In ihrer Sendung hat Sandra Maischberger Daniel Günther, Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, zum Interview geladen. An seinem Gespräch mit der Moderatorin lässt sich erkennen, warum das Land in dem desolaten Zustand ist, den es nun erreicht hat.
Das Gespräch beginnt über Dänemark. Ein wenig Smalltalk über den Monarchenwechsel, später will Maischberger vom Ministerpräsidenten wissen: Ist Dänemark ein Vorbild für Deutschland in seinem restriktiven Umgang mit Asylbewerbern? Antragsteller müssen jahrelang an einem ihnen zugewiesenen Wohnort bleiben, Ghettoisierung soll verhindert werden und Schmuck kann eingezogen werden, um die Kosten des Unterhalts zu tragen.
Nein, findet Günther. „Ich will konsequentere Umsetzungen der Regeln“, aber eine Gangart wie in Dänemark will er nicht und erklärt: Deutschland habe als großes Land anders als Dänemark eine Verantwortung, mit der Migration in Europa umzugehen. Wie diese Verantwortung aussieht und warum sie verhindern soll, dass illegale Migration gesteuert wird – das erklärt er nicht. Die Forderung nach „konsequenter Umsetzung der Regeln“, ist somit nichts als Rhetorik. Denn die Umsetzung dieser nicht näher benannten „Regeln“ ist in den allermeisten Fällen Ländersache. 2022 gab es in Schleswig-Holstein 12.397 Ausreisepflichtige. Im selben Jahr wurden 235 Abschiebungen aus dem Bundesland vollzogen. Wenn Worte und Taten so massiv auseinanderklaffen: Was soll der Bürger davon halten?
Genosse Günther ist von den Grünen gefesselt
Der „Genosse Günther“, wie ihn in der CDU einige schmähend nennen sollen, windet sich im Gespräch mit Sandra Maischberger sichtlich. Er weiß, was seine Wähler verlangen. Nur regiert er sein Bundesland in einer Koalition mit den Grünen: Statt also gegen die Politik der Bundesregierung opponieren zu können, sind ihm durch Macht und Posten die Hände gebunden. So muss er sich also rausreden, als Maischberger ihn auf einige angebliche Patzer von Friedrich Merz anspricht.
„Paschas“, „Sozialtourismus“ und „Die Asylbewerber nehmen uns die Zahnarzttermine weg“ – was er denn von diesen Aussagen hält? Günther versucht auszuweichen. Die Flucht nach vorne könnte so aussehen: „Frau Maischberger, mit Paschas und Sozialtourismus hatte Herr Merz im Kern recht, auch wenn ich selber das differenzierter ausgedrückt hätte. Und die letzte Aussage hat Merz so nie getroffen, er hat nur kritisiert, dass Asylbewerber Zahnersatzleistungen erhalten, die ein normalversicherter Bürger nicht erhält.“
Aber nein, Günther kann das nicht sagen: Erstens will er es nicht, und zweitens darf er es mit Rückblick auf den Koalitionspartner nicht. Das Ergebnis sind leere Politikerphrasen.
Das gleiche Spiel beginnt mit der Schuldenbremse: „Die Schuldenbremse ist für mich wahnsinnig wichtig“, sie „sollte im Grundsatz so bestehen bleiben“. Aber: „Dass die Bundesländer sich gar nicht verschulden dürfen, ist ein Punkt, über den wir reden müssen.“
Oh nein! Nachhaltige Haushaltsplanung!
Das stimmt so natürlich nicht. Die Bundesländer dürfen sich nicht mehr neu verschulden, es sei denn, es tritt eine Notlage ein. Es gelten die dieselben Regeln wie auf Bundesebene: Bei Naturkatastrophen oder nicht vom Gesetzgeber selbst verschuldeten Notlagen oder einer Rezession dürfen neue Schulden gemacht werden. Nur sind die Politiker gezwungen, diese auch wieder abzubauen.
Das Bundesland Schleswig-Holstein hat im Übrigen 31,5 Milliarden Euro Schulden. Die Kommunen haben weitere 4 Milliarden Euro Schulden beim privaten Finanzsektor. Wie viele Schulden zwischen den Kommunen, bei staatlichen Betrieben sowie in Landes- und Bundesanstalten versteckt sind, ist unbekannt. Seit 1950 hat das Land zwei Mal in den Länderfinanzausgleich eingezahlt. Sonst war es immer ein Nehmerland. 2022 erhielt das Land 346 Millionen Euro aus dem Länderfinanzausgleich und Bundeszuweisungen. Günther: „Wir haben ordentliche Haushalte, aber wenn Notlagen da sind, brauchen wir gesonderte Kredite dafür.“
Wie auf Bundesebene ist der Haushalt Schleswig-Holsteins an der verfassungswidrigen Praxis gescheitert, Sonderschulden für allgemeinen Konsum ausgeben zu wollen. Doch in Kiel war das kein Problem: Kurzerhand wurde noch im November der Notstand für 2023 verkündet – mit der Begründung „Corona und Ukrainekrieg“ und für 2024 auch schonmal: Die Sturmflut des Oktobers war plötzlich so schlimm gewesen, dass Schulden her mussten. Ein Vorgehen, das auch der landeseigene Rechnungshof kritisiert: Die Zinsen, sie gehen zurzeit nur immer hoch. Eine kleine Schuldenlast wird so schnell erdrückend. Aber die Schuldenbremse ist Daniel Günther „wahnsinnig wichtig“.
Auf einer Bühne singt Günther laut das Lied „Layla“ mit, in der Sendung traut er sich nicht den Refrain aufzusagen:
„Ich hab ’n Puff und meine Puffmama heißt Layla,
Sie ist schöner, jünger, geiler“
Günthers Sagen und Handeln passen nicht zusammen. Seine Position zu einem AfD-Verbotsverfahren (Pro, aber nur „mit ausreichend Vorbereitung“), zur Ukraine und allem anderen, zu dem ihn Maischberger befragt hat oder hätte befragen können, aufzusagen, ist müßig: Günthers Position ist die, die er im Moment der Entscheidung bezieht. Seine Aussagen haben dabei kein Gewicht.
Der Ministerpräsident war natürlich nicht der einzige Gast dieser Maischberger-Folge. Der Militärexperte Carlo Masala und Linken-Vorsitzende Janine Wissler diskutierten über den Ukrainekrieg. Neue Erkenntnisse gab es keine. Wissler fordert das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Waffenstillstand, Schutzzonen um Atomkraftwerke und Krankenhäuser, ein Ende der Bombardierung der Bevölkerung in der Ukraine. Und um dieses Ziel zu erreichen, fordert sie die Ukrainer auf, sich der Gnade der russischen Armee auszuliefern. Die auf Krankenhäuser, Atomkraftwerke und Zivilbevölkerung schießt. Masala fordert Waffen für die Ukraine, macht aus der Nichtbewegung der Frontlinien einen Sieg für Kiew. Sie wären keine uninteressanten Gäste: Wenn man diese Diskussion nicht schon einige Male gesehen hätte. Wer neue Erkenntnisse und innovative Gäste sucht, sucht hier vergebens.
Im Journalistenpanel sorgte Waldemar Hartmann für Aufregung. Der Sportjournalist im Ruhestand wies die Unterstellung von Stern-Chefredakteur Georg Schmitz zurück, alle Wähler der AfD in Ostdeutschland seien „Nazis“. „Im Osten sind 32 und 34 Prozent Vorhersagen von Wählern: Werfen Sie die alle mit denen in einen Topf? Das sind keine Nazis!“
Zu einem AfD-Verbot kommentiert Hartmann: „Fünf Jahre beobachten die den Laden [der „Flügel“ ist gemeint, Anm. d. Red.] und es passiert nichts!“ Ein AfD-Verbot sei der Versuch, eine politische Niederlage rechtlich ändern zu wollen.
Obwohl er in der Runde mit Schmitz, Maischberger und der Spiegel-Online-Redakteurin Yasmine M’Barek der älteste war, war Hartmann doch auch der frischeste Teilnehmer. Schade also, dass man ihn wohl erstmal nicht mehr im Studio sehen wird, dafür sorgte schon seine Aussage: „Ich bin ein konservativer Mensch.“