Aufregung im Netz über „Kommunismus“-Jubelzitat beim Deutschlandfunk
Sebastian Thormann
Minutenlang gibt der „Deutschlandfunk“ einer orthodoxen Kommunistin eine unkritische Plattform. Als „klug“ und „substanziell“ bewerten die Moderatoren den Ruf nach Diktatur und Planwirtschaft. Die Kritik daran muss erst von außen kommen – und wird selbstredend als „rechter Shitstorm“ verunglimpft.
„Ich glaube, dass wir den Kommunismus haben müssen, wenn wir eine Zukunft für alle wollen“ – Mit diesem Zitat pries Deutschlandfunk Kultur vor ein paar Tagen in den sozialen Medien ein Interview mit der Lyrikerin und selbsterklärten Kommunistin Elisa Aseva an. Aseva schreibt kommunistische Gedichte – das qualifiziert sie offenbar, eine unwidersprochene Plattform beim Deutschlandfunk geboten zu bekommen.
Dass diese Aussage – übrigens pünktlich zum 33. Jahrestag des Massakers auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking – im Netz mitunter nicht besonders gut ankommen könnte, daran dachte beim Deutschlandfunk wohl niemand. Nicht wenige Nutzer kritisieren also in den Kommentaren, dass der Deutschlandfunk mit solch einer Aussage wirbt. Aseva beklagt sich, dass ein „rechter Shitstorm“ gegen sie laufe, und Deutschlandfunk Kultur versichert: „Wir stehen natürlich hinter unserer Zitatgeberin.“
Kommentare wie „Warum gibt man linken Extremisten so eine Plattform?“ oder „Kommunismus ist eine Ideologie, die viele Tote zu verantworten hat“ werden prompt vom Deutschlandfunk ausgeblendet. Und wenn kritische Kommentare dann doch überleben, werden sie mit „Bitte hören Sie doch mal ins gesamte Gespräch rein!“ beantwortet. Der Satz ist aus dem Kontext gerissen, wird suggeriert. Vielleicht wird im Interview die Aussage kritisch eingeordnet, vielleicht haken die Moderatoren ja noch nach, ob der Kommunismus nicht ein paar Nachteile hat. Warum also nicht mal reinhören?
Ab Minute 35 sprechen die beiden Moderatoren Aseva zu ihrem „Hang zum Kommunismus“ an – aber nicht ohne bei der Frage schon mal ins Lachen zu kommen. Daraufhin darf Aseva dann ausgiebig erklären, warum sie vom Kommunismus so überzeugt ist und wieso man „keine kapitalistische Klasse“ in der Gesellschaft zulassen dürfe. Kritik oder eine auch nur im Ansatz kritische Frage dazu sucht man aber vergebens, die beiden scheinen eher begeistert von Asevas Ausführungen.
„Einmal nachfragen“ will Moderator Friedemann Karig schon, aber in seinen Worten „nicht, weil ich dich irgendwie bloßstellen will oder widerlegen will, ich glaube wahrscheinlich eher im Gegenteil“. Weil es ihm gefällt, danach klingt es. Wie konkret stelle sie sich denn die Umverteilung vor, hakt er nach. Aseva macht klar: Sie meint mit Kommunismus schon das volle Programm, staatliche Planwirtschaft usw. und nicht nur ein bisschen Reichensteuer. Sie meine „schon wirklich Kommunismus“, betont Aseva, nicht ein paar „Reförmchen hier oder da“.
Nach ein, zwei Minuten Erläuterung dazu, wieso sie auch EU-weite ZeroCovid-Lockdowns befürwortet, fragt Moderatorin Samira El Ouassil dann begeistert: „Warum bist du nicht in die Politik gegangen? Also ich habe gerade in diesen letzten 10 Minuten so viel klügere und bessere, substanziellere Ansätze zu hören bekommen als in vielen Bundestagsdebatten oder politischen Talkshows.“ Wer gedacht hätte, Aseva werde auch nur mit einem Wort damit konfrontiert, dass Kommunismus vielleicht doch keine so großartige Idee ist, wird hier enttäuscht.
Ihr Zukunftstraum vom kommunistischen Deutschland wird von den Moderatoren mehr angefeuert als kritisiert: Für die Deutschlandfunk-Moderatoren scheint Kommunismus im schlimmsten Fall Zukunftsmodell oder im besten Fall noch eine Kuriosität zu sein, aber keine totalitäre Ideologie mit Millionen von Menschen auf dem Gewissen. Ob die Moderatoren mit einem überzeugten Nazi genauso unkritisch umgegangen wären? Hoffentlich nicht. Man kann wohl getrost sagen, dass das undenkbar wäre. Wieso aber bekommt die andere der beiden tödlichsten Ideologien des 20. Jahrhunderts beim Deutschlandfunk dann eher Begeisterung als Kritik entgegengesetzt?
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