Was waren das für Zeiten: Waldemar Hartmann redet im Doppelpass mit Manni Breuckmann und Udo Lattek über Felix Magath bei Bayern oder über Matthias Sammer in Dortmund. Es war nicht die schlechteste Schule für Talkshow-Gäste. So drückte sich zum Beispiel der Manager Rudi Assauer lange vor einer klaren Antwort auf die Frage, wer in Schalke nun die Macht habe: er oder Horst Heldt? Dann grätschte Udo Lattek dazwischen: „Wer unterschreibt die Verträge? Du oder Horst Heldt?“ „Ich.“ „Danke.“
Der legendäre Fußballtrainer Lattek hat damit eine goldene Lektion geliefert – für Journalisten wie für Talkmaster gleichermaßen: Mach es konkret, dann ersparst du dir Gelaber! Durch diese Schule ist auch Waldemar Hartmann gegangen – und er hat seine Lektion gelernt. Bei Maischberger sitzt Hartmann an einem Tisch mit Mariam Lau von der Zeit und Melanie Amann vom Spiegel. Lau und Amann sind so sehr einer Meinung, dass ihre Präsenz nur unterhaltsam wäre, wenn sie ihren Vortrag im Duett singen würden – statt im Gleichschritt zu argumentieren.
Weniger spekulativ, ohne küchenpsychologische Ferndiagnose ist „Waldi“ Hartmann zuvor trotzdem spannender. Zum einen glänzt der Sportexperte durch Ehrlichkeit: Auf welcher Seite er stehe, will Maischberger wissen. „Ich bin gespalten“, gibt Hartmann zu und legt nach: „Ich bin so gespalten, wie es die Bevölkerung auch ist.“ Die Frage sei kompliziert. Zum anderen ist Hartmann erstaunlich gut informiert. Er kennt die Zustimmungswerte für US-Präsident Joe Biden; weiß, wie sich diese im Laufe des Krieges entwickelt haben und ist auch über die Kurs-Schwenker von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Kriegsfrage gut informiert.
Vor allem aber ist Hartmann konkret: „Was wollen wir denn der Ukraine überhaupt liefern?“, fragt der Sportmoderator durchaus zurecht. Eine kritische Frage, wie sie von Laumann nicht zu erwarten ist. Die Experten-Zwillinge sind damit beschäftigt, Verständnis für Olaf Scholz zu haben. Hartmann zählt erstaunlich fachkundig auf, an welchen Waffen und an welcher Ausrüstung es der Armee fehlt. Und wie wenig verteidigungsfähig die Bundeswehr ist. Wie einst Lattek ist auch Hartmann konkret und erspart sich genau so wie den Zuschauern Gelaber.
Die 35 Minuten Beck–Wagenknecht sind vor allem vom wichtigsten aller Talkshow-Sätze geprägt: „Ich habe Sie ausreden lassen, lassen Sie mich bitte auch ausreden.“ Beck – ganz in Blau gekleidet – erinnert an den Charakter des russischen Angriffs, dass es Massengräber gebe, Vergewaltigungen, Deportationen und Attacken auf die Bevölkerung: „Das ist die Realität, gegen die sich die Ukraine wehrt.“ Wagenknecht – ganz in Grün gekleidet – hält dagegen, das sei Scheinheiligkeit und beruhe auf doppelten Standards. In anderen Kriegen habe es solche Verbrechen auch schon gegeben.
Zwischendrin blendet die Redaktion einen Untertitel ein. Beck und Wagenknecht würden über die Frage diskutieren, ob Deutschland Waffen an die Ukraine liefern soll. Die Erinnerung tut Not. Denn bei Beck und Wagenknecht geht es eher um die Frage, ob Putin einzigartig schlimm sei (Beck) oder auch nicht schlimmer als die Amerikaner (Wagenknecht). Um die Frage, ob und was die Deutschen überhaupt liefern könnten, geht es nicht mehr. Lattek hätte konkret nachgefragt, um Gelaber zu vermeiden. Maischberger tut es nicht.
Fünf Tage nach seiner Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Insolvenzverschleppung bietet auch dieser Block wenig Erkenntnisgewinn. Schon allein wegen der Kürze der Zeit. Hartmann fängt an zu erzählen, wie Becker sich hinter den Kulissen verhalten hat. Dass er eigentlich ein guter Kerl sei und eine große Persönlichkeit, aber auch zur Egozentrik neige. Wie etwa im Jahr 2000 bei einem Besuch der Nationalelf. Doch als Hartmann interessant wird, unterbricht ihn Maischberger – schließlich wartet mit Frank Elstner noch ein Hochkaräter.
Eine Viertelstunde hat Maischberger nur noch für den Erfinder von „Wetten dass..?“. Was eine Verschwendung ist. Denn im Gespräch mit Elstner zeigt Maischberger, welch gute Talkerin sie sein kann. Obwohl es eigens eine Sondersendung zu Elstners 80. Geburtstag gegeben hatte, bringt Maischberger trotzdem noch interessante Aspekte zu Tage. Vor allem aber lässt sie ihren Gast reden.
Eine Selbstverständlichkeit? Nein. Zu den Talkmastern in der Sondersendung gehörte Jan Böhmermann. Der nutzte die Sendezeit, um darüber zu reden, was Elstner für Böhmermann bedeutet. Ein Gigant der Fernsehunterhaltung, ein Mann mit tausend spannenden Anekdoten im Gepäck, ist für Böhmermann letztlich auch nur ein weiterer Anlass, über Böhmermann zu reden. Während der ZDF-Aktivist bestenfalls ein Bewerber für eine Talk-Lehrstelle ist, ist Maischberger eine Meisterin. Ihr Interview mit Elstner hat nur einen Makel: Es ist zu kurz. Obwohl sie um fünf Minuten überzieht.
Elstner erzählt von seiner Rolle als jugendlicher Synchronsprecher oder wie er als Kind die Nachkriegszeit erlebt hat oder wie er mit seiner Parkinson-Erkrankung umgeht. Maischberger würde ihn gerne dazu bringen, sich als Naturschützer zu outen und fragt, warum er das in all den Jahren nicht getan habe. „Es gibt nichts Blöderes, als wenn man immer den Kasper spielt und zwischendrin meint, sagen zu müssen, man müsse auch Gutes tun.“ So wie Hartmann die Luft aus der Diskussion über Waffenlieferungen holt, lässt Elstner die Luft aus Pseudopromis entweichen, die öffentlich den Gutmenschen jaenicken, um sich Bedeutung zu verschaffen. Und Sendezeit.
Deutschland hat nicht viele gute Talkshow-Gäste. Maischberger sollte sich daher gut überlegen, ob sie am Konzept festhält, wenn sie künftig zweimal die Woche talkt. Wer einen Elstner hat und einen Hartmann, muss nicht unbedingt die gefühlt tausendste Diskussion über den Ukraine-Krieg liefern. Zudem ist Lau kein unterhaltsamer Gast, Amann auch nicht. Lau und Amann zusammen braucht wirklich keiner – vor allem wenn sie sich weiterhin weigern, ihren Vortrag wenigstens im Duett zu singen. Mit mehr Zeit für starke Gäste wie Hartmann oder Elstner statt für „ZeitSpiegel-Einheitsmeinung“ wäre dem Zuschauer mehr gedient.