Tichys Einblick
Linnemann und Theveßen im Heißluft-Duell

Bei Lanz überraschend milde Töne zu Trump

Wenn Sie wenig Zeit haben und trotzdem wissen möchten, auf welchem Niveau sich der Debattierclub bei Markus Lanz gestern Abend bewegte, lesen Sie einfach nur den nächsten Absatz und klicken dann getrost weiter. Gern geschehen. Von Michael Plog

Screenprint: ZDF / Markus Lanz

Thema: Bürgergeld und Leute, die nicht arbeiten, obwohl sie es vielleicht könnten. Auftritt Olk, Redakteur beim Handelsblatt: „Wenn der Dachdecker vom Dach fällt, dann kann man den da nicht mehr hochschicken.“ Auftritt Linnemann, CDU-Generalsekretär: „Das muss man auch, finde ich, mal klarstellen, weil das oft nicht klargestellt wird.“ Auftritt Lanz: „Das ist das, was immer klargestellt wird. Oder? Ist doch so. Das wird immer klargestellt. Ich hätte gern den Rest heute mal klargestellt.“

Ach, Sie sind noch da? Gut, dann gehen wir mal in die Details der Sendung. Aber beschweren Sie sich nicht, wenn Sie wegnicken.

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Um es kurz zu machen: Klargestellt wurde wenig, ganz wenig an diesem Abend. Gut, wer hätte das auch erwartet? Das wäre ja wie Maggi-Kochstudio ohne Geschmacksverstärker. Lanz ist nunmal wie Tütensuppe. Viel Meinungsverstärker, aber nichts Gehaltvolles. Schnell satt mit wenig Wareneinsatz. Nur mit dem Unterschied, dass eine Tütensuppe wirklich billig zu machen ist. Die Produktion der Lanz-Suppe hingegen kostet den Gebührenzahler alljährlich etliche Fantastillionen (allein der Moderator erhält pro Jahr 1,9 Millionen Euro).

Dass wenig klargestellt werden konnte, was sonst nicht klargestellt wird, obwohl man es doch endlich mal klarstellen sollte, liegt vor allem daran, dass immer wieder dieselben Gäste eingeladen werden. So, als würde man ein anderes Ergebnis erwarten, auch wenn man immer dasselbe tut. Gestern: wieder eine ultralinke Journalistin der Taz (Anne Lehmann), wieder der USA-Korrespondent des ZDF, Elmar Theveßen. Wieder Carsten  Linnemann. Der CDU-Generalsekretär, dessen Herkulesaufgabe es ist, den Blackrock-Bonzen und CDU-Chef Friedrich Merz irgendwie als Mann des Volkes zu präsentieren. Er bemüht sich, wie man weiß, stets nach Kräften. Doch gestern hatte er seine liebe Not. Kurzzeitig strauchelte er, wie man es von einem Dampfplauderer seines Schlages nicht gewohnt ist.

Korrespondent Elmar Theveßen scheint ein Abo bei Lanz abgeschlossen zu haben. Oder er hat zu viel Tagesfreizeit. Man weiß es nicht. Wie oft war er jetzt bei Lanz zu Gast in den vergangenen Wochen? Gefühlte hundertmal. Das könnte übertrieben sein, um das mal klarzustellen. Und schon wieder erklärt Theveßen dem Zuschauer, wie sein Blick auf die USA gefälligst zu sein hat. Sein bester Satz: „Joe Biden, hat man das Gefühl, sitzt ein Stückchen fester im Sattel.“ Hat er wirklich gesagt!

Doch es gibt eine überraschende Wendung im Weltbild des Theveßen. Er berichtet von J.D. Vance, dem neuen zweiten Mann hinter Donald Trump, der diesen einst extrem kritisierte und nun als offizieller Vizepräsident in spe präsentiert wurde. Wie Vance hat sich offenbar auch Theveßen dem Republikanerlager angenähert. Wenn auch nicht so extrem, er ist schließlich beim ZDF. Aber immerhin: Was Vance unlängst auf der Münchner Sicherheitskonferenz geäußert hat, sei gar nicht so verkehrt gewesen. „Ich glaube, er hat inhaltlich recht mit dem, was er da sagt“, urteilt Theveßen. Hört hört.

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Zur Erinnerung: Vance hatte sich auf dem Podium mit der Grünen Co-Chefin Ricarda Lang einen Schlagabtausch geliefert. Sie, die Frau mit einzeiligem Lebenslauf, wollte ihm, dem Ex-Marine und Irak-Veteranen erklären, wie Kriegstüchtigkeit funktioniert. Er erklärte ihr, fundiert und prägnant, wie Wirtschaft funktioniert und warum Deutschland zunächst mal seine Deindustrialisierung stoppen müsse.

Bei Lanz ist dies der Einsatz für den Handelsblatt-Redakteur. Julian Olk sieht den „großen Abgesang“ überhaupt nicht. Seltsam, dabei macht er doch in Wirtschaft. Kennt er nicht die Zahlen? Insolvenzen auf Rekordniveau, große Industriebetriebe gehen ins Ausland, kleine gehen pleite. Für Olk kein Thema, er redet wie ein Grünen-Pressesprecher: „Wir erleben einen Strukturwandel. Wir erleben eine Energiewende.“ Ja genau, Deutschland hat Energiewende. Vielen Dank soweit.

Beim Thema Trump schlägt auch CDU-Linnemann wie Theveßen ungewohnte Töne an: Vance sei ein „Coup“ gewesen. Den größten Gegner auf seine Seite zu ziehen, sei für Trump ein großer Erfolg. Und mehr noch: „Trump ist ein knallharter Dealmaker. Wir brauchen jetzt hier knallharte Führung in Deutschland. Auf Augenhöhe.“ Wen er damit nicht meint, ist klar. Aber Bundeskanzler Scholz dürfte um diese Zeit schon schlafen.

Anna Lehmann hängt immer noch an Biden. Der sei „ein Glücksfall für die transatlantischen Beziehungen“ gewesen. Doch sie hat auch eine wichtige Erkenntnis gewonnen: „Er wird in den nächsten vier Jahren nicht jünger. Von daher wäre es gut, wenn er mal Platz machen würde.“

Was aber nun, wenn Trump tatsächlich der nächste US-Präsident wird? „Die Folgen wären für Deutschland eklatant“, sagt Olk. „120 Milliarden Schaden für Deutschland in den nächsten vier Jahren“ hat er ausgerechnet. Und das seien nur die zehn Prozent Strafzölle, die Trump angekündigt hat. Lanz malt noch einen anderen Teufel an die Wand. China könnte möglicherweise irgendwann mit seiner Überproduktion an Solarmodulen, Windkraftanlagen und Autos „den europäischen Markt fluten“. Was er verschweigt: Dieses „Irgendwann“ ist längst der Fall.

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Zu all diesen Themen hat CDU-(V)Erklärer Linnemann stets die passende Floskel im Köcher. Ein Kanzler Merz würde Trump selbstverständlich „auf Augenhöhe“ begegnen und „ein starkes Zeichen entgegenstellen“. Dann würden sogar „eigene Forderungen an Trump formuliert“. Die CDU sei gegen Strafzölle (ach ja?), denn „am Ende gibt es nur Verlierer. Freihandel – Wenn ich den beschränke, schaffe ich am Ende auch Armut.“

Ausgerechnet an Anne Lehmann richtet Linnemann den folgenden Appell: „Wir müssen mal wieder Verständnis für die Wirtschaft bekommen.“ Weiß er denn nicht, dass sie bei der Taz arbeitet, also mit Kapitalismus generell nichts am Hut hat? Sie kontert dann auch wie erwartet: Dass es angeblich Hunderttausende geben soll, „die arbeiten gehen könnten, aber nicht wollen, das stimmt ja so nicht“, sagt Lehmann. Da gebe es doch eher „Vermittlungshemmnisse“.

Linnemann hingegen vermittelt eine Spur von Sympathie zum Trump-Lager: Es sei jetzt „vielleicht ’ne Chance mit Trump. Jetzt ist die Chance, da jetzt mal Dinge zu machen, die wir sonst nicht gemacht hätten.“ Oder haben. Zum Beispiel in 16 Jahren Merkel-CDU-Regierungszeit. Lanz bringt genau diesen Einwand: „Was sagt Ihnen das?“ Linnemann steht auf dem Eis, rutscht, aber er fällt nicht. „Dass wir nicht gut genug waren und es jetzt besser machen müssen, Herr Lanz.“ Bisschen billig, aber immerhin: Der Popo tut nicht weh, und die Frisur sitzt. Merke: Ein original Linnemann-Pudding wackelt zwar, aber er lässt sich nicht an die Wand nageln.

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