Live bei Anne Will: Die Sigmar-Gabriel-Combexit-Show

Was bleibt von Europa? fragte Anne Will. Besorgt war sie nicht, sitzt doch mit Juncker unser bester Mann am Brexit. Dafür holte Anne den fast vergessenen Sigmar Gabriel ins Rampenlicht.

Screenprint: ARD/Anne Will

Auch wenn Sie durch Dauerberieselung der Öffentlich Rechtlichen das Gefühl haben, alle Briten bedauerten zerknirscht ihre Entscheidung, Europa zu verlassen, und wollen nun doch um jeden Preis brave Brüsseler Untergebene bleiben – lassen Sie sich keinen Exit vom Brexit aufbinden. Der Brexit bleibt, trotz Demonstrationen und den sie unterstützenden Millionen von Soros und anderen, alleine schon weil, so der höfliche englische Botschafter Sir Sebastian Wood sinngemäß: Das Volk hat abgestimmt, da muss die Regierung liefern. Für deutsche Leser vielleicht überraschend, aber das unterscheidet die englische Demokratie von EU-Demokraten, bei letzteren wird so oft abgestimmt, bis es endlich passt (und wenn dazwischen Jahre vergehen).

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Also was soll eine Sendung zum Thema „Der Brexit-Countdown – was bleibt von Europa?“, wo als Stichtag erst der 29. März 2019 gilt? Sollte das eine Hommage an die Londoner Demonstranten sein? Vielleicht ging es aber auch um einen ganz anderen Exit von einem ganz anderen Exit. Denn als einziger Kandidat durfte Sigmar Gabriel die Show zur Selbstdarstellung nutzen. Ihm zur Seite gesetzt waren neben dem zurückhaltenden Botschafter lediglich zwei Journalisten, Dirk Schümer (Welt) und Annette Dittert (ARD).

Sollte da auf zweithöchsten Befehl ein Combexit eingeleitet werden? Sinn machte das durchaus, denn, so tragisch das auch ist, neben dem Ex-Volkshochschullehrer und Ex-Außenminister Gabriel hat die SPD nur ausgewiesene Ladenhüter fürs TV Programm, dem Wähler schwer vermittelbare Personen. Neben dem verschlagenen Maas, der überforderten Barley, der krakeelenden Nahles oder dem falsches Pathos heuchelnden Schulz kann unser Siggi mühelos mit jedem sympathischen Loseverkäufer („Greifen Sie zu! Garantiert keine Nieten!“) mithalten. Wie sagte Merkel so schön vor ein paar Tagen: Mit Griesgram gewinnt man keine Menschen. Und ein Griesgram war der Siggi nicht, sondern eine begnadete Plaudertasche, die mit demselben Gesichtsausdruck selbst sich widersprechende Argumente glaubhaft vermitteln kann.

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Zum Beispiel, wenn er uns die EU verkauft. Was ist Europa? „Frieden, klar.“ Und das „einzige Beispiel in der Geschichte“, das in einer Generation aus Feinden Freunde gemacht habe. Klingt nach der Bordellreklame „Sie kommen als Fremder, Sie gehen als Freund“ – und stimmt natürlich genauso wenig, jedenfalls hat es mit der EU nichts zu tun. Dann glaubt der Siggi „nicht an mehr Europa“, sondern an ein „anderes Europa“, worin sich die beiden unterscheiden, sagt er nicht, klingt aber moderner. Um der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen (Europa der Vaterländer) bringt er nun die für ihn wohl neue Erkenntnis, in Europa sei die Freiheit garantiert durch nationale Verfassungen. Wohl wahr, aber dass Brüssel gerade die in Polen und Ungarn attackiert, vergisst er.

Ansonsten weiß Siggi, „das es uns was kostet“, schließlich sind wir Exportweltmeister, da verteilen wir quasi nur um (Dass wir via Target-Salden unsere Exporte selbst bezahlen, ist ihm wohl genau so unbekannt, wie die Tatsache, dass wir schon länger Exportweltmeister sind).

Selbst dass die EU nur überlebt, wenn sie Wohlstand schafft, „schockartige Zuwanderung“ in die Sozialsysteme verhindert und „fair und gerecht“ ist, hören wir aus Siggis Munde. Und wie weit die EU davon entfernt ist. „Deshalb sind gerade die Arbeiter immer dagegen“, wegen Niedriglöhnen und Steuerflucht der Reichen. Was soll nun sein „anderes Europa“ sein?

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Mit drastischen Worten geht auch Dirk Schümer mit der EU ins Gericht, allerdings aus der Perspektive des enttäuschten Liebhabers, der sich grämt, wie schön alles hätte werden können. „Was hat die EU für einen Mist gebaut! Eine EU ohne Groß-Britannien? Da kommen mir die Tränen.“ Eine geplante EU-Verfassung sei schon bei Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert. Der Euro gefährdet. In Süditalien sei die Jugendarbeitslosigkeit bei 80%. Was macht die EU? Nichts. Die EU macht sich selbst kaputt. Sie ist nur noch eine Utopie für arme Schlucker, erfolgreiche Länder wie Island oder die Schweiz lehnen einen Beitritt ab. Hinzugekommene arme Schlucker zahlen einen hohen Preis, in Rumänien fehlen die Ärzte, die in Deutschland arbeiten. Nur die Eliten in den Ländern profitieren vom Beitritt. Schümer: Das ist eine bourgeoise Sklavenhaltermentalität. Und nun, schimpft er, wolle die EU beim Brexit eine rote Linie ziehen, weil sonst Polen, Ungarn oder Italien ähnliches fordern könnten.

„Das muss man für deutsche Zuschauer erklären“, doziert der neue Universitätsdozent s.c. (socialdemocratis causa) Siggi Gabriel (er hat einen Nebenjob an der Uni Bonn). „Die Engländer wollen den Binnenmarkt behalten“ – „obwohl wir einen Außenhandelsdefizit haben“, wirft Sir Sebastian ein – „als Güterfreiheit ja, Personenfreiheit nein.“ Das ist ja das, was Salvini und die anderen auch wollen. Dann wäre die EU im Eimer! Vielleicht sollte man etwas vereinbaren, wonach die Engländer sich „im Prinzip“ einverstanden erklären, und dann im Kleingedruckten …?

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Annette Dittert von der ARD hat „ein Bein und 1 Hausboot in London“ und mag nicht von einer neuen Abstimmung zum Brexit lassen, bei dem sie sich große Chancen ausrechnet, weil inzwischen „eine Million Alte gestorben sind“. Und auf die Kids ist Verlass. Für Annette (Hausboot, fette Staatsknete, Spesen) ist die EU nämlich eine Wertegemeinschaft, klingt aber eher nach zynischer Einkommensgemeinschaft. Auf jeden Fall ähnlich wie Siggis „Das wahnsinnige Experiment Europa“. Kein Wunder, dass da manche in Deckung gehen bei solchen Experimentalisten.

Jedenfalls sind nur noch vier EU-Staaten für eine Vertiefung der Gemeinschaft. Deutschland (klar, verrückt), Frankreich (solange Deutschland zahlt), die Steueroase Luxemburg (auch klar, lohnt sich) und Belgien (die haben sonst nix). Vier gegen 24! Was ist jetzt mit #wirsindmehr, und wer sind da die Geisterfahrer?

Im Grunde ging es um Merkels Migrationschaos, aber darüber zu sprechen wurde vermieden. Siggi glaubte noch anmerken zu müssen, dass es sich bei der Personenfreizügigkeit um Polen und Rumänen handele, was wir mit Hinweis auf Calais an dieser Stelle übergehen. Amüsant war noch, wie der weltläufige Gabriel über Boris Johnson, so eine Art britisches Spiegelbild seiner selbst, schimpfte. Der spiele „ein übles Spiel“, habe keinerlei Überzeugungen, sondern „wolle nur Theresa May absägen“. Tja, von dem hättest Du noch einiges lernen können …


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Kommentare ( 94 )

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94 Comments
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Ulrich Bohl
6 Jahre her

Wer gerade aus Deutschland eine neue Voksabstimmung in GB fordert muss in seiner Wahrnehmung der Realität in D schon sehr eingeschränkt sein. In Deutschland gibt es in solchen Fragen überhaupt keine Abstimmungen, obwohl wir ja die größten Befürworter der EU sind, so wird es uns vermittelt und wir sollen einfach glauben. Wenn das so ist, dann bitte die Probe aufs Exempel in D, es ist ja nur eine reine „Formsache“ man hat dann allen Skeptikern den Wind aus den Segeln genommen. Wir sind auch stolz auf unsere Politiker trotz immer weiter abnehmender Zustimmung oder stimmen die Wahlergebnisse nicht mit der… Mehr

Old-Man
6 Jahre her

Wozu eine neue Abstimmung,um der Hoffnung zu frönen jetzt wird wieder alles gut? In Großbritannien zählt zu ihrem Glück noch das Wort und die Stimme! Die Hoffnung auf ein anderes Ergebniss weil ja eine Millionen Alte in der Zeit gestorben sind,da würde Ich nicht darauf wetten. Es waren ganz einfach die „Jungen“ bei der Abstimmung zu faul,oder zu sicher, das es keinen Brexit geben könnte. Das Europa nicht nur aus der EU besteht ist tröstlich,das Europa bestehen bleibt wenn die Britten die EU verlassen ebenso,das die Britten noch nicht realisiert haben das Sie danach endlich wieder frei sind,nicht mehr nach… Mehr

Diogenes
6 Jahre her

Köstlich !! Absolut auf den Punkt gebracht! Nichts fehlt, – außer die die Durchführung und der Genuss in die Gesichter der abgewrackten EUler zu sehen und deren Gestammel zu hören.

feinbein
6 Jahre her

Es wird doch von der EU und auch der Bundesregierung und insbesondere den Medien in DE propagiert, daß eine neue Brexit-Abstimmung in GB durchgeführt werden solle , da angeblich jetzt keine Mehrheit mehr für den Brexit vorliegt.Hat aber schon mal jemand von den Medien oder der Regierung daran gedacht, eine neue Bundestagswahl durchzuführen, da auf jeden Fall keine Mehrheit mehr für die WinzGroko gegeben ist? Nein, natürlich nicht, denn das ist ja etwas gaaaanz anderes!!!

Karl Heinz Muttersohn
6 Jahre her

Was die Globalisten und EU Bürokraten umtreibt, ist die recht hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Brexit für GB ein grosser Erfolg wird. Wenn die irrsinnigen Regulierungen der EU erst mal in der Mülltonne sind, wird eine Volkswirtschaft wie die der Briten durchstarten.

Steffen Jonda
6 Jahre her

Nein, das ganz sicher nicht. Der Brexit wird ein Desaster für die Briten. Die Briten können auch nicht durchstarten, das Bildungssystem liegt darnieder, die Infrastruktur ist ruiniert. Eine produzierende Wirtschaft existert nicht mehr. Man hat die City of London und man arbeitet als Zulieferer FÜR die EU. Ein Brexit, vor allem ein „harter“ bedeutet, dass Großbritannien seine letzten Pluspunkte verliert, die großen Firmen, die GB als Basis für ihr Europa-Geschäft genutzt haben dieses verlassen werden. Selbst die „britischen“ Unternehmen planen den Umzug. Für die Briten ist dies in jeder Hinsicht ein Horrorszenario. Vollkommen unabhängig davon ob man nun Pro-EU oder… Mehr

Ben Goldstein
6 Jahre her
Antworten an  Steffen Jonda

Ach, wissen sie. Das Bildungssystem ist nicht so schlecht wie sie tun. Oxford und Cambridge sind nach wie vor renommiert, Eton, LSE und andere Schulen auch. Die Wirtschaft wird sich mit der Deregulierung wandeln, sowie sie sich mit der Regulierung gewandelt hat (z.B. hat die EU den ganzen Fischfang gekillt). Die Briten sind ein ungeheuer dynamisches, geschäftstüchtiges Volk. Die Horror-Prognosen sind interessengetrieben und das machtgeile „Spielball“-Gerede haben Sie aus der Zeitung und nicht durch eigenständiges Nachdenken. Es wird in Deutschland auch ständig suggeriert, dass man plötzlich schlechtere Handelsbeziehungen hätte als totale Außenseiter wie Japan oder China. Unsinn. Sie sind Opfer… Mehr

Christoph_Koehler
6 Jahre her
Antworten an  Steffen Jonda

Schauen wir mal… Sicher ist jedenfalls, dass die Insel nicht im Meer versinken wird und die Briten es bisher immer irgendwie geschafft haben, den Kopf über Wasser zu halten. Ich muss bei derartigen Prognosen immer daran denken, was den USA unter Donald Trump alles prophezeit worden ist. Der „Untergang“ war noch das Mindeste… Und? Was ist heute? Die niedrigste Arbeitslosenqoute seit 48 Jahren!

Ben Goldstein
6 Jahre her

Eine 2. Thatcher und der Laden hat ein Wachstum wie die USA. Bei uns müsste man Himmel und Hölle bewegen, um auch nur die Regulierung zum Nadelördurchmesser wegzukippen („Und was ist, wenn dann mancher dicke Faden nicht mehr durchpasst?“).

armin wacker
6 Jahre her

Also ich gucke schon ewig keine dieser Geschwaetzrunden mehr an. Wenn die nicht auf tichy oder achgut behandelt wuerden? Ist das jetzt eigentlich ne Befoerderung, Wenn der Gabriel jetzt an der UNI schwaetzt oder hat das was mit Gender zu tun?

6 Jahre her

Natürlich muss wieder ein Horrorzenario aufgebaut werden. Von wem? Narürlich von den Deutschen, denn die Engländer sind ja zu blöd für einen Brexit.
Herr Gabriel, erinnern Sie sich noch an Aussagen ihrer Amtszeit als Außenminister?
Mal im Ernst, ich prognosziere das überhaupt nichts passiert, wenn England die EU verlässt. Wie immer, wenn Deutschland etwas nicht passt, muss versucht werden zu manipulieren. In diesem Fall wird es nichts helfen, der Brexit wir vollzogen und er wird der Anfang vom Ende der EU sein.

Ben Goldstein
6 Jahre her
Antworten an  [email protected]

Natürlich wird nichts passieren. Kein Mensch in der WTO wird was machen, nur weil die Briten an der Nordirlandgrenze keine Zölle kontrollieren oder erst mal nur stichprobenartig. Null wird passieren.

NiceChappie
6 Jahre her

Sie haben einen tollen Sinn fuer Humor, Herr Paetow.
Ein Genuss zu lesen.

Absalon von Lund
6 Jahre her

„Was bleibt von Europa?“, fragte Anne Will. Na, ganz sicher Großbritannien und ein paar Rückständige wie Österreich, Ungarn, Tschechien und Polen, aber auch Dänemark, Italien oder Griechenland, die viel klüger sind als Brüssel denkt und natürlich die Schweiz mit dem Schutzpatron Bruder Klaus. Das sind die Leuchttürme auf festem Boden, während sie selbst mit ihrer Talk-Show-Couchgarnitur in den Fluten einer stürmischne See untergehen wird, wenn sie nicht bald den Seelenverkäufer ARD verläßt. Grüße vom Klabautermann!

Wolkendimmer
6 Jahre her

Jau-, am besten war allerdings „DAS PFERD“