Tichys Einblick
Lars Klingbeil bei Caren Miosga

Selenskyj als Sänger von „Fury in the Slaughterhouse“?

Bei Caren Miosga wird es „unangenehm“ für Lars Klingbeil: Miosga zitiert einen Songtext und er denkt, der stamme von Selenskyj. Dann wird seiner Partei vorgeworfen, sich als „Friedenspartei“ auszugeben. Klingbeil versucht an dem einen festzuhalten, was seine Partei noch zu bieten hat.

Screenprint ARD / Caren Miosga

Caren Miosga zitiert den Song „Time To Wonder” und Lars Klingbeil vermutet, das Zitat stamme vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Miosga muss dem Parteivorsitzenden der SPD erklären, dass es nicht Selenskyj war, der gesagt hat: „Dies ist nicht die richtige Zeit für Fragen, und auch nicht die richtige Zeit für Tränen“ – sondern die bekannte, deutsche Rockband “Fury in the Slaughterhouse”. Das ist Klingbeil dann ein bisschen unangenehm – immerhin spielt er selbst leidenschaftlich Gitarre. Aber das Lied beschreibe den „Ernst der Lage“ in der Ukraine, rechtfertigt er sich. Damit hat er der grün gekleideten Miosga eine Steilvorlage gegeben. Sie möchte in dieser Sendung herausfinden, wofür es die SPD noch braucht: Wohl eher nicht zum Erraten von Songtexten.

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Miosga passt es offenbar nicht, dass sich die SPD als „Friedenspartei“ ausgibt: Sie beharrt auf einer Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Rolf Mützenich, der gesagt hat, man solle darüber nachdenken, wie man den Krieg in der Ukraine „einfrieren“ und später auch beenden kann. Diese Worte gefallen Miosga überhaupt nicht: Sie wird immer lauter und wütender in ihren „Fragen“, während Klingbeil mit ruhiger Stimme verdeutlicht, dass die SPD die Ukraine weiterhin und dauerhaft unterstützen werde. Das habe auch Mützenich in seiner Rede gesagt.

Klingbeil findet, die Worte von Mützenich würden „gezielt missinterpretiert“. Er kritisiert, dass Diskurse darüber, wie Frieden hergestellt werden könnte, verengt würden. Miosga demonstriert in drei Schritten, wie man eine solche Friedensdebatte verhindert: Erstens zeigt sie auf einer Karte die Gebiete der Ukraine, in denen Frauen vergewaltigt würden, sollte der Krieg eingefroren werden. Zweitens präsentiert sie ein Interview von Wladimir Putin aus dem russischen Staatsfernsehen, in dem dieser sagt, es sei „lächerlich“ für Russland, nun zu verhandeln, bloß weil der Ukraine die Munition ausgehe. Drittens merkt Miosga an, dass der Vorsitzende der AfD nach der Rede von Mützenich applaudiert habe und fragt, ob Klingbeil das gut finde – tut er nicht. Miosga scheint Klingbeil ausreden zu wollen, sich als „Friedenspartei“ zu präsentieren. Sie halte das für Wahlkampf, sagt sie. Klingbeil widerspricht.

Klingbeil widerspricht allerdings nicht, dass der Bundeskanzler Olaf Scholz „kommunikativ eine Wüste“ ist, wie es Maximilian Mumm von der SPD (!) ausdrückt, der in einem Einspieler gezeigt wird. Er ist Bürgermeister der Verbandsgemeinde Maifeld in Rheinland-Pfalz und ist unzufrieden mit dem „Durcheinander“, das die Ampel veranstaltet, und den „Schachtelsätzen“ von Scholz. Mit seiner Kritik ist Mumm nicht allein: Immerhin steht die SPD momentan schlechter da als jemals zuvor, obwohl sie den Kanzler stellt. Oder gerade weil sie den Kanzler stellt:

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Laut einer Dimap-Umfrage sind derzeit 76 Prozent der Deutschen unzufrieden mit der Arbeit des Kanzlers. Die stellvertretende Chefredakteurin von „Table.Briefings“, Helene Bubrowski, sagt, warum: Scholz „hält seine Versprechen nicht“. Beispielsweise hat Scholz 400.000 neue Wohnungen versprochen – das habe er aber nicht eingehalten. Außerdem meint Bubrowski, die Deutschen würden Scholz nicht mehr vertrauen und seien verunsichert, weil Scholz ihnen die Wahrheit vorenthalte. Bubrowski plädiert dafür, dass die SPD die Wahrheit ausspricht – auch wenn sie unangenehm sein mag.

Klingbeil besteht darauf, dass die SPD ein Versprechen eingehalten habe: das Rentenniveau zu stabilisieren. Er verweist auf die Rentenreform, die die Ampel jüngst auf den Weg gebracht hat. Aber das reicht für Bubrowski nicht: Die SPD könne den demographischen Wandel nicht aufhalten, sagt sie. Auch der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, hält diese Rentenreform nur für einen „Tropfen auf dem heißen Stein“. Es sei „immerhin ein Anfang“, aber komme nur denjenigen zugute, die zeitnah in Rente gehen.

Schularicks Meinung nach muss die Ampel auf Wirtschaftswachstum setzen, um – unter anderem – die Rentenprobleme zu lösen: Die Ampel solle es attraktiver für Rentner machen, länger zu arbeiten. Und zudem solle sie die Frauenerwerbstätigkeit und die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt stärken. Klingbeil versteht die Vorschläge seiner Gesprächspartner für eine „zukunftsfeste Reform des Sozialsystems“ so, dass das Renten-Eintrittsalter hochgesetzt und der Sozialstaat abgebaut werden soll. Das mache er und seine Partei nicht mit, wiederholt er mehrmals. Klingbeil möchte offensichtlich nicht das eine verlieren, das seine Partei ausmacht: Ihr Sozialsystem. Das Schlusswort kommt Schularick zu: „Die SPD soll ihren Fokus auf ein Wachstum von morgen legen – nicht auf das, was mal war.“

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