Anzug, Koffer, FAZ. Jahrzehnte gehörte die Frankfurter Allgemeine Zeitung zu den Statussymbolen, die einen deutschen Manager ausgemacht haben. Doch hin ist der Ruf als Bollwerk des konservativen Journalismus. Ebenso wie die Leserschar, die ihren klugen Kopf hinter dieses Bollwerk stecken wollte. 189.523 Exemplare betrug die verbreitete Auflage der FAZ im vergangenen Quartal. Das berichtet die IVW, die für den Werbemarkt die Auflagenzahlen deutscher Zeitungen erfasst.
189.523 Exemplare. Das hört sich nicht gerade viel an. Verstellt den Blick auf die tatsächliche Lage der FAZ aber immer noch. Denn eigentlich lautet die entscheidende Zahl für die FAZ: 158.426 Exemplare. So viele kamen nämlich tatsächlich bei den Lesern an. Diese belastbare Auflage errechnet sich aus den Abos und den Exemplaren, die im Einzelverkauf verkauft wurden. Dabei profitiert die FAZ von 139.660 abgeschlossenen Abos. Im Einzelverkauf gingen gerade mal noch 18.766 Exemplare täglich über den Tisch. Die rund 50.000 E-Paper sind in den beiden Zahlen schon eingerechnet, sie fallen fast ausschließlich auf die Abos.
Spannend ist noch eine weitere Zahl. Täglich gehen 54 689 Exemplare der FAZ in den Handel. Aber wie beschrieben werden nur 18.766 Exemplare verkauft. Das heißt: Es gehen jeden Tag 35.923 als „Remittenden“ wieder zurück. Die FAZ ist ein Ladenhüter. Ein Ärgernis für den Kioskbesitzer: Drei Exemplare bekommt er, eins verkauft er, zwei muss er zurückschicken. Bei den lokalen Tageszeitungen geht knapp jedes zweite Exemplar aus dem Einzelverkauf wieder zurück.
Die belastbare Auflage ist bei der FAZ um 11.470 Exemplare zurückgegangen. Das entspricht einem Verlust von 6,7 Prozent. Noch deutlicher sind die Verluste der Süddeutschen Zeitung. Die hat laut IVW im zweiten Quartal tatsächlich 240.665 Exemplare an den Mann gebracht. Das sind 22.761 Exemplare weniger als noch vor einem Jahr – ein Verlust von 8,6 Prozent. Für die Kioskbesitzer ist die Süddeutsche ein ähnliches Ärgernis wie die FAZ: 67.237 Exemplare erhalten sie täglich – 44.124 Exemplare gehen wieder zurück. Die FAZ hat jüngst die Umweltbilanz von Hafermilch vorgestellt, die Süddeutsche die Umweltbilanz von Streaming – wie viel CO2 freigesetzt wird, wenn ihre ungewollten Blätter an die Kioske und wieder zurückgeliefert werden, verraten die Qualitätsmedien indes nicht.
323 Zeitungen sind bei der IVW gemeldet. Zusammen haben sie im zweiten Quartal rund 12.5 Millionen Exemplare verbreitet. Eine Million Exemplare weniger als ein Jahr davor. Das entspricht einem Rückgang von 7,3 Prozent. Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag stehen, dass sie Zeitungen fördern will. Die „Zukunftskoalition“ setzt also auf einen Verbreitungsweg, der immer mehr als überholt gelten darf.