Tichys Einblick
Demokratie-/Menschenverachtung für die Sache

Letzte Generation bei Illner: Leben gefährden für Aufmerksamkeit?

Die Antwort der Sprecherin der „Letzten Generation“ auf Illners Frage, ob ihr Protest die Richtigen trifft, zusammengefasst: Carla Rochel will in ferner Zukunft Menschen vor dem Weltuntergang schützen. Deshalb gefährdet sie jetzt die Leben unschuldiger Bürger. Denn sonst merkt’s ja keiner.

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

„Proteste, Verbote, Bürgerfrust – scheitert die Ampel am Klimaschutz?“, so lautete die Leitfrage, die Maybrit Illner ihren Gästen an diesem Donnerstagabend stellte. Mit dabei waren SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, früherer Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), Leiterin des Ifo-Instituts für Energie, Klima und Ressourcen Karen Pittel, Journalist Robin Alexander und Carla Rochel, Sprecherin der „Letzten Generation“. Carla Rochel ist eine interessante Person.

Zunächst ist es doch spannend, wo diese ganzen „Sprecherinnen“ der Letzten Generation immer her kommen. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass die immer Anfang 20 sind, weiblich, mit einem ganz unschuldigen Gesicht – das man niemals zweimal sieht? Während Luisa Neubauer und Greta Thunberg absolute Superstars geworden sind, hat die Letzte Generation so etwas kaum zu bieten, höchstens noch Aimée van Baalen. Ansonsten werden die Talkshows immer wieder mit neuen klebrigen Mädels überflutet, die danach kaum mehr in Erscheinung treten.

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Dazu habe ich unterschiedliche Theorien. Einerseits könnte es sein, dass man damit eine Mannstärke beweisen will – eine Bewegung, die zig Sprecherinnen hat, alle junge hübsche Mädchen, die wirkt attraktiv. Sowohl auf die alten grauhaarigen Politiker, denen ganz warm ums Herz wird, als auch bei den spätpubertären Philosophiestudenten, als auch auf orientierungslose junge Mädchen und natürlich die Alt-68er, die die eigentliche Mehrheit der Bewegung bilden. Denn mal im Ernst – auch wenn die Letzte Generation trotz aller politischer Korrektheit stets darin bemüht ist, die hübschen Frauen nach vorne zu stellen und die typischen Wokies mit Piercings, gefärbten Haaren und weniger präsentablen Gesichtszügen als Schutzschilder auf der Autobahn oder in der hintersten Reihe zu lagern.

Und wenn man sich die Fotos und Videos anschaut, die nicht als PR von der Letzten Generation selbst gepostet werden, dann sind es nie die Werbegesichter, die da an den Haaren weggezogen werden, von Passanten zusammengeschlagen oder von der Polizei unsanft vom Asphalt gerissen. Dafür sind die ja viel zu schade, dafür können die armen Gestalten herhalten, die tatsächlich an die Sache glauben, statt das ganze als Karriereleiter zu betrachten. Vielleicht gibt es irgendwann eine Revolte der Hässlichen in der Letzten Generation und das Problem löst sich von alleine.

Meine zweite Theorie ist ganz simpel: Die bleiben gar nicht lange genug dabei, um mehrmals in Talkshows aufzutreten. Entweder weil sie auf das richtige Pferd gesetzt haben und inzwischen etwas Besseres gefunden haben. Oder weil sie zwar gerne Selfies mit Plakaten im Netz posten, aber dann auch irgendwann genug vom Windelntragen auf verregneten Autobahnen haben. Und dieser Kleber macht bestimmt die Hände trocken und die Nägel rissig. Und da die Letzte Generation aus irgendwelchen niederen Beweggründen ganz scharf auf junge Frauen ist, kommen die auch alle gleich nach ganz oben. Selbst Carla Rochel. Die hat noch nicht so viel Erfahrung mit Dialogen, das merkt man schon nach der ersten Minute. Sie spricht in einer getragenen Stimme, die nicht mal ein Priester in einer Unterhaltung beibehalten könnte. Es wirkt sogar so, als hätte sie die erste Frage vorab bekommen und daraufhin die Antwort einstudiert.

Allerdings hätte sie sich dann auch was Besseres einfallen lassen können als: „Wir gehen gerade überall in Berlin auf die Straße (kurze Kunstpause, gepaart mit Honigkuchenpferd-Grinsen). Hunderte Menschen sind in den letzten Tagen dazugekommen (ja, um euch da abzureißen), weil sie es nicht mehr aushalten, einfach zuzusehen, wie wir weiter in die eskalierende Klimakrise rasen. Und diesen Protest tragen wir mitten in die Gesellschaft weil es uns alle betrifft.“ Das beantwortet die Frage von Illner, ob ihr Protest denn die richtigen treffe, nur so halb. Sie redet danach noch weiter, aber es wird nicht besser, und ich gehe davon aus, dass Sie diesen Artikel lesen, weil Sie eben nicht dieses ganze Geseier ertragen wollen. Die Frage war so schlecht beantwortet, dass Maybrit Illner sogar noch mal nachhakte und die Frage sogar noch verschärfte: „Glauben Sie, dass Sie die Richtigen treffen mit Ihrem Protest, und was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass Sie gegebenenfalls sogar Menschenleben gefährden?“

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Die Antwort lässt zwar wieder zu wünschen übrig – aber die kleine Carla mit so tiefgründigen Fragen zu überfordern, war ja auch gemein. Allerdings gibt sie doch eine interessante Einstellung zu diesem Dilemma preis. „Wir gehen auf die Straße, um Leben zu schützen“, beginnt sie. Sie erklärt dann, dass sie ja auch lieber direkt bei den Politikern demonstrieren würde, aber „das kriegt niemand mit“. Um das Ganze kurz zusammenzufassen: Sie will in ferner Zukunft Menschen vor dem Weltuntergang schützen, deshalb gefährdet sie jetzt die Leben unschuldiger Bürger, denn sonst merkt’s ja keiner.

Ganz unschuldig erklärt Carla immer wieder grinsend, dass sie eigentlich gar nicht zu diesen Mitteln greifen wolle, sich aber dazu gezwungen sehe. Sie war vorher bei Fridays for Future und hat sich legal für den Klimaschutz eingesetzt, doch angeblich wurde das „alles ignoriert“. Wie verblendet muss man eigentlich sein, um tatsächlich zu dem Schluss zu kommen, dass Fridays for Future ignoriert wurde? Luisa Neubauer dürfte aktuell mehr Macht haben als so mancher Bundestagsabgeordneter, und das ganz ohne Wahl. Aber das ist vielleicht das Problem: Bei Fridays for Future wird man nicht von den Entscheidungsträgern ignoriert, aber von Luisa. Für die ist man nur ein Mittel zum Zweck, eine Zahl, die ihre Popularität legitimiert. Aber bei der Letzten Generation kann man als Sprecherin in Talkshows gehen und bekommt ein Millionenpublikum. Abgesehen davon dürfte nun auch klar sein, dass die Kids von Fridays for Future sich sehr wohl radikalisieren.

Wenn Sie noch auf Kontra hoffen, dann seien Sie froh, dass Sie die Sendung nicht gesehen haben, denn dann hätten Sie sie voller Erwartung bis zum Ende schauen müssen. Und ich spreche dabei von einer echten Gegenstimme. Andere Rezensionen werden vielleicht Herrn Dobrindt loben, weil er gesagt hat: „Sie tragen den Protest nicht in die Mitte der Gesellschaft, sondern sie nötigen die Mitte der Gesellschaft.“ Aber dafür, dass er wegen seines Klima-RAF-Zitats in diese Sendung gesetzt wurde, ist er ganz schön weich geworden, als er dann in Carlas große Dackelaugen schauen musste. Nein, natürlich sei die Letzte Generation noch keine terroristische Organisation, rudert er zurück, er habe lediglich vor dem Fall der Fälle warnen wollen, dass es sich in diese Richtung bewegt. Ganz schön mau.

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Und Robin Alexander ist auch keine Hilfe. Nachdem die Runde sich länger über Maßnahmen und Gesetze unterhalten hat und zu dem Schluss kam, dass es sich alles verzögern werde, kommt der noch um die Ecke und weist darauf hin, dass es unter diesen Umständen ja schwierig sei, die Aktivisten von demokratischen Methoden zu überzeugen. Also so richtig mau mau.

Der Gegenwind kam tatsächlich aus unerwarteten Ecken, wobei „Gegenwind“ hier im Verhältnis zu dem zu verstehen sind, was wir von den entsprechenden Akteuren sonst gewohnt sind. So lieb wie Maybrit Illner gewöhnlicherweise zu jungen Aktivisten ist, ist sie an diesem Abend nicht aufgelehnt. Als die Debatte über Klimagesetze ins Leere läuft, verlangt sie von Carla Rochel konkrete Vorschläge. Die gerät dadurch ins Stocken, fängt sich aber wieder, indem sie auf die klassische „Nehmt den Reichen die Yachten weg!“-Parole zurückfällt. „Sollten wir das nicht mal beschränken? Weil dann ist auch wieder Geld da, um sozial gerecht so den Wandel anzuschieben“, erklärt sie.

Die typische Leier, die die Ökokommunisten immer dann runter beten, wenn sie beweisen wollen, dass sie das mit der Finanzierung alles durchdacht haben. Doch das wirklich Spannende an dieser Antwort war, was das mit Kevin Kühnert gemacht hat. Der antwortet darauf: „Selbst wenn ich, was eigentlich gar nicht geht, ein System erfinde, in dem nur Reiche oder nur Unternehmen bepreist werden mit CO2 – na die stellen ja die Produkte bereit, die andere am Ende kaufen. Die produzieren CO2-bepreist die Lebensmittel, die arme Menschen im Supermarkt am Ende kaufen müssen, die dreimal den Euro umdrehen. Die produzieren die Wärmeträger, mit denen am Ende die Heizungen, die ich nunmal im Keller habe, betrieben werden muss.“

Ist das zu fassen? Kevin Kühnert, der damit berühmt geworden ist, dass er VW enteignen will, fängt langsam an, die unergründlichen Wege der Marktwirtschaft zu begreifen. Wissen Sie was? Ich glaube langsam, dass die paar Staus es vielleicht doch wert sind. Die Letzte Generation erweist uns einen großen Dienst: Sie machen die Klimabewegung unsympathisch, spalten die Bewegung selbst und wecken in Kevin Kühnert ein kleines bisschen Verstand. Schön weiter kleben, Freunde! Bis das ganze Theater ein Ende hat.

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