Tichys Einblick
niiiiiieeeemand konnt mit sowas rechnen

Lauterbach erschüttert über Wahlergebnis: Höcke erinnert ihn an Goebbels

Wenn die Sendung eins bewiesen hat, dann dass sich in diesem Land absolut gar nicht ändern wird. Die Altparteien wissen immer noch nicht, was sie die Stimmen gekostet hat und sie vertreiben ihre Wähler immer weiter.

Screenprint ARD / Hart aber Fair

Was für ein absolut überraschendes Wahlergebnis uns Thüringen und Sachsen da vor die Füße gelegt haben. Sind Sie überrascht? Ich bin überrascht, auf jeden Fall, niiiiiieeeemand hätte mit sowas rechnen können. In der ARD-Redaktion scheint es ganz schön Spuren hinterlassen zu haben. Bei Hart aber Fair bezeichnet man es als „Politbeben“ und fragt sich, ob es unser Land verändern könnte.

So als wären die rund 30 Prozent pro Bundesland für die AfD vom Himmel gefallen. So als hätten die 10 bis 15 Prozent, die BSW gewählt haben, nicht auch schon vorgestern unter uns gelebt. Nein, mit diesem Wahlergebnis hat sich ein Gespenst aus seinem Fluch befreit und macht sich gerade auf, um unser Land zu verändern.

Louis Klamroth kann man vieles vorwerfen. Doch bei Stilmitteln hat er aufgepasst. Niemand sonst im Talkshow-Geschäft schafft es so wie er, Gefühle wie Verzweiflung oder Bestürzung oder gar schiere Panik in einer Gästeliste auszudrücken.

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Da hätten wir den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach , dann den ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Thorsten Frei, den BSW-Generalsekretär Christian Leye, die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Beatrix von Storch, die „Wirtschaftweise“ Veronika Grimm, die Zeit-Autorin Jana Hensel, den Spiegel-Hauptstadtjournalisten Markus Feldenkirchen und der Podcaster und Schriftsteller Hendrik Bolz. Eine nicht enden wollende Liste, die auch Klamroth selbst runterratternd vorlesen musste.

„Triumph für AfD und BSW: Wie verändern diese Wahlen das Land?“ Diese Frage stellte er zu Anfang aber nur zwei der vielen Gäste. Denn da sitzt nur Beatrix von Storch am linken langen Tisch und Veronika Grimm auf der rechten Seite. Mich erinnert diese Aufstellung an eine Vorlesung in Rechtsphilosophie, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat.

Da ging es um die Geschichte der Todesstrafe und die unterschiedlichen historischen Stimmen dafür und dagegen. Nach einer Reihe gefühlsduseliger Zitate über das Recht auf Leben und eine zweite Chance blablabla, kam da Voltaire – ein Gegner der Todesstrafe, aber nicht so, wie man es erwarten würde.

Er argumentierte: Wenn wir gesunde Menschen umbringen, verlieren wir Arbeitskraft. Viel effektiver wäre es, sie zu Zwangsarbeit zu verurteilen. Eine wirklich sehr pragmatische Argumentation, die für sich genommen wahrscheinlich sehr viel wirkungsvoller war. Einem Verfechter der Todesstrafe lässt sich Zwangsarbeit als Argument sicher besser verkaufen als die Moral der Nächstenliebe.

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Ich glaube so ähnlich hatte die Hart aber Fair-Redaktion auch gedacht, als sie die AfDlerin und die Wirtschaftsweise gegenüber setzte. Wenn wir den Idioten ihre blauen Schnappsideen nicht mit Verfassungsschutz und Brandmauer austreiben, dann müssen wir ihnen eben erklären, dass die AfD sich nicht rentiert, oder so ähnlich.

Das Problem war nur, dass die Wirtschaftsweise das nicht so wirklich mit sich machen lassen hat. Sie dachte, sie wird jetzt hier wirklich eingeladen, weil wir sie alle so toll finden und uns für ihre persönliche Meinung interessieren. Was ich verstehen kann, es würde Ihnen und mir wohl nicht anders gehen, wenn uns sämtliche Sender des öffentlich rechtlichen beinahe wöchentlich Honig ums Maul schmieren würden, weil wir ja so weise sind.

Also teilt sie uns ihre Meinung mit. Zum Beispiel glaubt sie, werden Informatiker aus Indien nach dem Wahlergebnis der AfD nicht mehr unbedingt nach Deutschland kommen wollen, denn: „Die wollen ja auch ein schönes Leben haben.“ Gut, das lockt nun keinen alteingesessenen AfD-Wähler hinterm Ofen vor – ist Klamroth wohl auch aufgefallen, denn Storch und Grimm waren schnell weg vom Fenster.

Nach einem lustigen Einspieler mit Stimmen aus dem Volk, die ihr Unwohlsein nach den Wahlen bekunden, geht es dann mit dem Rest der Gästeliste weiter. Haben Sie Karl Lauterbach auch so sehr vermisst wie ich? Ihn in der Runde zu sehen, hat mich richtig nostalgisch gemacht, so als wäre wieder 2020 und ich hätte noch nicht zwei Jahre meines Lebens an die Coronamaßnahmen verloren.

Die erste Frage, die Klamroth ihm stellt, ist zugegeben gemein. Es geht um die mickrigen paar Prozent, die die SPD abgestaubt hat, verglichen mit den 30 Prozent, die nun die AfD abgegraben hat: „Macht die SPD so schlechte Arbeit oder sind die Wählerinnen und Wähler so doof?“

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Karl Lauterbach weiß genau, was er darauf antworten will, er weiß aber auch, dass er das lieber nicht tun sollte. Also lenkt er ab. Er finde die Ergebnisse schockierend, „ob die SPD da etwas besser weg gekommen ist oder etwas schlechter oder was auch immer, das kann nicht das zentrale Thema sein, sondern wir haben hier ein bestürzendes Ergebnis“. Bestürzend auch deshalb, weil die AfD sich zuletzt zunehmend radikalisiert habe, einige Äußerungen von Höcke würden Lauterbach an Goebbels erinnern.

Ja, er weist die Mitschuld schon auch der Ampel zu. Aber so ganz ehrlich kann er nicht nachvollziehen, weshalb ihn niemand mehr lieb hat. „Wir sind in diesen Krieg geraten. Wir hatten eine unglaubliche Abhängigkeit vom Gas, die haben wir überwunden. Wir haben eine Inflation gehabt, die haben wir überwunden. Wir sind in eine Situation gekommen, wo wir der zweitwichtigste Waffenlieferant für die Ukraine in diesem Krieg sind, das schaffen wir. Wir nehmen mehr Flüchtlinge aus der Ukraine auf als jedes andere europäische Land, das schaffen wir. Wir machen einfach viel.“

Wenn die Sendung eins bewiesen hat, dann dass sich in diesem Land absolut gar nicht ändern wird. Die Altparteien wissen immer noch nicht, was sie die Stimmen gekostet hat und sie vertreiben ihre Wähler immer weiter. Nachdem wir uns eine Stunde Karl Lauterbach bei Hart aber Fair reinziehen durften, übergibt Klamroth an die Tagesthemen – die die Wahlergebnisse mit Jens Spahn diskutieren wollen.

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