Allmählich wird die Letzte Generation ein Fall für die Firma Panini in Modena. Die stellt die beliebten Sammelalben für Fußballerfotos her. Und von den Klima-Extremisten treten mittlerweile so viele unterschiedliche Vertreter in ARD und ZDF auf, dass ein Panini-Album nicht nur hübsch, sondern auch hilfreich wäre. Um die Übersicht zu behalten. Bei Anne Will sitzt Carla Hinrichs. Sie ist die „Pressesprecherin“.
Hinrichs ist weiblich, jung und sieht immer ein wenig aus, als ob sie gleich losheulen würde. Der Eindruck wird dadurch verstärkt, dass sie es tatsächlich tut. Vorzugsweise vor einer Kamera. Dazu sagt und schreibt sie Formulierungen wie, Deutschland sei jemand, der die „Schnellstraße in die Klimahölle betonieren“ würde. Wollte man das vertonen, wäre es Straßenfolk der frühen 80er Jahre. Deren Sängerinnen zu dünne Stimmen und schwach ausgeprägte Musikalität durch Engagement wettmachten – oder es zumindest versuchten.
Will fragt Hinrichs, ob sie sich vorstellen könne, dass es falsch sein könne, Straftaten zu begehen. Bei denen sogar Leben gefährdet werde. Auch wenn es „im besten Sinne“ passiere, „Mit dem besten Anliegen“. Das klingt nach Samthandschuhen. Im Vergleich zum Beginn der Straftatenserie der Letzten Generation ist das aber eine Eskalation. Der Tod einer verunglückten Radfahrerin in Berlin, zu der Rettungsgerät nicht gebracht werden konnte, weil die Letzte Generation die entsprechende Straße blockierte, hat die Debatte verändert. Journalisten wie Anne Will lieben die Letzte Generation immer noch. Die handele nämlich „im besten Sinne“, „mit dem besten Anliegen“. Aber mittlerweile fragen Journalisten wie Will nach, ob es vielleicht doch falsch sein könnte, dauerhaft und fortgesetzt das Gesetz zu brechen. Auch wenn es „im besten Sinne“ passiere. „Mit dem besten Anliegen.“
Nun beginnt die Debatte, die Zuschauer von ARD und ZDF schon öfter gesehen haben – mit anderen Vertreterinnen aus dem Panini-Album. Aber die Gesichter ändern sich, die Debatten nicht: Deutschland tue viel für den Klimaschutz, aber nicht genug. „Wir können als Deutschland nur eines tun – nämlich besser sein als alle anderen.“ Klingt nach Wilhelm dem Zweiten. Ist aber die grüne Allzweckwaffe Katrin Göring-Eckardt. Sie eröffnet den politischen Teil der Runde, das ist der, in dem Hinrichs zuhören und ihren Gesichtsausdruck auf Gleich-Losheulen halten muss: Die CSU tue in Bayern nicht genug für erneuerbare Energien, redet sich Göring-Eckardt in Rage, was fast vergessen lässt, dass die Bundesrepublik zum ersten Mal seit ihrem Bestehen über anstehende Blackouts diskutiert. Flächendeckende, dauerhafte Stromausfälle. Als Folge von Kohle- und Atomausstieg.
Auch diese Debatte ist bekannt. Trotzdem neu. Denn mit Herrmann trifft Hinrichs mal auf jemanden, der das Kreuz durchdrückt. Die Festgesetzten hätten Straftaten begangen, mehrfach – und zu erkennen gegeben, dass sie nicht damit aufhören wollten. Deswegen sitzen sie in Gewahrsam. Außerdem hätte keiner von ihnen Rechtsmittel eingelegt. Warum nicht? Das will Herrmann von Hinrichs wissen. Ihre Antwort ist spannend: Weil deren Haft „die Absurdität dieses Staates in seinem Handeln veröffentlicht.“ Sagt die Extremistin von heute. Den Staat hässlich machen zu wollen, ist eine Strategie, die sich in den überlieferten Dokumenten zu RAF-Gründer Andreas Baader findet.
Am Anfang der Woche verteidigte der Chef des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, die Letzte Generation. Sie sei nicht extremistisch. Sie wolle den Staat zum Handeln auffordern: „Also anders kann man eigentlich gar nicht ausdrücken, wie sehr man dieses System eigentlich respektiert, wenn man eben die Funktionsträger zum Handeln auffordert.“ Sagt der Verfassungsschützer über die Letzte Generation. Sie wolle die Absurdität des Staates veröffentlichen, sagt die Letzte Generation selbst. Zumindest ihre Pressesprecherin. „Eine friedliche, freiheitliche Demokratie wird es nicht geben“, sieht Hinrichs in die Zukunft. Wenn es vier Grad wärmer werde. Ihr Bild würde in manches Panini-Themen-Album passen.
Wie geht es weiter? Deutschland muss mehr Geld ausgeben für den Klimaschutz und mehr Verzicht üben, um das Klima zu retten. Das wird nicht reichen, weshalb wir noch mehr verzichten und sparen müssen, was nicht … Das Prinzip dürfte verstanden sein. Für die Letzte Generation hat Anne Will indes eine einfache Lösung: Wir müssen einfach nur ihre Forderungen erfüllen, dann würden sie aufhören. Wie diese Strategie in der Regel ausgeht, hat Max Frisch in „Biedermann und die Brandstifter“ trefflich beschrieben.