit Russland. Sie sofort einzustellen, die Ukraine ganz alleine den russischen Angreifern überlassen. Das fordert er aber auch nicht. Nicht so deutlich. Zu deutlich wäre zu wenig Merkel, zu wenig Scholz. Dinge auf sich zukommen lassen passt da schon eher. Von einer Krise in die nächste stolpern: Die Ukraine sei halt ein „Sonderfall“, sagt Varwick, das Baltikum werde Russland schon verschonen: „Russland wird Nato-Gelände nicht angreifen.“ Auf Putin vertrauen … Auch eine Sitte der Merkel-und-Scholz-Jahre.

Leutheusser-Schnarrenbergers Job ist, dagegenzuhalten. Das tut sie wie zu Kohl-Zeiten – mit starker moralischer Attitüde und schwachem Erfolg. Das Opfer, das Varwick bringen wolle, sei die Ukraine. Was er vergesse, sei das Schicksal von 45 Millionen Menschen. Die Arroganz eines deutschen Wissenschaftlers im Umgang mit zahlreichen Schicksalen. Es müsste länger im Raum stehen, es müsste von Bedeutung sein. Doch Maischberger hat einen Fahrplan und der muss erfüllt werden. Was da geredet wird, ist letztlich nicht von Belang. Also hetzt die Moderatorin über die Spannung hinweg.

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Der Show-Teilnehmer Oliver Kalkofe beschwert sich über diese verpasste Chance. Nach der Sendung. Auf Twitter: „Nach dieser Diskussion hätten wir gerne noch weiter diskutiert – denn bei all dem, was noch folgte, drehte sich mir Herz und Magen um. Sich im Sinne des Gemeinwohls einem Aggressor zu ergeben, weil man eh keine Chance hat, erschließt sich mir nicht.“ Eine pointierte Aussage. Von einem eloquenten Gast. Maischberger dauert zwar 75 Minuten, hat dafür aber keinen Platz. Weil die Moderatorin durchhecheln muss, was die Redaktion vorher aufgeschrieben hat.

So auch bei Wolfgang Grupp. Der Trigema-Chef berichtet Dramatisches: Die Kosten des Unternehmens für Gas hätten sich in den letzten beiden Jahren pro Monat von 100.000 auf über 500.000 Euro erhöht. Die zusätzlichen Kosten von fünf Millionen Euro im Jahr könnten den Familienbetrieb in die roten Zahlen führen. Auch seien andere Kosten angeschwollen: Die Garnpreise etwa seien um 60 bis 80 Prozent gestiegen, auch die Transportkosten gingen nach oben.

Grupp betont, dass Trigema das überleben könne, weil das Unternehmen über eine Eigenkapitalquote von 100 Prozentpunkten verfüge. Doch was ist mit Unternehmen, die auf Kredite angewiesen sind? Wie geht es mit denen weiter? Selbst wenn Grupp das nicht beantworten kann oder will, hätte Maischberger diese entscheidende Frage an Niejahr weitergeben können. Doch das sieht der Fahrplan nicht vor – und der ist bei Maischberger wichtiger als die Qualität des Gesprächs.

Auf Maischbergers To-Do-Zettel steht noch, sie solle ihn befragen, wie es Grupp zu Studentenzeiten habe krachen lassen. Auf jedem Familienfest wäre man froh, wenn der 80-Jährige nicht mit früheren Partyerlebnissen protzen würde. Grupp tut es auch nicht – dankenswerter Weise. Doch Maischberger hat auf dem Zettel Zeit für das Thema stehen, also fragt sie hier nach. Kichernd wie eine Zwölfjährige, wenn im Biologieunterricht Bilder von Geschlechtsteilen gezeigt werden. Doch Grupp bleibt standhaft.

Und irgendwann ist die vorgesehene Zeit zugegluckst und Maischberger kann sich anderen Themen widmen. Welchen? Eigentlich scheint ihr das irgendwie egal zu sein. Hauptsache, der Fahrplan ist erfüllt.

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