Seit der großen Grenzöffnung von 2015 ist das Land deutlich islamischer geworden. Importierte Konflikte und kultureller Sprengstoff sind zwangsläufig eine Folge der bis heute anhaltenden Willkommenspolitik und millionenfachen Einwanderung. Für die deutsche Mehrheitsgesellschaft stellt sich die Frage nach einem vernünftigen Umgang.
Die Lanz-Sendung am Donnerstagabend ist ein gelungener Ansatz für eine kritische Debatte. Ausschließlich islamische Gäste sprechen über die gefährlichen Auswüchse innerhalb der Religionsgemeinschaft. Die Sensibilität für ein entschiedenes Handeln gegen die Intoleranz der eigenen Community wächst in Teilen. Allerdings ist der Weg zu einer toleranten und friedliebenden Religionsgemeinschaft noch ein weiter. Denn die fundamentale Seite des Islam weiß es, sich einen progressiven Anstrich zu verpassen.
Israelhass seit Generationen
Nicht erst wegen des Kriegs in Gaza wird der Israelhass in großen Teilen der muslimischen Community zelebriert. Schon mit der Muttermilch saugen junge Muslime aus der arabischen Welt die Abneigung gegen den jüdischen Staat auf. Es ist eine tradierte kulturelle Feindschaft gegen Israel und gegen das Judentum. Der Jurist und Ditib-Aussteiger Murat Kayman geht mit seiner Gemeinschaft hart ins Gericht. „Es gibt keine soziale Ächtung für Antisemitismus“, kritisiert Kayman. Diese Ächtung wäre absolut notwendig.
An deutschen Universitäten wird Vandalismus und Antisemitismus von muslimischen und linken Studenten praktiziert. Ein Aufschrei der Muslime in Deutschland und ihrer Religionsverbände ist ausgeblieben. Dieses Verhalten ist verwunderlich, da eine sofortige gesellschaftliche Ächtung von Rassismus auf islamischer Seite reflexartig eingefordert wird. Wie sehr sich Teile der muslimischen Gemeinschaft gegen eine glasklare Verurteilung von antisemitischen Sprüchen wehren, unterstreicht die Sendung.
Khola Maryam Hübsch sitzt im Rundfunkrat des hr. Sie will die Proteste an deutschen Unis nicht per se als skandalös einordnen. So sei etwa die Schmiererei „From the river to the sea“ nicht zwangsläufig eine Aufforderung zur Auslöschung des jüdischen Staates, meint Hübsch. Wenn zwischen Jordan und Mittelmeer die Hamas regiert – was passiert dann mit den Juden? Und auch den Drusen, Alawiten, Shiiten und Christen? „Es gibt zu wenig geschützte Räume für Debatte“, findet die verschleierte Hübsch.
Ausgerechnet den deutschen Universitäten mit ihren Safe-Spaces für jede marginalisierte Gruppe vorzuwerfen, sie würden keine geschützten Räume für Dialog bieten, ist lachhaft. Es wird an den Hochschulen viel zu sehr auf Dialog mit extremistischen Gruppierungen gesetzt. Wenn Professoren und sogar die Universitätsführung sich positiv zu subversiven und enthemmten Hass-Kundgebungen positionieren, müssen sich die Randalierer politisch gestärkt fühlen.
Der arabische Israeli und Psychologe Ahmad Mansour sieht wegen der Proteste eine Grenze überschritten. Legitime Israelkritik sei in jedem Fall tolerierbar, findet Mansour. Aber wenn jüdische Studenten sich nicht mehr an den Campus trauten, könne keiner mehr von normalen Protesten sprechen. In der Tat ist es schwer vorstellbar, dass sich ein jüdischer Student an eine Uni wagt, in der widerliche Schmierereien an den Wänden stehen. „Bei Sylt gab es eine Reaktion, bei den Demos in Berlin blieb sie aus“, kritisiert Mansour die Politik. Die Kritik ist mehr als berechtigt. Wegen einem primitiven Video aus Sylt wurde beinahe der nationale Notstand ausgerufen, während in Berliner Unis die 1930er Jahre ihr Comeback feierten. Die Politik will nur sehen, was in ihr Narrativ passt.
Die Mehrheit als äußerer Feind
Immer wieder lassen Umfragen unter jungen Muslimen die Gesellschaft aufhorchen. Bei vielen jungen Muslimen kristallisiert sich heraus, dass der deutsche Rechtsstaat und die Mehrheitsgesellschaft abgelehnt werden. „Der Islam wird als Identitätscontainer verstanden“, erklärt Murat Kayman. Kritischen Muslimen wie ihm selbst würde der Dialog innerhalb der konservativen Verbände verweigert, bemängelt er – Kayman selbst war bis 2017 im Türkisch-Islamischen Verband Ditib tätig, trat aber aus, als bekannt wurde, dass Ditib-Imame in Deutschland für den türkischen Geheimdienst ihre Gemeinden ausspionierten.
Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide erkennt bei seiner Arbeit mit islamischen Studenten bewusste Abgrenzung zur deutschen Gesellschaft. „Meine Studenten sprechen von Allah und nicht von Gott, berichtet der Theologe. Dabei sei Allah nur das arabische Wort für Gott und würde nicht allein für den Islam gelten, sondern auch für arabische Christen und Juden, so Khorchide. Auch die Scharia und das Kalifat würden bewusst als Provokation verwendet.
Man kann aber auch zu der Einsicht gelangen, dass sich die Muslime sehr gut in die Gesellschaft integriert haben. Als marginalisierte gesellschaftliche Randgruppe bringt es ihnen eigentlich nur Vorteile, wenn sie in der Opferrolle verharren und radikale Forderungen stellen. So viel können die Muslime von den LGBTIQ+Aktivisten lernen. Die Aktivisten haben sogar ein Gesetz bekommen, welches die Biologie außer Kraft setzt. Warum sollten sich Muslime dann mit weniger als der Scharia begnügen?
Hübsche Fassade für Extremismus
Fundamentaler Islam muss in Deutschland kein Hindernis sein, um einen Platz im gesellschafltichen Mainstream zu bekommen. Im Hessischen Rundfunkrat sitzt als Vertreterin des Islam eine Frau, die konservative Vorstellungen aus dem vorigen Jahrhundert lebt, aber von linker Seite gerne als tolerante Vorzeige-Muslima präsentiert wird. Auch bei Lanz vertritt Khola Maryam Hübsch eher befremdliche Thesen. Die Entlarvung als Anhängerin einer ultrakonservativen islamischen Sekte vollzieht am Ende nicht der Moderator, sondern die übrigen muslimischen Gäste.
Denn Hübsch gewährt nach bohrenden Fragen seitens Mansour, Khorchide und Kayman Einsicht in ihre Glaubenswelt. Für sie gehöre Homosexualität nicht zu einem gottgefälligen Leben, meint Hübsch. „Das Kopftuch ist ein Gebot“, erklärt sie. Zwar könnten Homosexuelle und Frauen ohne Kopftuch ihre Gemeinde besuchen, doch würden sie gegen die Lehre verstoßen. „Wir erwarten ein gottgefälliges Leben“, sagt Hübsch.
Das mag im ersten Moment wie gesellschaftlicher Konservatismus wirken, den man auch in mancher Kirche findet. In ihrem Fall bedeutet es aber, dass sie in einer arrangierten Ehe lebt. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Hübsch islamistische Begriffe wie Scharia und Kalifat unkritisch sieht. „Scharia bedeutet, dass man ein besserer Mensch wird“, erläutert sie ihre Vorstellung. In vielen islamischen Ländern, in denen die Scharia Teil der Rechtsprechung ist, bedeutet sie noch mehr: Frauen haben kaum Rechte, Homosexuelle werden hingerichtet und die Strafen für Verbrechen sind drakonisch. Die Frage stellt sich, ob eine fundamentalistische Muslima wie Hübsch wirklich einen Platz im öffentlichen Rundfunk haben sollte.
Alles in allem macht die Sendung dennoch Mut. Die Sensibilität unter den akademisch-säkularen Muslimen gegenüber Extremismus innerhalb der Religionsgemeinschaft steigt. Die Vielzahl an kritischen Gästen beweist, dass es falsch ist, alle Muslime in einen Topf zu werfen. Es gibt erkennbar ein Bewusstsein, dass es eine klare Ansprache an die Community braucht, um Problemen wie Antisemitismus und Extremismus zu begegnen.
Und doch: Die, die in dieser Runde sitzen und den islamischen Mainstream kritisieren, sind in eben diesem Mainstream Außenseiter. Murat Kayman trat aus der Ditib aus und gründete die Alhambra-Gesellschaft als Alternative; die unterhält aber keine Moscheen und organisiert keine Gottesdienste. Ihre Reichweite ist also eingeschränkt. Ahmad Mansour ist ein spannender Beobachter der Situation, aber auch er ist kein Aktivist oder Prediger. Und die Lehren Mouhanad Khorchides werden von Islamverbänden wie Ditib abgelehnt. Die wirkmächtigste in der Runde ist die Rundfunkrätin – die die Sharia begrüßt.