Denken die Strategen in den verschiedenen Parteien denn nie darüber nach, wen sie in diese öffentlich-rechtlichen Stuhlkreise schicken? Eine Stunde Illner-Trallala ersetzt immer noch mühelos ein paar tausend Wahlkampfplakate. Für Wähler-Stimmen wie für Bücher- oder Musik-CD- Verkäufe gilt die klare Regel: Du musst ins Fernsehen!
Die AfD schickte Alexander Gauland zum Thema „Überlebt die EU den Brexit“. Der ist ein netter älterer Herr, der sich in einer gesitteten Runde anständig bewegen kann, und auch ruhig erklärt, was seine Partei auf dem Europawahlparteitag beschlossen hat, nämlich dass man zurück zu den ursprünglichen Plänen seit Adenauer/DeGaulle zum Europa der Vaterländer zurück will, und wenn Reformen nicht möglich sind, dann hätte man doch lieber die DM zurück und würde mit den Briten bilaterale Verträge machen. Aber leider sind diese Runden keine gesitteten Abendunterhaltungen, sondern, und das gilt besonders für Illners Agitprop.
Da sitzt also Gauland, der wirkte, als würde er bisweilen einnicken, und nicht einer, der anwesenden Zahlenjongleuren auf die Sprünge helfen kann, die bei jeder Diskussion, warum Deutschland so dolle von der EU profitiert, die Targetsalden unerwähnt lassen, nach denen wir unsere Exporte im Zweifel selber bezahlen müssen. Vielleicht hat die AfD aber auch keinen Parteistrategen. Oder der ist eben Gauland. Oder man ist froh, überhaupt ins Fernsehen zu kommen, wer auch immer.
Die SPD hingegen hat davon eine ganze Menge, um mit Ralf Stegner oder Frank Stauss nur zwei zu nennen, und im Fernsehen sitzt rund um die Uhr immer ein Genosse, der verständnisvoll bis unterwürfig zum Lauf der Welt befragt wird. Und weil an Welterklärern bei den Sozialdemokraten nun wirklich kein Mangel herrscht, kann die Partei aus einem großen Fundus wählen. Warum, um Marxens und Willys Willen, geht dann Maas zur Illner? Als Außenminister bekommt er doch eh schon mehr TV-Aufmerksamkeit als seiner intellektuellen Reputation gut tut, ganz abgesehen vom Dauergetwittere vom „Dürfen nicht…, wir müssen…“-„Team Maas“. Aber wenn er dann komplexere Zusammenhänge schildern will, jenseits von „Klima“, „Bildung“, Gerechtigkeit“ und „Kampf gegen Rechts“, dann kann der Saarländer nur scheitern, das wissen die Genossen doch. Aber gut, wer nicht lernen will, muss schämen. Vermutlich haben sie auch keinen Parteistrategen. Oder Illner will ihnen auch schaden, und wie.
Die Friedensstifterin
Wir zeigen das Desaster mal an einem ganz kleinen Beispiel:
Heiko (sinngemäß): Die EU ist in erster Linie ein Friedensprojekt, niemals mehr hat es Krieg gegeben in Europa, seit wir die EU haben …
Wolfgang Sobotka von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP): …doch, im Balkan…
Heiko (wörtlich): „Irgendwo war immer was.“
Das ist ganz kurz vor Loriot, und zeigt doch überdeutlich all denen, die nicht völlig verstrahlt sind, dass wirklich jeder Juso-Bengel den Job Deutscher Außenminister aus dem Stand ausfüllen könnte, wenn Heiko Maas der Maßstab ist.
Nein, wir wollen jetzt nicht alles widerholen, was wir bereits bei der Anne Will-Kritik zum Brexit geschrieben haben. Gisela Stuart, die als geborenen Niederbayerin bei der englischen Labour-Party Karriere gemacht hat und trotzdem (Labour ist die englische Variante von SPD) für den Brexit stimmte, erklärte noch einmal, warum die Engländer rauswollen: Weil wir eine Insel sind und selbst bestimmen wollen, „wer im Land das letzte Wort hat“. Heiko, den Gisela im Laufe der Sendung immer mitleidiger anschaute (Frauen können das!) verstieg sich dann zur Hybris, dass London wohl nicht an Nord-Irland dachte, außerdem sei das „britische Parlament unfähig zu entscheiden“.
Europas Nüchternheit
Ulrike Guérot, die von den Vereinigten Staaten von Europa träumt und darüber jüngst ein Buch veröffentlichte, zu dem ihr Co-Autor Robert Menasse wesentliche Pro-EU-Zitate bedeutender Europäer beitrug, die, wie im Nachhinein herauskam, diesem im Traum erschienen waren, lobte die Verhandlungsführer der EU, die „sauber und nüchtern verhandelt“ hätten. Bei Schonklod Juncker hätten wir nichts anderes erwartet.
Sie haben das nicht verstanden, belehrte der großspurige Maas dann den Gauland, der für ein Entgegenkommen gegenüber den Briten eintrat. Denn „im Grunde bleibt alles so für 4 Jahre, so lange haben wir Zeit über Zollunion, Binnenmarkt, Norwegen plus zu verhandeln.“ Ja, warum dann die Aufregung, Heiko?
Carolin Roth, eine Journalistin von CNBC durfte dann nochmal die apokalyptischen Reiter loslassen. GB drohe 7,5% Arbeitslosigkeit, Pfundabsturz und ein 8%iger BIP-Einbruch, und Gisela Stuart zeigte ihr den Vogel. Heiko mahnte dann die Zuschauer, dass „’wir’ uns ohne die EU nicht behaupten können“ gegen Donald, China, Klima und Digitalisierung. Deshalb sind ja die Rechtspopulisten so gefährlich, weil Ihr Ansatz, Herr Gauland lautet „Wir wollen mit dem Rest der Welt nichts zu tun haben“. Natürlich wäre der Heiko auch kein Philosoph geblieben, wenn er an solchen Stellen geschwiegen hätte.
Britische Interessen und deutsche
Wegen der Frankfurter, die sich vielleicht Hoffnungen machen, weil Frau Roth behauptete, dass nach dem Brexit ihre Stadt nun Londons Finanzindustrie übernehme, wollen wir nicht verschweigen, dass Gisela Stuart den Zahn schnell zog – das Umzugsziel lautet wohl eher Singapur.
Den wichtigsten Lernsatz für unsere politische Klasse servierte nämliche Labour-Dame in Richtung unseres Herrn Außenministers:
„Herr Maas, das müssen sie verstehen: kein britischer Politiker könnte jemals sagen ‚britische Interessen sind europäische Interessen’“ – wetten, dass der den Satz nicht verstanden hat…?