Herrje, es gibt so viele Probleme! Und nur so wenige Gäste, die dieser Qual noch standhalten können. Aber Markus Lanz hat wieder die Rechten am Start. Also Rechte im Sinne von richtig. Die politisch Rechten kommen dann sicher später. Irgendwann. Sobald der Wind sich dreht.
Herbert Kickl (FPÖ) wird nun doch der neue Bundeskanzler in Österreich. Die Altparteien haben den Wahlsieger FPÖ vergeblich von der „Machtergreifung“ ferngehalten. Daniel Günther, der Vorzeige-Grüne der CDU und Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, findet das parteikonform „besorgniserregend“. Er nippt am Wasserglas und hofft voller Bestürzung, „dass sich Ähnliches in Deutschland niemals wiederholen wird“. Diesen Zahn zieht ihm Marc Felix Serrao ohne Betäubung: Der Chef des Berliner Büros der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) sagt: „Noch ist die AfD nicht so groß wie die FPÖ, aber das kann in vier Jahren anders aussehen.“
Lanz lässt den neuen ÖVP-Chef Christian Stocker einspielen und dessen Wandlung vom Saulus zum Paulus. Bisher hat er den FPÖ-Chef Kickl stets harsch abgelehnt, bisweilen sogar beleidigt. Nun plötzlich lenkt er ein und will koalieren. Lanz wendet sich danach direkt an Daniel Günther: „Geht ihr Albtraum so, dass irgendwann Friedrich Merz oder Markus Söder da stehen und genau so reden müssen?“
„Ich glaube, dass die Sorge völlig unbegründet ist“, antwortet Günther und nippt am Glas. Die Situation in Österreich sei einfach „nicht vergleichbar mit der Situation in Deutschland“. Der geneigte Zuschauer, bei Lanz normalerweise zu dieser Zeit längst selbst entschlummert, fragt sich: Wann wacht Günther endlich auf?
Dunz versucht den Kieler Küstenmann zu wecken. „So unvergleichlich ist das gar nicht“, sagt sie. Was, wenn Merz die Partei für die AfD öffnen würde? „Sie wissen ja nicht, was in Ihrer großen Union dann passiert!“ Doch Günther bleibt gelassen. Dunz malt es deshalb nochmal in etwas bunteren Farben nach: „Wenn die nächste Regierung so weitermacht, wie das im Moment zu vermuten ist, und die würde brechen, dann sind wir sehr viel schneller an dem Punkt, dass sich diese Kraft der AfD nochmal verstärken wird.“
Serrao stößt ins gleiche Horn: Günthers gespielte Gelassenheit findet er „aus der Parteilogik heraus nachvollziehbar. Aber ich erinnere mich auch an Worte von Friedrich Merz über Sahra Wagenknecht, die er sowohl links- als auch rechtsextrem genannt hat und auch da eine Zusammenarbeit für ein Ding der Unmöglichkeit erklärt hat. Und siehe da, kurze Zeit später hatte man eine andere Realität.“
Serrao kritisiert, dass gebetsmühlenartig zwischen demokratischen Parteien und der angeblich undemokratischen AfD unterschieden wird. „Bei der Union mag es den Willen geben, aber die Partner, die demokratischen Parteien, wie Sie sie nennen, mit denen Sie bereit sind, überhaupt nur ein Bündnis zu knüpfen, die werden da nicht mitmachen“, sagt er und ergänzt: „Wie Sie die Migrationspoltik vom Kopf auf die Füße stellen wollen mit den Grünen – wüsste ich nicht, wie das gehen soll.“ Politologin Corinna Milborn sieht es fatalistisch: „Der Zug ist abgefahren. Unsere Gesellschaften werden nicht mehr aussehen wie in den 50er-Jahren. Überall blonde Kinder im Dirndl … das wird nicht mehr stattfinden.“
Man solle die AfD einfach mal „in die Pflicht nehmen“, empfiehlt Serrao. So könne man sie zähmen oder entzaubern. Und er sagt einen bemerkenswerten Satz: „Ich wundere mich, dass es in der deutschen Öffentlichkeit so viele Stimmen gibt, die sich eher um das Wohl von illegalen Migranten, die hier straffällig werden, sorgen als um die einheimische Bevölkerung, die unter solchen Straftätern leidet.“
Günther ruht sich derweil auf den 30 Prozent aus, die seine CDU in aktuellen Umfragen noch immer erzielt. Es sei ja nicht die CDU, die aus einer Position der Schwäche komme, sondern all die anderen. Und wenn der CSU-Chef eine Koalition mit den Grünen ausschließt, dann sei das nebensächlich, denn: „Söder führt diese Diskussion im Prinzip mit sich selbst.“ Doch Günther gibt auch den großen Abschieber: „Menschen, die kriminell werden, die ihr Gastrecht missbraucht haben, müssen so schnell wie möglich zurückgeführt werden.“ Damit haut er Sätze raus, bei denen Correctiv hyperventiviliert und für die ein Martin Sellner in deutschen Städten Betretungsverbote kassiert.
Lanz erwähnt Thüringen, wo CDU-Chefplagiator Mario „Mettbrötchen“ Voigt nach Art einer Resterampe alle verfügbaren politischen Gegenpole krampfhaft zusammenzuklemmen versucht, nur um ja den Wahlsieger AfD nicht an die Macht zu lassen: „Ist das wirklich der Wählerwille?“, fragt Lanz. Eine rhetorische Frage.
Wie schnell so eine Krampf-Koalition scheitern kann, erklärt unterdessen Milborn. Woran lag es denn eigentlich in Österreich, fragt Lanz. „Das wollen Sie nicht einmal wissen, so uninteressant waren die Themen, an denen das gescheitert ist“, antwortet die Politologin. Renteneintrittsalter mit 63 oder 64 Jahren etwa sei allen Ernstes ein Streitpunkt gewesen. „Kleine, kleine Dinge. Da denkt man, man spricht nicht mit erwachsenen Menschen.“ Kickl hingegen sei ein klar denkender Stratege, der eigene Befindlichkeiten hintan stelle und im Gegensatz zu anderen die aktuelle Situation nicht einmal parteitaktisch ausnutze. „Wenn es jetzt Neuwahlen gäbe, würden sie 37 Prozent erzielen“, sagt Milborn über die FPÖ. Der Frust im Land sei einfach zu groß. Aber Kickl nutze das nicht einmal aus. Er wolle einfach an die Arbeit gehen. „Kickl, der spielt auf einem anderen Spielfeld“, sagt Milborn. „Es wird auch Auswirkungen in Deutschland haben. Ich bin mir sehr sicher, dass Kickl auch mit Alice Weidel wahlkämpfen wird. Und der bringt natürlich ein Selbstbewusstsein mit, das ausstrahlt auf die AfD.“
Schnappatmung in der Runde.
Serrao findet die Reaktion deutscher Medien auf das angekündigte Gespräch zwischen Weidel und Musk „gelinde gesagt bemerkenswert“. Wo sei denn da eine Einmischung in die Politik, fragt er? Bundespräsident Steinmeier habe Donald Trump 2016 sogar als Hassprediger bezeichnet, viele deutsche Politiker hätten Kamala Harris offensiv zur Wahl empfohlen. Und jetzt rege man sich auf, weil Elon Musk mit Alice Weidel sprechen will? Serrao:„Ich verstehe nicht das Misstrauen ans Publikum.“
Einen besonders schönen Moment gibt es noch: als Lanz versucht, Kristina Dunz ins Grübeln zu bringen. „Gedankenspiel“, sagt er. Mal angenommen, es wäre Bill Gates gewesen, der sich für die Grünen ausspricht. Wie wäre wohl dann die Reaktion der deutschen Medien ausgefallen? Dunz braucht geschlagene sechs (!) Sekunden Nachdenkpause. Und muss zugeben: „Wahrscheinlich wäre die Aufregung nicht so groß gewesen. Das ist wahr. Ich weiß aber nicht, ob Bill Gates diese Aufmerksamkeit überhaupt bekommen hätte.“ Lanz lässt nicht locker: „Wir können es ja nochmal anders spielen. Elon Musk hätte die Grünen empfohlen.“ Wäre dann die Aufregung so groß geworden? Dunz will nicht mehr. Sie blafft ihn an: „Das ist absurd! Weil er das nicht getan hätte!“
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Elmar Theveßen war auch dabei. Stand in Florida an einem Tümpel, hatte nichts Besonderes zu sagen. Man werde sich in nächster Zeit sicher noch öfter sprechen, sagt Lanz.
Eine unverhohlene Drohung.