Tichys Einblick
SERIE: KRISE DER ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN

ARD und ZDF müssen die Akzeptanz der Zuschauer zurückgewinnen

Der Skandal um die gescheiterte ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger hat den Blick auf die Krise der Öffentlich-Rechtlichen freigelegt. Diese besteht aus vielen ineinandergreifenden Elementen. Eines davon ist die fehlende Akzeptanz für die politische Berichterstattung.

IMAGO/Metodi Popow

Deutschland hat ein duales Fernsehsystem: Neben den öffentlich-rechtlichen gibt es auch private Sender. Wem also ARD und ZDF nicht gefällt, dem bleibt das Ärgernis über die Zwangsgebühren – aber das Programm kann er jederzeit wechseln. In der Theorie. Denn zu den Problemen des Öffentlich-Rechtlichen beigetragen hat der Umstand, wie schlecht die Privaten aufgestellt sind. Zum einen müssen sie sich mit Streamingdiensten um Werbekunden prügeln sowie um Abonnenten, wenn sie eigene Versuche starten, ein kostenpflichtiges Angebot zu machen. Zum anderen laufen sie inhaltlich in die gleiche Richtung wie ARD und ZDF: Haltungsjournalismus statt angelsächischer Neutralität, missionarischer Willen in Fragen des Klimaschutzes oder der Identitätspolitik.

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Nur nehmen sich die Sender dabei selbst nicht ernst: ProSieben hisst gerne und oft die Regenbogenfahne – füllt aber an Werktagen sein Programm zu einem Zwölftel mit der in Dauerschleife laufenden Serie „Two and a half Men“, in der Homosexualität als etwas dargestellt wird, was es zu vermeiden gilt. Auf Twitter hat der Sender seine Zuschauer aufgefordert, wegzubleiben, wenn ihnen das Gendern nicht gefalle. Das Problem ist nur, dass die Zuschauer ProSieben beim Wort nehmen. Im Juli erreichte der Sender laut Statistischem Bundesamt nur noch eine Quote von 3,2 Prozent – das Niveau eines Spartensenders. Darüber tröstete sich ProSieben am Sonntag auf Twitter mit 9,6 Prozent Marktanteil bei den Zuschauern zwischen 14 und 39 Jahren hinweg. Die absoluten Zahlen nennt der Sender nicht – denn die werden in diesem Altersbereich Monat für Monat geringer.

Auch RTL scheitert besonders gerne dann, wenn es besonders korrekt sein will. So hat der Sender Dieter Bohlen entlassen, der zwei Jahrzehnte lang als Gesicht für die Kölner gestanden hat. Im Mittelpunkt von „Deutschland sucht den Superstar“ sollten die Gesangskunst und das faire Umgehen miteinander stehen. Eine schöne Botschaft. Nur sehen wollte das halt keiner. Die Einschaltquote lag anfangs niedrig, um dann immer weiter zu fallen. Jetzt hat RTL Bohlen zurückgeholt, um DSDS dann nach der nächsten Staffel einstellen zu wollen. Aktionismus. Zumal DSDS aus einer Ära stammt, in der RTL den Ton vorgab und jährlich neue Shows rausbrachte, die das deutsche Fernsehen veränderten und dominierten. Viel davon übrig geblieben ist nicht – und Neues kommt kaum dazu. RTL hat die Innovationsführerschaft gegen seine politische Mission eingetauscht. Deswegen lebt der Sender heute von seinen wenigen verbliebenen Schlachtschiffen wie „Wer wird Millionär“, das es zuletzt täglich gebracht hat.

Wer mit ARD und ZDF unzufrieden ist, kann nicht zu überzeugenden Alternativen wechseln. Zumindest nicht zu Vollprogrammen im Fernsehen. Dort werden die Spartensender immer wichtiger. Im Juli besetzten die acht größten Sender zusammen 52,1 Prozent Marktanteil – fast die Hälfte der Zuschauer bleibt also für die Kleinen. An Samstagen holt Sky mit Bezahlfernsehen bei den Zuschauern unter 50 Jahren in der Spitze so hohe Quoten wie die öffentlich-rechtliche Konkurrenz. Vor ARD und ZDF fliehen die Zuschauer – vor allem die Jüngeren – längst zu den Streamingdiensten. Und dann gibt es noch die Möglichkeit, das Zuschauen ganz einzustellen. Marktanteile sind also ein untaugliches Instrument, um die Akzeptanz der Sender festzustellen.

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Selbst in totalen Zahlen geben die Quoten nur ein unzureichendes Bild über die Akzeptanz des Fernsehens wieder. Wir sind vielleicht im Digitalzeitalter angekommen. Die Quotenerfassung ist das aber nicht. 5000 ausgesuchte Haushalte entscheiden darüber, ob der Tatort sechs oder zwölf Millionen Zuschauer hatte. Wobei das System noch zuverlässig darin ist anzuzeigen, ob ein Format wie Tatort oder Fußball außerordentlich erfolgreich ist. Bei kleinen Zahlen grenzt das System an Mutmaßung. Ob ein Eckart von Hirschhausen 370.000 oder 570.000 Zuschauer hat, darüber entscheidet mitunter ein repräsentativ ausgewählter Probant. Das System zur Erfassung stammt aus dem Jahr 1963. Damals war Konrad Adenauer Bundeskanzler und „Junge, komm bald wieder“ von Freddy Quinn ein aktueller Hit.

Zum anderen taugt die Quote ohnehin nur bedingt als Gradmesser für Akzeptanz. Gerade journalistische Angebote können auch dann eine Wirkkraft entfachen, wenn sie in der Erstausstrahlung keine große Zuschauerschaft erreicht haben. Der Umkehrschluss greift ebenfalls nicht mehr, dass schlechtes Niveau hohe Quoten bringt. So erreichen ARD und ZDF mit ihren großen Shows am Samstag zwar um die vier Millionen Zuschauer. Das sind aber die durchschnittlichen Quoten für die öffentlich-rechtlichen Sender und mit Ausnahme von „Wetten dass..?“ bleiben die Jungen fast gänzlich fern. Auch die niedrige Sehbeteiligung bei den Zuschauern unter 50 Jahren ist handelsüblich.

Insgesamt ermitteln die Sender noch beachtliche Zahlen: So sahen die Deutschen im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt 213 Minuten Fernsehen am Tag. Also dreieinhalb Stunden – fast ein Achtel des Tages. Marktführer bei allen sind ZDF und ARD, bei den Zuschauern unter 50 Jahren sind es RTL und Pro Sieben, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Kinder zwischen 3 und 13 Jahren schauen demnach am Tag 46 Minuten – vor gut 20 Jahren waren es noch 92 Minuten. Bei den Jugendlichen zwischen 14 und 29 Jahren sind es 62 Minuten am Tag. Seine Reichweite holt das Fernsehen also längst mit den Menschen über 50 Jahren.

Für ARD und ZDF ist das gleichermaßen Fluch wie Segen. Einerseits ist ihr Programm auf die Wünsche alter Menschen ausgerichtet und erreicht diese Gruppe folglich auch. Das sichert ihnen die Marktführerschaft. Die wiederum verhilft ihnen zusammen mit politischer Rückendeckung zu der Situation, in der sie die Höhe der Gebühren nach Belieben diktieren können. Auch wenn das Geld am Ende in Massagesesseln für die Chefinnen endet.

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Andererseits ereichen ARD und ZDF die jungen Menschen kaum. Schon gar nicht in den totalen Zahlen – aber nicht mal in den Marktanteilen. Dort haben in der Regel RTL und Pro Sieben die Nase vorne. Filme und Shows der Öffentlich-Rechtlichen erreichen die Jungen nicht. Nur in Ausnahmefällen wie dem Comeback von „Wetten dass..?“ oder mit wenigen Formaten wie Tatort oder Aktenzeichen. Wollen ARD und ZDF die Jungen erreichen, müssen sie auf Sport setzen: Die Fußball-Weltmeisterschaften der Frauen und der Männer laufen ausführlich; von November bis April sind ganze Programmtage mit Wintersport-Marathons blockiert und für zehn Tage berichten ARD oder ZDF derzeit jeden Tag 12 bis 14 Stunden live von Europameisterschaften, die terminlich im Interesse des Fernsehens zusammengelegt wurden. Auf diese Weise konnte die ARD an diesem Dienstag die Marktführerschaft bei den Zuschauern unter 50 Jahren feiern.

Aber: 8.500.000.000 Euro erpresst der Staat jährlich von den Bürgern für ARD und ZDF. Das Einzugssystem ist aufwendig und konsequent. Wer sich weigert, muss ins Gefängnis, was den Steuerzahler rund 140 Euro am Tag kostet. All dieser Aufwand nur, um den weltweit größten Sportsender zu betreiben? Staatliche Eingriffe in eine private Wirtschaft führen oft zu schrägen Ergebnissen, weil Ziele und Ergebnisse nicht mehr zueinander passen. Das öffentlich-rechtliche Sportfernsehen ist das Resultat eines solchen Prozesses.

Show, Sport und Filme gehören auch zum öffentlich-rechtlichen Auftrag. Auch. Aber im Wesentlichen sollten ARD und ZDF die 8.500.000.000 Euro Zwangsgeld durch ihre politische Bildung rechtfertigen. Die fehlende Akzeptanz in diesem Bereich sollten sie nicht durch Beliebtheit bei Sportfans kaschieren. ARD und ZDF sollten sich die Akzeptanz in der politischen Berichterstattung zurückholen. Das gelingt nicht, wenn man als Redakteur im Zuschauer nur einen zu belehrenden Schüler sieht. Und erst recht nicht, wenn man in jedem Zuschauer einen Rechten und politischen Feind sieht, der nicht die Meinung der zu über 90 Prozent rot-rot-grün wählenden ARD-Volontäre teilt.

Akzeptanz gewinnen keine Sender, die gendern, obwohl eine deutliche Mehrheit der Zuschauer das ablehnt. Akzeptanz gewinnen keine Zuschauer, die das Publikum nicht ernst nehmen. Die ihnen erklären: Die Moderatorin habe gesagt, sie „muss“ gendern, um damit auszudrücken, welch innerliches Bedürfnis ihr das ist. Akzeptanz gewinnen keine Sender, die täglich mehrfach Verzicht zugunsten des Klimaschutzes propagieren – um dann selbst mit dem PS-starken Dienstwagen durch die Gegend zu fahren, auch privat. Und die sich in Kommentaren über Preissteigerungen freuen, weil diese die Menschen zwingen würden, zu verzichten, was wiederum dem Klima helfe. Die dann aber wegen dieser Preissteigerungen Gebührenerhöhungen fordern, weil sie den Verzicht allen zumuten wollen, nur nicht sich selbst. Der Missionarswillen von ARD und ZDF ist schon schlimm genug. Zum Fremdschämen ist es, wie oft und leicht die Heuchelei dahinter hervorblitzt. Wer Wein säuft und Wasser predigt, der wird höchstens von Weinhändlern akzeptiert.

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