Wenn man Kindern unvermittelt ihr Lieblingsspielzeug wegnimmt, reagieren sie gereizt bis aggressiv. Nach ein paar Minuten beruhigen sie sich freilich wieder. Wenn man linksgrünen Schreiberlingen ihr Jamaika-Märchenbuch wegnimmt, reagieren sie nicht minder infantil. Aber sie beruhigen sich selbst nach Stunden und Tagen nicht. Nun also haben sie ihr Verlusttrauma. Und weil man sich in weiten Teilen der deutschen Presse grün-affin verortet, weil man sein ganzes Ego, seine ganze vermeintlich korrekte Gesinnung in eine ergrünte und den Grünen huldigende Kanzlerin hineinprojiziert hat, kommt noch eine narzisstische Kränkung (vulgo: gekränkte Eitelkeit) mit hinzu.
Seiten über Seiten könnte man damit füllen, was linke Medien seit dem frühen Morgen des 20. November an Dampf ab- und an Bashing auf FDP-Chef Lindner losgelassen haben. Sie sitzen am Schreibgerät oder stehen vor der Kamera und nehmen übel: die öffentlich-rechtlichen Klebers, Schaustens, Slomkas usw. Die „taz“, die Lindner als „Plastik-Politiker“ sieht. Das „Neue Deutschland“, für das Lindner ein „Buhmann“ ist. Die „Frankfurter Rundschau“, die Lindner am rechten Rand fischen sehen will. Ein Jakob Augstein, der in „Spiegel-online“ Lindner und die FDP auf dem Weg in Richtung des jungen Österreichers Sebastian Kurz verortet. Und allen voran der oberste Moralwächter der Republik Heribert Prantl („Süddeutsche“, genannt: „Alpen-Prawda“). Für ihn ist Lindner eine „Irrlichtgestalt“, behaftet mit dem „Odium der Verantwortungslosigkeit“, nach dem Vorbild des ehemaligen FPÖ-Chefs „haiderisiert“. So schrieb Prantl am Montagmorgen nach dem Scheitern von „Jamaika“. Und auch 24 Stunden später hatte Prantl die Contenance noch nicht wiedergefunden. In der Dienstagsausgabe der SZ legte er nach: Die FDP habe die Regierungsbildung „torpediert“ und sich der Verantwortung „verweigert“. Da wollte denn der betont auf Prolokumpel gebürstete Franz Josef Wagner mit seinen offenen Briefen „Post von Wagner“ in der BILD vom 21. November nicht nachstehen. Namentlich spricht er den „lieben Christian Lindner“ als „Jamaika-Töter“, „als Schuft“, als „Schurken“ an. Auch Wagner leidet unter einem Verlusttrauma. Wörtlich: „Was für ein modernes, hippes, charmantes Deutschland hätte Jamaika werden können.“ Und so gehen denn auch manchem das Wort von der Staatskrise und die Erinnerung an „Weimar“ flott über die Lippen.
Zurück zur Hyperventilation der Mainstreampresse: Leider steht sie mit ihrer Hysterie nicht alleine da. Ihre Stichworte bekommt sie frei Haus aus der Politik. Auch aus der CSU, die sich über das Scheitern von Jamaika doch eigentlich am meisten freuen sollte. Aber wer kann Dreh-, pardon: Seehofer noch verstehen? Nun lässt er seine Lautsprecher ebenfalls über die FDP schimpfen und bedankt sich auch noch bei Merkel für die vierwöchigen Sondierungsbemühungen. Geht’s noch? Wofür eigentlich? Dafür, dass sie alles ziel- und planlos treiben ließ, wie ihr der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck (Die Grünen) ins Stammbuch schrieb?