Tichys Einblick
Schlesingers Katze

Wie RBB-Direktoren nach ihrer Amtszeit weiter kassierten

Die Abgründe beim Rundfunk Berlin-Brandenburg RBB sind noch tiefer als bisher bekannt. Zwei Direktoren haben doppelt und dreifach aus dem Gebührentopf kassiert – nach dem Ende ihrer Amtszeit. Ex-Intendantin Patricia Schlesinger zahlte wohl oft dafür, dass unliebsame Mitarbeiter nicht arbeiten.

IMAGO

Wenn es darum geht, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit dem Geld der Zwangsgebührenzahler anstellt, dann lohnt mittlerweile schon mal ein Blick in das Strafgesetzbuch. Dort ist in § 129 eine Vereinigung definiert als:

„… ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.“

Kriminell ist eine solche Vereinigung, wenn:

„… deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist (…).“

Wir kommen gleich darauf zurück. Zunächst wollen wir uns aber aufrichtig für den ehemaligen Juristischen Direktor des RBB freuen. Der Mann brachte es dank des öffentlich-rechtlichen Systems nicht nur zu erheblichem Wohlstand, sondern er wurde zum Schluss seiner beruflichen Laufbahn auch noch zu einem wohl einzigartigen Phänomen: Schlesingers Katze.

Und das kommt so:

Im Jahr 2016 bezieht Patricia Schlesinger ihr neues Büro als RBB-Intendantin. Nach dem Vorbild aller machtbewussten Menschen schreitet sie sofort zum Großreinemachen und besetzt alle wichtigen Positionen mit Getreuen. Dafür müssen die jeweiligen Amtsinhaber natürlich irgendwie geräumt werden. Manche gehen freiwillig, auch wenn sie noch gültige Verträge haben. Andere nicht. Denen macht Schlesinger den Abgang auf die öffentlich-rechtliche Art schmackhaft: mit Geld.

Der damalige Juristische Direktor arbeitet seinerzeit schon 18 Jahre beim Sender, ist also de facto unkündbar. Doch er ist damals erst 61 Jahre alt, also noch recht weit von der Verrentung entfernt. Aus heiterem Himmel wird der Jurist dann Anfang 2017 zum „Steuermann“ einer geplanten ARD-Strukturreform berufen. Welche Rolle die in der ARD bestens vernetzte Schlesinger bei der Erschaffung dieses völlig neuen Postens spielt, ist zwar nicht dokumentiert, aber man kann es sich ganz gut denken.

Der Mann kann sein Glück kaum fassen, er bekommt in Potsdam ein Büro und eine Assistentin. Seinen Arbeitsvertrag schließt er mit dem RBB und insgesamt neun weiteren ARD-Anstalten. Darin steht, dass der Jurist fachlich „der und dem ARD-Vorsitzenden zugeordnet“ ist. Das ist damals die Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks MDR, Carola Wille – eine gute Freundin von Patricia Schlesinger.

Seltsam genug: Schlesinger – und nicht Wille oder sonst jemand – unterschreibt den neuen Arbeitsvertrag mit dem Juristen. Dessen Jahresgehalt beträgt nach Recherchen von RBB24 jährlich 200.000 Euro, dazu kommen 3.000 Euro Aufwandsentschädigung und eine Kfz.-Pauschale. Der RBB überweist das Geld, die anderen acht ARD-Anstalten erstatten dem Sender die Kosten anteilig.

Nach nur zwei Jahren und reichlich Kritik an seiner Arbeit wird der Vertrag des Juristen nicht verlängert. Das dürfte ihn nicht weiter verärgert haben, denn Anfang 2019 hat er schon wieder einen neuen Job – und wieder einen, der extra für ihn erst erfunden wurde: Er darf sich jetzt „Rundfunkdatenschutzbeauftragter“ für gleich fünf öffentlich-rechtliche Anstalten nennen: den Bayerischen Rundfunk (BR), den Saarländischen Rundfunk (SR), den Westdeutschen Rundfunk (WDR), das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) und das Deutschlandradio (DR).

So viel Verantwortung muss sich natürlich lohnen: Unser Mann bekommt weiter sein außertarifliches RBB-Gehalt in Höhe von rund 18.700 Euro im Monat. Wie gehabt, erstatten die anderen Anstalten dem RBB auch hier ihren jeweiligen Anteil. Bis hierhin hat es Patricia Schlesinger also geschafft, einen unliebsamen Mitarbeiter, den sie nicht loswird, aus ihrem Reich zu entfernen und – für gigantische Lagerkosten – anderswo zu abzulegen.

Sie hat Schlesingers Katze erschaffen: einen Mann, der für den RBB arbeitet und gleichzeitig auch wieder nicht.

Am 1. Januar 2021 geht der nunmehr 64-Jährige in den Ruhestand und bekommt sein vertraglich vereinbartes Ruhegeld in Höhe von rund 12.000 Euro – monatlich. Dass er Ruhegeld von dem Tag an bezieht, an dem er nicht mehr für den RBB tätig ist, hatte er sich schon von Schlesingers Vorgängerin Dagmar Reim in seinen Vertrag schreiben lassen. Da steht auch drin, dass unser Mann

„… Einkünfte aus selbstständiger und nichtselbständiger Tätigkeit oder/und anderer Versorgungsleistungen bis zu 90 Prozent des Nettobetrages aus der zuletzt vereinbarten Gesamtvergütung …“

beziehen kann – zusätzlich zum Ruhegeld. Und jetzt wird die Geschichte erst so richtig lustig: Denn der Jurist arbeitet auch nach seinem offiziellen Eintritt in den Ruhestand beim RBB einfach weiter als Datenschutzbeauftragter für die fünf Rundfunkanstalten. Einziger Unterschied: Jetzt bekommt er zusätzlich zu seinem RBB-Ruhegeld ein „Honorar“ vom BR.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist das Land, wo Milch und Honig fließen. Man muss nur weit genug oben in der Nahrungskette sitzen.

Der Fall macht auch den vorurteilsfreien Beobachter sprachlos. Und er ist kein Einzelfall. Er ist typisch. Bei der ehemaligen RBB-Programmdirektorin ging Patricia Schlesinger nach exakt demselben Muster vor: Der damals 53-Jährigen gewährte sie im Jahr 2016 eine luxuriöse Aufhebungsvereinbarung. Demnach durfte die Dame den Sender schon vor dem ursprünglichen ihres Arbeitsvertrags verlassen – bekam aber trotzdem weiter jeden Monat ihr Gehalt in Höhe von 15.600 Euro. Fürs Nichtstun. Danach bekommt sie laut RBB ihr vertraglich zugesichertes Ruhegeld.

So viel wusste man von Schlesingers zweiter Katze schon bisher. Doch jetzt gibt es Neues.

Offenbar hat Schlesinger der Ex-Programmdirektorin nämlich zusätzlich zu deren üppigen Ruhegeld im Aufhebungsvertrag auch noch eine Abfindung zugesagt: 240.000 Euro „als Entschädigung für die vorzeitige Beendigung ihrer Amtszeit und den Verlust ihrer Anstellung“.

Als Intendantin hat Patricia Schlesinger um sich herum ein einzigartiges Biotop geschaffen: einen Lebensraum für ihr ergebene Zuarbeiter – denen ihre Ergebenheit mit sehr, sehr viel Gebührenzahlergeld vergoldet wurde. Jeder, der auch nur entfernt mal etwas mit betrieblichen Compliance-Grundregeln zu tun hatte, bekommt Schnappatmung bei den Verhältnissen.

Da war sogar eine Direktorin (eine enge Vertraute von Schlesinger) mit einer anderen Direktorin (auch eine enge Vertraute von Schlesinger) verheiratet. Getraut wurden beide von der Vorsitzenden des Rundfunkrats, die qua Amt eigentlich Schlesinger beaufsichtigen sollte. Sie ist im Hauptberuf Pfarrerin und ansonsten, Überraschung, auch eine enge Vertraute von Schlesinger.

Man kann nun viel darüber schimpfen, was das bloß für Leute sind, die sich erkennbar völlig schamlos auf Kosten des Gebührenzahlers die eigenen Taschen vollstopfen. Man kann sich aber auch fragen, wie verrottet ein System sein muss, das offenbar keinerlei irgendwie wirksame Mechanismen hat, um eine solche gigantische Selbstbedienung zu verhindern.

Und man kann sich fragen, weshalb noch kein Staatsanwalt auf die Idee gekommen ist, bestimmte Gruppen und Strukturen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einmal als das zu sehen, was sie doch nur allzu offensichtlich inzwischen sind.

Da wären dann wieder bei den besonderen Vereinigungen.

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