Die Fußballnation Deutschland ist gekränkt. Hätte Deutschland doch nur diesen Elfmeter gegen Spanien bekommen … den gab es aber nicht und deshalb spielte am Dienstagabend Spanien gegen Frankreich. Über das Handspiel von Marc Cucurella will Markus Lanz ausnahmsweise mit echten Experten diskutieren. Reinhold Beckmann ist Sportjournalist, Knut Kircher war FIFA-Schiedsrichter. Außerdem dabei ist Julia Löhr, Wirtschaftskorrespondentin der FAZ in Berlin. Markus Lanz schließlich ist Talkmaster beim politisch absolut, vollkommen, komplett unabhängigen ZDF. Deshalb kann keine Sendung ohne einen Vertreter der Ampelparteien stattfinden. Und wenn es nur Ralf Stegner ist, der früher bis zur Verbandsliga als Schiedsrichter tätig war. Der Zuschauer muss sich fragen: Als was war der SPD-Mann unbeliebter, als Schiedsrichter oder als Politiker?
Knut Kircher erklärt, wie so eine Entscheidung auf dem Rasen zustande kommt. Im Spanien-Deutschland-Spiel entschied Schiedsrichter Anthony Taylor, dass Cucurella kein Foul begangen hatte, als er einen Torschuss mit seiner Hand verhinderte. Dabei ist Cucrella nicht Torwart, sondern Linksverteidiger. Die Schiedsrichter im „Videokeller“ bei Leipzig, die die Entscheidungen per Videobeweis überprüfen, finden keinen Anhaltspunkt,Taylors Entscheidung zu widersprechen, und so wird weitergespielt, ohne dass Taylor das Spielfeld verlassen muss, um sich die Aufzeichnung am Bildschirmrand anzusehen. Kann man anders entscheiden? Vielleicht. Kircher hätte es eher als Handspiel gewürdigt. Aber unter Anwendung des geltenden Regelwerks war es eine legitime Entscheidung, finden die anwesenden Experten (außer Stegner).
Wichtige Fragen bitte nicht im ZDF diskutieren
Die Diskussion um Cucurellas Handspiel (oder auch nicht) ist nur ein Symptom einer Diskussion, die im Fußball stattfinden muss. Wenn die Regeln einfach und klar sind, gibt es keinen Interpretationsspielraum. Eine „Hand ist Hand“-Regel bestraft eine Mannschaft, wenn ein Spieler gar kein Foul begehen wollte, sondern nur angeschossen wurde. Eine Regelung, wie sie derzeit angewendet wird, bei der ein „natürliches Handspiel“ nicht bestraft wird, führt zu Diskussionen über Cucurella-Situationen.
Ähnliches gilt für das Abseits: Entweder gilt das Abseits absolut. Wenn ein Spieler auch nur mit der Zehenspitze vor dem letzten Abwehrspieler steht und den Ball annimmt, steht er im Abseits. Sein Tor zählt nicht. So geschehen im Spiel Deutschland gegen Dänemark. Oder es gibt eine Toleranzgrenze – und dann wird in Talkshows über die Legitimität oder Illegitimität von Abseits-Entscheidungen diskutiert.
Diese Diskussion findet bei Lanz nicht statt. Markus Lanz will lieber zurück zu Themen, die ihm naheliegen; und das ist die Politik. Eine verlorene Chance für den Talkmaster, denn die Fußballdiskussion war spannend, sogar für jene, die an Fußball nur mäßig interessiert sind.
Stegner will weniger Tristesse
Julia Löhr ist sichtlich verloren in der Sendung. Markus Lanz bemüht sich, sie mit gesellschaftlichen Fragen in die Diskussion zu ziehen. Der Nationalmannschaft wurde zu viel aufgebürdet, findet sie: Zu viel Bedeutung fernab des Stadions sei in ihre Leistung hineingelesen worden. „Es ist nicht Aufgabe der Nationalmannschaft, das Land zu retten“, bestärkt Beckmann sie. Genauso wenig sei es Aufgabe der Fußballer bei einer WM in Qatar gewesen, ein politisches Zeichen zu setzen. Der Zusammenhalt der Mannschaft sei unter diesem Druck zerbrochen.
Am Ende wird es noch einmal politisch. Löhr fragt Stegner nach dem Bürgergeld. Warum bezögen 1,5 Millionen Personen Bürgergeld, die laut Arbeitsministerium arbeitsfähig sind? „Mich wundert, warum die SPD so eine Sozialleistungsempfänger-Partei geworden ist“, treibt Löhr den SPD-Politiker in die Ecke. Der packt sein Wohlfahrtsstaats-Blabla aus. Sein Plan, um der AfD Stimmen abzujagen: Rente, Mieten und Sozialleistungen thematisieren. Insgesamt wünscht sich Stegner weniger Tristesse im Land. Mehr Optimismus. [Anm. d. Red.: Nein, das ist kein Fehler. Wir haben das geprüft. Ralf Stegner wirbt für weniger Tristesse. Ob Nonnen neuerdings für Polygamie werben, ist nicht bekannt, würde jetzt aber niemanden mehr überraschen.]
Eine interessante Sendung, auch für Zuschauer, die eigentlich keine Fußballfans sind. Ralf Stegner führt sich und die SPD live im Fernsehen vor. Aber das ist ja nichts Neues. Wer Maischberger oder Lanz schaut, kann dieses Schauspiel gut einmal im Monat erleben. Warum Stegner in dieser Sendung sitzen muss und seine Politikerphrasen zwischen Anekdoten aus der Verbandsliga zum Besten gibt – das ist nicht zu erklären. Das ZDF ist schließlich vollkommen unabhängig und kein Regierungssender, oder?